Warum Menschen neue Vorschriften erst mal ablehnen

3

Stand: 24.05.2025 16:26 Uhr

Ob Rauchverbot oder Tempolimit – die meisten Menschen lehnen neue Vorschriften erst einmal ab. Jetzt bestätigt eine Studie: Sind die Gesetze erst einmal da, erkennen viele die Vorteile und ändern ihre Haltung.

Von Anna Dannecker und Constanze Álvarez, BR

Verbote sind für manche Menschen anfangs schwer nachvollziehbar. Ein Beispiel: die bundesweite Einführung des Rauchverbots in den Nullerjahren. Anfangs waren viele darüber entsetzt – vor allem, als es ums Rauchen in Clubs, Kneipen und Restaurants ging. Doch im Laufe der Jahre hat sich die Aufregung gelegt. Mittlerweile ist es kaum noch vorstellbar, dass Rauchen früher in der Kneipe, im Büro oder im Flieger erlaubt war.

Neue Gesetze: Aus Ablehnung kann Akzeptanz werden

Suchtforscher sprechen von ersten positiven Effekten: “Das Grandiose ist, wir haben viel weniger Raucher, an den Gymnasien nur noch neun Prozent, an den Hauptschulen etwas mehr – aber Rauchen ist gerade für die Jugendlichen unattraktiv geworden, und das ist vor allem durch den Nichtraucherschutz passiert”, sagt Tobias Rüter von der Tabak-Ambulanz des LMU Klinikums München.

Erst Ablehnung, dann doch Akzeptanz der Regeln – dieses Phänomen ist häufig zu beobachten, das zeigt eine neue Studie der TU München. Der Psychologe Armin Granulo hat darin europaweit Umfragedaten zu Gesetzen wie Rauchverboten, Anschnallpflicht oder Tempolimits analysiert.

Er hat Experimente gemacht, die einen psychologischen Effekt belegen: Häufig lehnen Menschen neue Regeln ab, und zwar vor allem, bis sie in Kraft treten. Bis dahin würden wir uns hauptsächlich auf den Veränderungsprozess fokussieren, erklärt Granulo. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich vornehmlich auf das, was wir verlieren: “Also Freiheit, Wahlmöglichkeiten vielleicht, oder auch einfach Komfort”, erklärt Granulo.

Bringen neue Gesetze Vorteile, ändert sich der Fokus

Psychologen nennen diese anfängliche Ablehnung “Reaktanz”. Interessanterweise ändert sich diese Haltung häufig, nachdem das Gesetz eingeführt wurde. Denn dann wandert der Aufmerksamkeitsfokus weg von der individuellen Einschränkung hin zu den Vorteilen, die ein neues Gesetz für das Allgemeinwohl hat. Wir sehen dann beispielsweise die gesundheitlichen Vorteile des Rauchverbots – wie viel das Gesundheitssystem spart oder wie viele Personen länger leben.

Ergebnis der Studie

Auf keinen Fall sei das Ergebnis der Studie als Freibrief für eine “Kopf-durch-die-Wand”-Politik zu verstehen, sagt Psychologe Granulo. “Das ist uns immer sehr wichtig zu betonen: Politik, in der man alles über Regeln und Gesetze ändern will, das meinen wir nicht, das wird auch nicht funktionieren.”

Was jedoch seiner Meinung nach funktionieren könnte: Wenn die Politik neue Gesetze einführen will, dann sollte schon zu Beginn mehr über deren gesellschaftlichen Nutzen gesprochen werden, zum Beispiel über die gesundheitlichen Vorteile des Rauchverbots. Oder über die Sicherheitsvorteile des Anschnallgebots oder des Tempolimits. Wer die Vorteile einer neuen Regelung klar vor Augen hat, ist möglicherweise auch eher gewillt, die Veränderungen mitzutragen.