Wodurch die „Termingarantie“ entstehen soll

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Terminvereinbarungen beim Arzt sind für viele gesetzlich Krankenversicherte nach wie vor mit Schwierigkeiten verbunden. Einige Praxen empfangen Kassenpatienten nur dann in zumutbarer Frist, wenn sie zusätzlich eine Leistung buchen, für die sie selbst zahlen. Auch hat mehr als ein Drittel der Kassenpatienten erlebt, dass Privatversicherte bei der Terminvergabe bevorzugt wurden. Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen sind mehr als zwei Drittel der gesetzlich Versicherten bereit, auf die freie Arztwahl zu verzichten, wenn ihnen im Gegenzug ein Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstation einen Facharzttermin vermitteln kann.

Das zeigt eine noch unveröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbands, die der F.A.Z. vorab vorlag. Die Untersuchung erscheint aus Anlass des 129. Deutschen Ärztetags, der am Dienstag in Leipzig beginnt.

Das Thema ist auch deshalb aktuell, weil der Koalitionsvertrag von Union und SPD die Einführung eines „verbindlichen Primärarztsystems“ vorsieht. Damit will die neue Regierung „Wartezeiten verringern, das Personal in ärztlichen Praxen entlasten und den Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten bedarfsgerecht und strukturierter gestalten“.

Wodurch die „Termingarantie“ entstehen soll

Geplant ist, dass jeder Patient zunächst einen Haus- oder Kinderarzt aufsuchen oder eine telefonische Ersteinschätzung unter der von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) betriebenen Rufnummer 116117 einholen muss, bevor er einen Facharzt aufsuchen darf. Ausgenommen sind Augen- und Frauenärzte. Sonderregelungen soll es auch für schwere chronische Erkrankungen geben.

Ermitteln die Primärärzte einen Facharztbedarf, stellen sie entsprechende Überweisungen aus und legen fest, bis zu welchem Datum der Besuch bei den Kollegen erfolgen muss. Die KVen werden verpflichtet, diese Konsultationen zu vermitteln, dadurch entsteht eine „Termingarantie“.

In der Forsa-Umfrage gaben nur 29 Prozent der Befragten an, sie bestünden auf „der freien Wahl des Facharztes ohne vorherige Konsultation des Hausarztes, auch wenn es länger dauert, einen Termin zu bekommen“. 68 Prozent hingegen legen mehr Wert auf einen schnellen Facharzttermin, selbst wenn sie sich dafür zunächst bei einem Primärmediziner vorstellen müssen.

Lauterbachs Klinikreform „dringend nötig“

Ein genauso großer Anteil der Umfrageteilnehmer hält es für richtig, dass künftig die Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, etwa Pflegekräfte oder Medizinische Fachangestellte (Sprechstundenhilfen), mehr Aufgaben als bisher übernehmen dürfen, um Ärzte zu entlasten. Derlei Aufgabenübertragungen sehen zum Beispiel das Pflegekompetenzgesetz und die Krankenhausreform vor.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagte der F.A.Z., die Regierungsfraktionen wollten den Entwurf ihres Vorgängers Karl Lauterbach (SPD) zum Pflegekompetenzgesetzes noch vor der Sommerpause in den Bundestag einbringen. Auch die ebenfalls von Lauterbach initiierte Klinikreform sei „dringend nötig“. Zugleich biete das Primärarztsystem „die Chance, dass die Terminvergabe schneller und die Versorgung zielgenauer werden und sich Geld sparen lässt“.

In der Forsa-Umfrage stellte sich heraus, dass 56 Prozent der Kassenpatienten gegenüber Privatversicherten bei der Terminvergabe schon einmal benachteiligt wurden; 35 Prozent verneinten das. 17 Prozent hatten einen zeitnahen Termin nur deshalb bekommen, weil sie zusätzlich oder alternativ Selbstzahler- oder IGeL-Leistungen gebucht hatten, also individuelle Gesundheitsleistungen, die nicht im Katalog der gesetzlichen Kassen enthalten sind und daher privat bezahlt werden müssen.

Dass Privatpatienten bei Terminen bevorzugt oder die Vergabe bei einigen gesetzlich Versicherten an zusätzliche Privatleistungen gekoppelt würden, „verstößt ganz klar gegen alle Spielregeln und darf so nicht stattfinden“, sagte die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. „Mit der Reform der ambulanten Versorgung muss die neue Regierung auch die Probleme bei der Terminvergabe in den Griff bekommen.“