„Ein Viertel der Studenten weg? Das wäre zu krass“

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Der Machtkampf zwischen Donald Trump und der Harvard-Universität ist eskaliert: Die amerikanische Regierung will ihr verbieten, weiter internationale Studierende aufzunehmen. Die Universität wehrt sich und hat zumindest einen ersten juristischen Erfolg erzielt – eine Richterin stoppte des Vorhaben erst einmal. Doch zu Ende ist der Streit damit nicht.

Wenn sich die Trump-Regierung durchsetzt, dann wäre er unmittelbar betroffen: Jakob Timmermann, in der Schweiz geboren, in Essen zur Schule gegangen, mitten in der Prüfungsphase. Der 22 Jahre alte Student beendet gerade seinen Bachelor in Philosophie, Politik und Wirtschaft an der britischen Eliteuniversität Oxford. Für seinen Master in Harvard hat er nicht nur eine Zusage, sondern auch ein Vollstipendium vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) bekommen. Trotz der wiederholten Drohungen und Maßnahmen durch die Trump-Regierung ist er optimistisch.

Herr Timmermann, wie blicken Sie auf die aktuelle Situation?

Ich schreibe aktuell meine Abschlussklausuren. Am Montag ist meine nächste Prüfung, von daher kann ich den ganzen Stress mit Harvard gerade echt nicht gebrauchen. In den letzten Monaten hat man schon einiges gehört. Aber bisher waren es immer nur Drohungen von der Administration. Im Grunde habe ich nie geglaubt, dass es wirklich so weit kommt.

Wie haben Sie erfahren, dass Harvard von dem Internationalen Austauschprogramm SEVP ausgeschlossen werden soll?

Am Donnerstag, durch die Medien. Am Freitagabend kam auch eine E-Mail vom International Office in Harvard. Darin steht unter anderem, dass die Universität die große Verunsicherung verstünde. Wegen der einstweiligen Verfügung seien die Visa F-1 und J-1 aktuell aber nicht außer Kraft gesetzt. Ich finde es gut, dass Harvard erst einmal überlegt hat, wie die Sachlage ist, und dann, nach knapp 24 Stunden, eine informierte Antwort gegeben hat.

Hofft weiter auf Harvard: Jakob Timmermann
Hofft weiter auf Harvard: Jakob TimmermannTimmermann

Haben Sie Ihr Visum schon?

Mein F-1-Visum habe ich gerade erst von der amerikanischen Botschaft in London ausgestellt bekommen. Dafür ist ein Interview erforderlich, da hatte ich mir noch Sorgen gemacht. Aber in der Botschaft sehen die Beamten, wie man sich das Studium finanziert. Mein Ansprechpartner meinte nur „Oh, Harvard mit Stipendium! Glückwunsch!“ und hat das Visum bestätigt. Dank meines Vollstipendiums vom DAAD muss ich keine Studiengebühren zahlen und auch nicht für die Unterkunft in Harvard oder Flüge dorthin zahlen.

Waren Sie erleichtert, als Sie von der einstweiligen Verfügung hörten, die den Ausschluss Harvards vorerst unterbindet?

Das hatte ich fast erwartet. Es ist typisch für die USA: Die Regierung macht etwas, dann wird geklagt, dann gibt es eine Verfügung, dann wird vor Gericht verloren, und dann wird etwas anderes gemacht. Ich mache mir eher Sorgen, dass jetzt, selbst wenn die Klage Erfolg hat und Harvard recht bekommt, in ein paar Wochen die nächste und dann die übernächste Überraschung kommt. Mein Gefühl ist, dass der einzige Weg für Harvard darin liegt, sich auf einen Handel einzulassen – so wie es die Universität Columbia in New York gemacht hat.

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Welches Handeln erhoffen Sie sich von Harvard?

Ich glaube, dass es die langfristig beste Option ist, einen Kompromiss zu finden. Dann kann man als internationaler Student am besten schlafen. Im Grunde ist es das, was beide Parteien am Ende wollen oder worauf sie abzielen. Die Antisemitismus-Vorwürfe beispielsweise sind in Harvard auch nicht ganz unumstritten. Von daher kann ich mir schon vorstellen, dass man irgendeinen Kompromiss finden kann. Und ich glaube auch, dass das passieren wird.

Und falls es nicht zu einem Kompromiss kommt: Haben Sie einen Plan B?

Ehrlich gesagt nein. Ich bin ein Optimist. Als die Neuigkeiten kamen, hat mich sofort ein deutscher Freund angerufen und gefragt, was ich nun mache. Meine Eltern schreiben mir, dass ich nicht traurig sein soll, wenn es nichts wird mit Harvard. Aber ich gehe davon aus, dass ich im September in Boston studieren werde. Ein Viertel der Studenten weg? Das wäre zu krass. Die Universität würde das nicht verkraften. Also wird und muss sie etwas dagegen tun: sich auf einen Handel einlassen oder Rechtsmittel einlegen. Letzteres hat sie nun schon gemacht.

Haben Sie Kontakt zu Leuten vor Ort oder Studenten, die mit Ihnen nach Harvard gehen möchten?

Ja, schon. Ein Freund von mir ist internationaler Student aus Harvard, er macht gerade sein Auslandsjahr in Oxford. Der muss noch zurück nach Harvard, um überhaupt seinen Abschluss zu bekommen. Daher macht er sich mehr Sorgen als ich. Vielleicht bin ich einfach zu optimistisch. Bei vielen kann ich nicht richtig einschätzen, wie besorgt sie sind.

Die aktuellen Entwicklungen schrecken Sie aber nicht so ab, dass Sie überhaupt nicht mehr in den USA studieren möchten?

Gute Frage. Ich war noch nie in den USA und würde das aber sehr gerne. Ich tue mich immer schwer damit, alle Amerikaner in einen Topf zu werfen. Es gibt solche und solche. Am Ende müssen die Amerikaner selbst wissen, wen sie wählen und was sie für richtig halten. Außerdem ist man in einer Blase an so einer Universität. In dem Fachgebiet, das mich interessiert, einer Nische von politischer Philosophie, ist Harvard einfach spitze. Es gibt vielleicht eine Handvoll Universitäten weltweit, die da mithalten können. Dadurch, dass Harvard finanziell so gut ausgestattet ist, hat man einen unmittelbaren Zugang zu Professoren, die Weltklasse sind. Außerdem weiß ich als internationaler Student – immerhin habe ich gerade drei Jahre in England studiert –, wie viel ein internationales Ambiente einer Universität gibt. Eine Diversität durch Leute aus der ganzen Welt, das ist wertvoll. Deswegen sagen das auch die amerikanischen Universitäten und kämpfen so dafür. Ich hoffe nach wie vor sehr, dass ich nach Harvard gehen kann.