Die Drohung von US-Präsident Donald Trump mit einem Pauschalzoll von 50 Prozent auf die EU-Einfuhr hat die Europäische Kommission kalt erwischt – hatte sich in Brüssel doch gerade der Eindruck verbreitet, dass sich Trump nach seinen jüngsten „Deals“ mit Großbritannien und China endlich der EU zuwende.
In den vergangenen Tagen hatten die Europäische Kommission und die US-Regierung erstmals seit Beginn der Mitte April von Trump ausgerufenen Zollpause Papiere ausgetauscht, um ihre Verhandlungsposition abzustecken. Auch dass Trump Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuletzt in sein Debriefing für Kanzler Friedrich Merz und ander Staats- und Regierungschefs über sein Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einbezog, wurde als Zeichen gewertet, dass er die EU endlich erst nimmt.
Eigentlich sollte dieser Freitag deshalb der Aufakt für ernsthafte Verhandlungen im Zollkonflikt werden. Handelskommissar Maroš Šefčovič hatte sich für 17.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer zu einem Telefonat verabredet. Da sollte – wenn eben möglich – der Startschuss für direkte Gespräche fallen, um den Konflikt klar vor dem Ende der 90-Tage-Zollpause Mitte Juli beizulegen.
Zusammenarbeit im Umgang mit China
Diese Hoffnung dürfte Trump mit dem Zünden der neuen Eskalationsstufe erst einmal zunichte gemacht haben. Die EU muss sich nun in Ruhe überlegen, wie sie reagiert. Denn so ärgerlich die neue Drohung auch ist: Sie ist kein Grund zur Panik.
Trump folgt dem inzwischen nur allzu gut bekannten Muster, mit der Androhung hoher Zollsätze Druck aufzubauen. Der auf seinem Kanal Truth Social angekündigte Zollsatz ist zunächst einmal auch nur eine „Empfehlung“, wie in Brüssel aufmerksam vermerkt wurde. Auf die Trump eigene verquere Art lässt sie sich deshalb auch als Bestätigung dafür lesen, dass sich Trump nun der EU zuwendet. Die Drohung ist sozusagen sein Eröffnungsangebot für die nächste Runde des Handelskonflikts.
Was bedeutet das für die EU? Die Kommission hat bisher vor allem auf Deeskalation gesetzt. Sie hat nach der Ankündigung der Zollpause alle Gegenmaßnahmen ausgesetzt. Das war ein weitgehendes Zugeständnis. Schließlich gilt die Zollpause von Trump nur für die am 2. April von ihm verhängten Sonderzölle gegen die EU. Den neuen „Basiszollsatz“ von 10 Prozent für die Einfuhr fast aller Waren streichen die Amerikaner weiter ein. Das gleiche gilt für die Zölle von 25 Prozent auf Autos, Stahl und Aluminium.
Arbeit an den Gegenmaßnahmen vorantreiben
Des Weiteren hat die Kommission in den zuletzt nach Washington übermittelten Verhandlungspapieren konkrete Angebote gemacht. Sie hat skizziert, wie das Handelsdefizit der USA mit der EU gesenkt werden kann, durch den Kauf von Soja, Militärgütern oder LNG. Sie hat ihr Angebot wiederholt, die gegenseitigen Zölle schrittweise auf null zu senken.
Sie hat Zusammenarbeit im Umgang mit China angeboten. Sie hat sogar Bereitschaft gezeigt, über Regulierungsfragen zu reden. Und all das, obwohl die Trump-Regierung nur mit einem Standardkatalog an Forderungen reagiert hat, den sie ihren anderen Handels-„Partnern“ genauso auch vorgelegt hat.
Die EU war eben nicht, wie ihr Trump jetzt in seinem Truth-Social-Post vorwirft, „sehr schwierig“. Wenn er jetzt wütet, „unsere Gespräche mit ihnen führen zu nichts“, liegt das nicht an Brüssel, wie in der Kommission nach Trumps Ankündigung bekräftigt wurde. Wenn jemand „sehr schwierig“ war, waren das Trump und seine Unterhändler.
Letztlich ist die Frage irrelevant. Relevant ist, ob die EU mit ihrem bisherigen Kurs weiterkommt. Nach dem nach wie vor geplanten Telefonat von Šefčovič und Greer könnte der der Zeitpunkt gekommen sein, um auf Trumps Eröffnungsangebot mit einem klaren Gegenangebot zu reagieren und selbst Härte zu zeigen. Ein erster Schritt wäre, die Arbeit an den Gegenmaßnahmen wieder aufzunehmen und voranzutreiben.
Die Hand für Verhandlungen kann dennoch ausgestreckt bleiben. Niemand kann Interesse an einer Eskalation haben, wie sie der Konflikt zwischen USA und China zwischenzeitlich erreicht hat. Andererseits hat genau der eben auch gezeigt, dass Gegendruck am Ende nicht ohne Folgen auf Trump bleibt. Vielleicht muss die EU für eine Deal mit Trump zumindest etwas mehr Eskalation wagen.