Warum streuen Krebszellen in andere Organe? Forscher haben nun die ersten Schritte dieses Prozesses beim schwarzen Hautkrebs entschlüsselt.
Wenn Hautkrebs streut, wird es gefährlich: Dann entstehen Metastasen, die sich in anderen Organen einnisten und kaum noch behandelbar sind. Doch wie schaffen es einzelne Tumorzellen überhaupt, sich außerhalb ihres Ursprungsorts festzusetzen? Ein Forschungsteam aus Regensburg, Tübingen und Hannover hat jetzt gezeigt, wie dieser Prozess bei Melanomen abläuft – und liefert damit neue Ansätze für Therapien.
Das Melanom ist eine bösartige Hautkrebserkrankung. Es wird auch als schwarzer Hautkrebs bezeichnet. Bei einem Melanom vermehren sich Zellen unkontrolliert, können in gesundes Gewebe einwachsen und es schädigen.
Im Fokus der Studie standen rund 500 Patienten mit malignem Melanom, dem besonders aggressiven schwarzen Hautkrebs. Die Wissenschaftler untersuchten deren Lymphknoten – jenen Ort, an dem sich Metastasen beim Melanom oft zuerst bilden. Dabei entdeckten sie mithilfe spezieller Farbstoffe extrem seltene, gestreute Krebszellen, die ein bestimmtes Protein auf ihrer Oberfläche trugen: MCSP. Schon eine einzige dieser Zellen unter zwei Millionen Lymphknotenzellen ging mit einer deutlich schlechteren Überlebensprognose einher.
“Diese Zellen sind besonders gefährlich”, sagt Studienleiterin Melanie Werner-Klein laut Pressemitteilung. Denn sie zeigten nicht nur typische Merkmale von Melanomzellen, sondern hatten auch eine Art embryonales Zellprogramm aktiviert – ein Verhalten, das normalerweise nur bei der Entwicklung des Menschen auftritt.
Rückfall in den Stammzell-Zustand
Das Forschungsteam konnte zeigen, dass diese gestreuten Krebszellen sich in einem Zustand befinden, der stark an unreife Pigmentzellen im Embryo erinnert. Normalerweise wandern diese Vorläuferzellen der Haut in der frühen Entwicklung in Richtung Oberhaut. Die Melanomzellen hingegen versuchen, sich im Lymphknoten “neu zu organisieren” – sie starten gewissermaßen einen fehlerhaften Versuch, dort Hautgewebe zu bilden.
Dabei helfen ihnen Gene aus dem sogenannten Neuralleisten-Programm – einem embryonalen Bauplan. Dieses Programm verändert das Erscheinungsbild und den Stoffwechsel der Krebszellen so, dass sie sich tarnen und der Immunabwehr entkommen können. Teil dieser Tarnung: Sie setzen Moleküle wie CD155 und CD276 frei, die T-Zellen hemmen – also genau die Abwehrzellen, die Krebszellen eigentlich erkennen und zerstören sollen.

Bemerkenswert ist auch, was die Krebszellen zu dieser Veränderung bringt: Sie reagieren auf Angriffe des Immunsystems. Nur die Melanomzellen, die einen solchen Angriff durch T-Zellen überleben, aktivieren das Stammzellprogramm. Diese Anpassung erlaubt es ihnen nicht nur, der Immunabwehr zu entkommen, sondern sich auch im fremden Gewebe anzusiedeln und dort zu vermehren.
Sobald sich eine solche Kolonie gebildet hat, verschlechtert sich die Situation weiter. Denn die T-Zellen werden durch die ständige Gegenwehr der Krebszellen “erschöpft” – sie stellen ihre Abwehrfunktionen ein. Die Metastase kann dann ungehindert wachsen.
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Die Ergebnisse der Studie liefern nicht nur neue Einblicke in die Biologie der Metastasierung, sondern auch konkrete Angriffspunkte für neue Behandlungsansätze. So könnte etwa das MCSP-Protein ein Ziel für Therapien werden, da es sich gezielt auf den gefährlichsten Krebszellen nachweisen lässt.
Eine weitere Strategie wäre laut Forschern, die T-Zellen gezielt zu stärken oder die hemmenden Moleküle CD155 und CD276 zu blockieren. “Wenn es gelingt, die Aktivierung dieses Zellprogramms zu verhindern, könnten wir die Metastasenbildung schon im Ansatz stoppen”, so Studienautor Christoph Klein.
Noch steht die Forschung dazu am Anfang, doch die neuen Erkenntnisse machen Hoffnung: Vielleicht lassen sich aggressive Metastasen eines Tages verhindern, bevor sie überhaupt entstehen.