Obwohl in dieser Woche zum ersten Mal seit Anfang März wieder Hilfsgüter den Gazastreifen erreicht haben, ist die humanitäre Lage dort laut Angaben von Hilfsorganisationen weiter kritisch. Der Mangel an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Treibstoff und Unterkünften sei akut, schrieb die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auch die massenhafte Vertreibung von Menschen verschärfe sich. Allein im Laufe der vergangenen sieben Tage mussten laut Angaben der WHO vier der größten Krankenhäuser ihre Arbeit einstellen. Der Grund waren demnach Angriffe, Kämpfe in der Nähe oder Evakuierungsanordnungen der israelischen Armee. Mindestens 94 Prozent aller Krankenhäuser seien zerstört oder beschädigt, hieß es in der Mitteilung vom Donnerstag. Das Gesundheitssystem stehe „vor dem Zusammenbruch“; zumal angesichts der neuen israelischen Offensive und neuer Evakuierungsanordnungen.
In palästinensischen Berichten hieß es, israelische Truppen und Panzer hätten am Donnerstagmorgen ein weiteres Mal das Al-Awda-Krankenhaus in Dschabaliya nördlich von Gaza-Stadt attackiert. Sie hätten Wasser- und Treibstofftanks beschädigt, Mitarbeiter seien verwundet worden. Im medizinischen Warenlager brach demnach ein Feuer aus, das auch am Freitagvormittag noch wütete. Die Krankenhausverwaltung rief in einer Erklärung dringend um Hilfe. Die israelische Armee teilte mit, sie habe neben dem Krankenhaus gekämpft; der Vorfall werde untersucht.
Die israelische Armee führte weitere Angriffe durch, sowohl aus der Luft als auch auf dem Boden. Dabei seien auch Zelte und Unterkünfte für Vertriebene attackiert worden, sagte Stéphane Dujarric, der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, am Donnerstag. Es habe zahlreiche Tote gegeben. In Deir al-Balah wurden laut palästinensischen Berichten sechs Angehörige eines Sicherheitsdienstes getötet, die einen Hilfskonvoi schützen sollten. Sie verteidigten den Transport demnach erfolgreich gegen bewaffnete Plünderer, wurden daraufhin aber von israelischen Kampfflugzeugen attackiert und getötet. Die Armee gab am Freitagvormittag an, sie habe in den vergangenen 24 Stunden mehr als 75 „Terrorziele“ angegriffen.
Unterdessen passierten am Donnerstag laut israelischen Angaben weitere 107 Lastwagen den Kerem-Schalom-Übergang. Sie enthielten demnach Mehl, Lebensmittel, Arzneimittel und medizinische Geräte. Hilfsorganisationen kritisieren die Menge der seit Montag genehmigten Hilfsgüter als unzureichend. Auch ein Sprecher der Bundesregierung sagte mit Blick auf die Lieferungen, die nach einer mehr als 80-tägigen Blockade wiederaufgenommen wurden: „Das ist viel zu wenig, viel zu spät und viel zu langsam.“ Der Sprecher forderte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, man müsse die Hilfe deutlich aufstocken und sicherstellen, „dass diese Hilfsgüter die Menschen erreichen, damit das Leiden im Gazastreifen ein Ende hat“.