Pandemieforschung im Dschungel von Mexiko

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Stand: 25.05.2025 15:01 Uhr

Die nächste Pandemie wird kommen, da sind sich viele sicher. Aber welche Erreger haben das Potenzial einer Übertragung vom Tier auf den Menschen? Dieser Frage geht ein Forschungsteam im Dschungel von Yucatán nach.

Anne Demmer

Seit Tagen ist Hugo Mendoza mit seinen Kollegen im Dschungel von Yucatán unterwegs, ein Bundesstaat im Südosten Mexikos. Sie sind Teil eines Projekts, das vom DAAD gefördert wurde und an dem auch die Berliner Charité maßgeblich beteiligt ist. Die Sonne brennt schon morgens auf sie herab, 38 Grad im Schatten misst das Thermometer.

Von einem Hochstand aus im Reservat Kaxil Kiuic lässt der mexikanische Wissenschaftler seinen Blick in die Ferne schweifen. Der intakte Dschungel beherbergt eine enorme Artenvielfalt. Zahlreiche Wildtierarten, wie Pumas und auch Jaguare, könnten hinter jedem Baum lauern. Doch solche Begegnungen seien eher selten, denn der Jaguar ist vom Aussterben bedroht.

Der Urwald in Yucatán ähnele Regionen in Mittelamerika – zentralamerikanische Länder, die ebenfalls an der Studie teilnehmen, um eine Vergleichsgrundlage zu haben, so Mendoza. Es sei ein sehr gut erhaltenes Stück Urwald, drum herum gebe es aber auch weniger gut erhaltene Waldstücke.

Viele Pandemien – darunter auch Covid-19 – haben ihren Ursprung in sogenannten Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen überspringen. In unberührten Ökosystemen lässt sich die Präsenz bestimmter Viren besonders gut nachweisen. “Viren sind ganz normal, sie waren immer im Umlauf. Aber was passiert nun, wenn es eine Störung des Lebensraumes gibt? Wenn es viel Kontakt zu Menschen gibt? Dann denkt das Virus sich: ‘Ah, ich habe die Möglichkeit, diese Spezie zu infizieren.’ Es entwickelt sich also ein neuer Organismus, der Menschen oder auch beispielsweise Hunde befallen kann“, erklärt Mendoza.

Hugo Mendoza und Kollege im Dschungel von Yucatán: “Viren sind ganz normal, sie waren immer im Umlauf.”

Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt

Welche von diesen Erregern haben aber das Potenzial einer Übertragung vom Tier auf den Menschen und welche von ihnen bergen das Risiko einer Pandemie? Welche werden von Vögeln oder Fledermäusen übertragen, wie beim Coronavirus vermutet? Das sind die großen Fragen, denen die Wissenschaftler auf den Grund gehen wollen.

Dabei dient der sogenannte One-Health-Ansatz als Grundlage – ein ganzheitliches Konzept, das die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt miteinander verknüpft betrachtet und darauf abzielt, diese Bereiche gemeinsam zu schützen und zu fördern. Ziel ist es, gesundheitliche Risiken wie Infektionskrankheiten, Antibiotikaresistenzen oder Umweltbelastungen frühzeitig zu erkennen, zu minimieren und die weltweite Gesundheit zu verbessern.

Für ihre Forschung stellen die Wissenschaftler Lebendfallen für Nagetiere auf, um mit Hilfe verschiedener Probeentnahmen das Vorkommen von Viren und Bakterien zu identifizieren. An den selben Orten werden auch Bodenproben entnommen, um die verschiedenen Mikroorganismen, die in diesem Lebensraum existieren, zu analysieren.

Zerstörung der Natur birgt neue Risiken für Krankheiten

Gründe für die Zunahme von Übertragungen auf den Menschen sind unter anderem das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung, die Ausbeutung der Tierwelt, die Entwaldung und insbesondere durch den Klimawandel verursachte Wirbelstürme, Dürren und Überschwemmungen.

Auch wenn der Dschungel hier als intakt gilt, nehmen menschliche Aktivitäten wie Abholzung, Landwirtschaft oder illegale Wildtierjagd zu. Diese Eingriffe in die Natur erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit neuen Krankheitserregern in Kontakt kommen. Die Forschung in solchen Gebieten hilft zu verstehen, wie Umweltveränderungen das Risiko von Pandemien beeinflussen.

Hugo Mendoza ist empört, dass die Politik dem bislang so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Er erinnert sich noch genau an den Beginn der Corona-Pandemie: “An all diese Maßnahmen und Entscheidungen, die Hals über Kopf getroffen wurden, obwohl wir schon seit 20 Jahren sagten: Es gibt das Coronavirus, es wird kommen – und peng, dann passiert es und es heißt: ‘Oh, das hat uns völlig überrumpelt.’ Was soll das heißen? Es hat uns unvorbereitet erwischt? Wir forschen seit 20 Jahren dazu.”

Bewegung auf internationaler Ebene: Neuer WHO-Vertrag geschlossen

Doch gerade scheint sich auf internationaler Ebene etwas zu bewegen. Die Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation WHO haben eine Pandemie-Vertrag geschlossen.

Um Zustände wie während der Corona-Pandemie zu vermeiden, sieht der Vertrag, der noch ratifiziert werden muss, verschiedene Punkte zur Prävention vor. So verpflichten sich die 194 Mitgliedsstaaten der WHO, ihre Gesundheitssysteme und die Überwachung des Tierreichs so zu stärken, dass Krankheitsausbrüche schnell entdeckt und möglichst im Keim erstickt werden.

Das ist genau der Ansatz des deutsch-lateinamerikanischen Pandemie-Forschungsprojekts GLACIER, das bereits 2021 ins Leben gerufen wurde. Eine multilaterale Initiative zur Stärkung der Forschung, Ausbildung und Pandemiebekämpfung in Lateinamerika und der Karibik. Es setzt auf internationale Vernetzung, Wissenstransfer und die Entwicklung regionaler Kapazitäten, um zukünftigen Gesundheitskrisen besser begegnen zu können. Für Länder wie Kuba ist das besonders wichtig, da das Land durch die US-Blockade in der Impfstoffforschung stark eingeschränkt ist. Die Kooperation bringt Zugang zu internationalen Ressourcen und Know-how.

Doch wie bei vielen Wissenschaftsprojekten ist derzeit ihr Fortbestehen nicht gesichert. Ob die Mitgliedstaaten im Rahmen des WHO-Vertrages auch Mittel für Projekte wie GLACIER bereitstellen, ist unklar. Eins aber scheint klar: Die nächste Pandemie wird kommen.