Im niederländischen Bierpreisstreit hat Heineken vor Gericht im Wesentlichen verloren. Der Brauereikonzern hat keinen Anspruch darauf, dass die Supermarktkette Jumbo ihm sofort wieder alle seine Biersorten abnimmt. Das urteilte ein Gericht im südniederländischen ’s-Hertogenbosch (Den Bosch). Allerdings befand es auch, dass Jumbo angesichts jahrzehntelanger Handelsbeziehung die Geschäftsbedingungen mit mehr Vorlaufzeit hätte kündigen müssen. So könne Schadenersatz angemessen sein.
Beide Parteien sind Größen ihrer jeweiligen Branche: Heineken als zweitgrößter Brauereikonzern der Welt, Jumbo als zweitgrößter Filialist der Niederlande hinter der Ladenkette Albert Heijn , die zum Weltkonzern Ahold Delhaize gehört. Lebensmittelkonzerne und Einzelhändler ringen angesichts gestiegener Inflation verschärft um die Einkaufspreise. Im Extremfall listen Supermärkte Produkte zeitweilig aus – Kunden sehen das an den Lücken im Regal. Selten aber kommt es vor, dass sich beide Seiten vor Gericht sehen – so wie jetzt in Den Bosch. Heineken machte geltend, Jumbo nehme nur noch einen kleinen Teil der bisherigen Mengen ab, und sprach von einem „Boykott“, der mehrere Getränkesorten betreffe. Jumbo hielt dagegen, die Kette kaufe lediglich weniger ein – wegen „bizarr“ hoher Preise, die Heineken seit Jahresbeginn auf diese Produkte fordere.
Einkaufsverbünde stärken die Macht
Im Kern des Streit geht es darum, dass Jumbo seit 2023 der internationalen Einkaufsgemeinschaft Everest gehört – ihr sind in den Niederlanden auch der Online-Händler Picnic angeschlossen, in Deutschland der Edeka-Verbund und in Frankreich die Einkaufsgemeinschaft Aura mit Supermärkten wie Intermarché. Edeka ist insofern indirekt zweifach in den Rechtsstreit involviert: wegen seiner Mitgliedschaft in Everest und weil die Deutschen einen Anteil an Picnic halten. Das Unternehmen lehnte es auf F.A.Z.-Anfrage ab, sich zu der Auseinandersetzung zu äußern.
Der aktuelle Konflikt dreht sich nach Heinekens Darstellung nicht um Preise in den Niederlanden, sondern in Wirklichkeit um einen Streit, den man mit Aura in Frankreich austrage. Everest habe in der Folge andere Mitglieder aufgerufen, weniger bei Heineken einzukaufen – daher Heinekens Vorwurf des Boykotts.
„Jumbo kann nicht dazu verpflichtet werden, sofort wieder alles alle Biere bei Heineken einzukaufen“, urteilte das Gericht nun. Es stellte andererseits die sechzig Jahre währende Geschäftsbeziehung heraus und wertete sie als Dauervereinbarung. Beide Parteien unterhielten dazu keine schriftlichen Verträge, verhandelten aber jeweils für die kommenden ein oder zwei Jahre über die finanziellen und logistischen Bedingungen – und das dann auch schriftlich. Zuletzt war das eine Vereinbarung bis zum Jahr 2023, also jenem Jahr, indem sich Jumbo dem Everest-Verbund anschloss.
Schadenersatz für Heineken möglich
Zum Jahresbeginn 2024 beendete Jumbo die Absprache, während Heineken die Geschäftsbeziehung als unverändert fortbestehend ansieht. Angesichts einer Jahrzehnte laufenden Vereinbarung habe Jumbo kurzfristig kündigt, so das Urteil. „Das ist nicht angemessen. Es hätte eine passende Kündigungsfrist geben müssen, um Heineken die Gelegenheit zu geben, die Handelsbeziehung vorzubereiten.“ Wegen der gegenseitigen Abhängigkeit und der Langfristbeziehung „kann auch ein Schadenersatzangebot angebracht sein.“
Der Rundfunksender NOS listet „Preiskriege zwischen Supermärkten und A-Marken 2020 bis 2025“ in den Niederlanden auf: Marktführer Albert Heijn kämpfte demnach zwei aus – mit dem Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé und dem heimischen Kaffeehersteller JDE, der vor allem für die Traditionsmarke Douwe Egberts steht. Der aufstrebende Online-Händler Picnic stritt sich mit JDE und dem Chips-Hersteller Lay’s, der Filialistenverbund Superunie mit Ferrero um den Brotaufstrich Nutella. Die meisten Auseinandersetzungen hatte der Statistik zufolge in dem Betrachtungszeitrau Jumbo: mit Heineken, JDE, Red Bull, Kraft Heinz, Mondelez, Danone, Dr. Oetker, Coca-Cola, Haribo und Kelloggs.
Welche Biere noch im Regal stehen
Heineken und Jumbo betonten in Stellungnahmen auf F.A.Z.-Anfrage jeweils den für sie positiven Teil des Rechtsspruchs. Jumbo signalisierte gleichzeitig Bereitschaft, zu allen Heineken-Getränken zurückzukehren, allerdings nicht bedingungslos. Die Kette wolle „gerne wieder das vollständige Biersortiment von Heineken für einen bezahlen Preise anbieten“, teilte sie mit. „Für die Produkte, die wir zeitweise nicht verkaufen, bieten wir Kunden eine Alternative an, von der wir ausreichend Vorrat haben.“ Eine Reihe Getränke sind ohnehin regulär weiter verfügbar: etwa die Stammmarke Heineken im Kasten, alkoholfreies Heineken 0.0, Amstel, Brand – und auch Texels mit der Marke Skuumkoppe.