Das Wachstum des Werbemarktes im Jahr 2024 liegt gleichauf mit der Inflation. Um 2,2 Prozent auf rund 49,87 Milliarden Euro ist das gesamte Volumen des Werbemarktes laut Zahlen des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) gestiegen, die der F.A.Z. vorab vorlagen. „Angesichts einer so langen Rezessionsphase ist das für die Branche insgesamt nicht schlecht, sondern ziemlich gut sogar“, sagt ZAW-Geschäftsführer Bernd Nauen der F.A.Z. im Gespräch.
Gut entwickelt haben sich auch die Netto-Werbeeinnahmen der Medien, mit einem Plus von 3,5 Prozent auf rund 26,78 Milliarden Euro. Über diesen Anstieg können sich allerdings nur wenige freuen. Denn er betrifft vornehmlich das fortwährende Wachstum – und den größeren Marktanteil – der Werbeeinnahmen im Internet. In Deutschland gehen seit dem vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der Einnahmen im Werbegeschäft auf das Internet zurück.
Weniger Platz für Wettbewerb
Und hier sind es die großen Technologieunternehmen, die den Kuchen unter sich aufteilen. Für das Jahr 2025 erwartet der ZAW, dass die Erlöse im digitalen Raum zu 72 Prozent an Google , Amazon , Meta und Tiktok gehen. „Der Korridor zu wachsen wird für alle anderen Wettbewerber immer kleiner“, sagt Nauen. Selbst wenn mit Tiktok ein frischer Teilnehmer am Markt den etablierten Großunternehmen einen Teil der Einnahmen streitig macht, so sieht Nauen doch zunehmend eine Medienlandschaft und ein Ökosystem, in dem wenige Anbieter die Regeln bestimmen können. So sei das Aufkommen von Tiktok als weiterer großer Wettbewerber „keine beruhigende Nachricht und ändert auch nichts an den gestörten Wettbewerbsverhältnissen für alle anderen“.
Das Nachsehen haben alle Medien, die es nicht vermögen, ihr Geschäft hinreichend in den digitalen Raum hinüberzuretten – und dort im Wettbewerb zu bestehen. Die Einnahmen von Werbung in den digitalen Kanälen gedruckter Medien, zum Beispiel deren Internetseiten, sind im vergangenen Jahr um acht Prozent auf rund 2,15 Milliarden Euro gesunken, die Einnahmen gedruckter Tageszeitungen sogar um rund 15 Prozent auf 1,33 Milliarden Euro. Das einzige Plus unter gedruckten Medien verzeichneten Wochen- und Sonntagszeitungen, die um 9,5 Prozent auf rund 104 Millionen Euro gestiegen sind.
Weiteres Wachstum hängt stärker an der Gesamtwirtschaft
Zweistellige Wachstumsraten finden sich in den digitalen Spielarten von Video- und Audioinhalten. Werbung im Fernseh-Streaming gewann 13,6 Prozent auf 1,63 Milliarden Euro, Werbung in Audio-Streams 11,9 Prozent auf 120 Millionen Euro. In beiden Medienarten dominieren zwar noch die linearen Kanäle mit 3,58 Milliarden Euro im Fernsehen und 707 Millionen Euro im Radio. Allerdings verzeichnet der ZAW hier einen leichten Rückgang beziehungsweise nur geringes Wachstum.
Bernd Nauen ist nicht zuversichtlich, dass die Werbewirtschaft auch in diesem Jahr wieder wächst. Die Schwäche des Wirtschaftswachstums sei vornehmlich in der schwachen Exportwirtschaft begründet. In der Werbewirtschaft falle diese nicht so stark ins Gewicht: „Wenn sich die Gesamtwirtschaft und das Wachstum aber nicht entwickeln, kann sich die Werbewirtschaft nicht dauerhaft abkoppeln.“
Positiv sieht Nauen, dass im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus Union und SPD keine neuerlichen Werbeverbote gefordert werden. Die Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte sich noch zum Ziel gesetzt, Werbung für „ungesunde“ Lebensmittel stärker zu regulieren. Das Vorhaben wurde nicht in die Tat umgesetzt.
„Keine Leistung ohne Gegenleistung“
Handlungsbedarf sieht er für die Regierung auf Ebene der Europäischen Union. Denn dort stehen nach wie vor Werbeverbote, eine weitere Regulierung, Einschränkungen für die Datenverarbeitung durch die Werbewirtschaft und dafür zu wenig Tempo in Kartellverfahren auf dem Plan. Gerade Datenschutzaktivisten, die datengetriebene Geschäftsmodelle der Werbung im Internet angreifen, fänden an manchen Stellen in der EU sehr viel Gehör.
Datenschützern geht es darum, die Nachverfolgung von Nutzern durch das Sammeln von Daten zu ihren Aktivitäten einzuschränken. In weiten Teilen des Internets ist dies allerdings der Handel, den die Nutzer eingehen: Daten können zu Werbezwecken verarbeitet werden, dafür werden Inhalte kostenlos bereitgestellt. Fragen nach Privatsphäre seien gerechtfertigt, aber in einer Marktwirtschaft könne es „keine Leistung ohne Gegenleistung geben“, sagt Nauen.
Stärkt Regulierung das Oligopol?
Eine Baustelle für die EU ist Nauen zufolge die Regelsetzungsmacht der Digitalkonzerne, die ihre eigenen Werbe-Ökosysteme kontrollieren. Datenschutz sei für sie oft ein Vorwand, um andere Marktteilnehmer zu benachteiligen. Google sei mit dem Versuch auch aufgrund kartellrechtlicher Bedenken gescheitert, Drittanbieter-Cookies, die für die zielgenaue Platzierung von Onlinewerbung relevant sind, in seinem Browser Chrome abzuschaffen.
Dagegen schließt Apple durch eine Abfrage, ob Nutzer in dessen App Store nachverfolgt werden wollen, einen Großteil von Vermarktern aus seinem Ökosystem aus. 58 Prozent der Downloads durch Anzeigen im App Store werden durch Anzeigen von Apple generiert. Laut Marktforschungsunternehmen Emarketer lag dieser Anteil zuvor noch auf 17 Prozent. „Der Treppenwitz wäre nun, wenn so eine Abfrage oder vergleichbare Lenkungsmechanismen europäisch verordnet oder für akzeptabel erklärt würden“, sagt Nauen. Die Plattformen, die sich auf ihren eigenen Datenschatz stützen können, hätten hierdurch einen nur noch größeren Vorteil.