Fast zehn Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals ist am Landgericht Braunschweig ein Urteil gegen vier frühere Manager und Ingenieure des Volkswagen-Konzerns gefallen. Die 6. Strafkammer verhängte am Montag teils mehrjährige Gefängnisstrafen gegen die Angeklagten, gegen die zuvor mehr als vier Jahre lang verhandelt worden war.
Die höchste Strafe verhängte das Gericht gegen den früheren Leiter der Motorenentwicklung, Jens Hadler. Er soll wegen Betrugs vier Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Für den früheren Leiter der Hauptabteilung Antriebselektronik, Hanno J., beträgt das Strafmaß zwei Jahre und sieben Monate. Thorsten D., einst Leiter der Abteilung Arbeitsverfahren und Abgasnachbehandlung, bekommt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Auch die Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten gegen den höchstrangigen Angeklagten, den einstigen VW-Entwicklungsvorstand, Heinz-Jakob Neußer, wird zur Bewährung ausgesetzt.
Ob die Angeklagten in Revision gehen, war am Montagvormittag zunächst nicht bekannt. Sie hatten die Vorwürfe im Verfahren stets bestritten.
Viele falsche und unvollständige Zeugenaussagen
Der Vorsitzende Richter Christian Schütz sprach von einer „außerordentlich komplexen und umfangreichen Beweisaufnahme“, die das Gericht habe leisten müssen. Viele der befragten Zeugen seien selbst in die in Rede stehenden Manipulationen eingebunden gewesen, manche sähen sich strafrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt. Das habe dazu geführt, dass viele Aussagen unvollständig gewesen seien oder nicht der Wahrheit entsprochen hätten.
Dennoch herrsche nach 175 Verhandlungstagen ein klares Bild. In den betroffenen Fahrzeugen habe es zwei Betriebsmodi gegeben, einen für die Abgasmessung auf dem Rollenprüfstand und einen für die tatsächliche Nutzung auf der Straße. Den Behörden gegenüber seien nur die niedrigeren Daten aus dem Prüfmodus gezeigt, der tatsächliche Ausstoß sei aber verschwiegen worden. „Dass dies nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat, liegt offen auf der Hand“, sagte Schütz.
Früherer VW-Chef Winterkorn bekommt eigenen Gerichtsprozess
Der Prozess in Braunschweig hatte im Herbst 2021 unter den Bedingungen der Corona-Pandemie begonnen. Eigentlich sollte auch der wohl prominenteste Beschuldigte, der frühere VW-Chef Martin Winterkorn, mit auf der Anklagebank sitzen. Doch das Verfahren gegen ihn wurde wegen seiner gesundheitlichen Probleme abgetrennt.
Im vergangenen Jahr lief der Prozess gegen ihn dann an, wurde aber nach nur vier Verhandlungstagen schon wieder gestoppt, da der heute 78 Jahre alte Winterkorn sich im häuslichen Umfeld abermals verletzt haben soll. Ob – und, wenn ja, wann – das Gericht neue Termine ansetzt, ist öffentlich nicht bekannt.
Die juristische Aufarbeitung, die allein VW nach jüngsten Konzernangaben 33 Milliarden Euro kostete, ist auch nach dem Urteil nicht beendet. In Braunschweig sind neben dem ersten Prozess und dem Verfahren gegen Winterkorn noch vier weitere Strafverfahren aus dem Komplex gegen insgesamt 31 Angeklagte offen.
In München hatten sich der frühere Audi-Chef Rupert Stadler und weitere mitangeklagte Manager vor knapp zwei Jahren auf eine Absprache zur Verkürzung des Strafverfahrens eingelassen. Zwar kam es damit zu den ersten Strafurteilen im Abgasbetrug. Jedoch legten Stadler und weitere Angeklagte Revision gegen ihre Bewährungs- und Haftstrafen ein. Über deren Ausgang hat der zuständige Strafsenat am Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.