Paketmassen fliegen an deutscher Luftfracht vorbei

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Auf den „Schwarzalarm“ kommt Pierre Dominique Prümm, Vorstand des Frankfurter Flughafenkonzerns Fraport, zu sprechen, wenn es um Luftfracht in Deutschland geht. Zwar sieht er nicht schwarz für dieses Geschäft, aber der Frankfurter Flughafen hat 2024 – trotz eines Umschlags von knapp zwei Millionen Tonnen – den Titel als größter Frachtflughafen Europas an Istanbul verloren.

Der „Schwarzalarm“ soll einer von mehreren Gründen sein, warum das Geschäft mit dem Warentransport per Flugzeug in Deutschland kaum noch zulegt, obwohl Onlineeinkäufer immer mehr Artikel aus Asien bestellen. Der „Schwarzalarm“ tritt laut Prümm mitunter auf, wenn Fässer, die nicht geöffnet werden dürfen, vor der Verladung geprüft werden und der Kontrolleur auf dem Monitor nur eine schwarze Fläche angezeigt bekomme.

Die Folge: Sofern das Fass nicht von einem speziell zertifizierten Versender stamme, dürfe es nicht verladen werden. „Anderswo gibt es technische Alternativen“, sagt Prümm. Anderswo, das heißt: nicht in Deutschland, wo andere Verfahren bislang nicht zugelassen seien.

„Attraktivität Deutschland hat abgenommen“

„Das weltweite Wachstum der Luftfracht geht an Deutschland vorbei“, sagt auch Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des deutschen Luftfahrtverbands BDL. Der Flugverband BARIG, in dem nicht nur hiesige Airlines, sondern viele Deutschland ansteuernde Gesellschaften organisiert sind, bestätigt das. „Für die internationalen Airlines hat die Attraktivität Deutschlands als Frachtstandort zuletzt deutlich abgenommen“, sagt BARIG-Chef Michael Hoppe. Ausländische Airports profitierten, dort seien Kosten meist niedriger, die nationale Unterstützung für den Verkehrsträger Flugzeug sei größer.

Mit 4,8 Millionen Tonnen, die 2024 an deutschen Flughäfen ein- und ausgeladen wurden, wurde zwar die Menge des Vor-Corona-Jahres 2019 erreicht, bei den Passagierzahlen liegt man hinter früheren Werten zurück. Doch während in Deutschland die Luftfracht 2024 um 1,8 Prozent zulegte, gab es europaweit ein Plus um mehr als elf Prozent. Pro­gnosen des Weltflugverbands IATA und des Flugzeugherstellers Boeing deuten an, dass die zwei Geschwindigkeiten der Luftfracht in Deutschland und anderen Ländern über Jahre bleiben könnten.

Zu teuer und zu bürokratisch gerieten Kontrollen und Starts hierzulande, findet Lang. Daraus erwachse ein Standortnachteil. „Wir brauchen nicht nur produzierende Unternehmen mit guten Rahmenbedingungen, für eine starke deutsche Wirtschaft ist auch eine starke Luftfracht nötig“, sagt Lang. Gemessen am Umsatz sei ein Viertel des deutschen Außenhandels mit Nicht-EU-Staaten mit dem Transport per Flugzeug verknüpft. Die größten Anteile in der Luftfracht entfielen auf den Maschinenbau und die Pharmaindustrie.

Das besondere Wachstum im belgischen Lüttich

In Frankfurt gibt sich Fraport-Vorstand Prümm nicht damit zufrieden, dass zuletzt genauso viel mit Fracht zu tun war wie 2019. Der Istanbuler Flughafen hat seit 2019 um fast 40 Prozent zugelegt – und liegt nun erstmals knapp vorn. Auch andere Airports sehen sich unter Druck. Leipzig/Halle, wo der Logistikkonzern DHL sein Europadrehkreuz betreibt, ist der Flughafen im belgischen Lüttich mit knapp 1,2 Millionen Tonnen Jahresumschlag auf den Fersen.

Das soll mit Abgaben zu tun haben. Damit ein Boeing-777-Frachter in Frankfurt landen und starten dürfe, seien rund 1500 Euro Gebühren an die staatliche Deutsche Flugsicherung (DFS) zu zahlen, sagt Prümm. In Paris koste es Airlines rund 800 Euro, in Lüttich nichts, da der Flughafen von einer Strukturförderung profitiere.

„Der Flughafen liegt nicht in der wirtschaftlich stärksten Region Europas, zieht aber große Frachtmengen an. Das muss an den Rahmenbedingungen liegen“, sagt Prümm. In der Branche kursieren Schilderungen, dass über Plattformen wie Temu bestellte günstige Artikel aus China in Belgien landen und mit Lastwagen nach Deutschland gefahren werden. Ein Drittel der hiesigen Luftfrachtspediteure soll zuletzt angegeben haben, die Mehrzahl ihrer Landungen nicht mehr über deutsche Airports abzuwickeln.

Forderung nach schnelleren Kontrollen

„Der Luftfracht ist es egal, wie oft sie umgeschlagen wird und das Verkehrsmittel wechselt. Am Ende hängt der Transportweg von zwei Punkten ab: Zeit und Geld“, sagt Prümm. Deshalb müssten auch Prozesse zur Prüfung von Fracht beschleunigt und verbessert werden – nicht nur im Fall eines „Schwarzalarms“. Andere Länder fänden einen pragmatischeren Umgang mit dem EU-einheitlichen Zollkodex.

„In Deutschland kursiert noch das Bild, dass ein Zöllner Waren anschaut. Angesichts der großen Mengen müssen wir zu einer digitalen Bearbeitung kommen“, sagt Prümm. Ihm schwebt ein flächendeckendes System vor, in dem der Zoll Dokumente erhält und dann entscheidet, wann er sich mit Unterlagen begnügt und wann Stichproben oder Vollkontrollen erfolgen.

Auch Nachtflugverbote hemmten den Frachtverkehr. Dort, wo sie – wie in Frankfurt – gelten, will der BDL zwar nicht an ihnen rütteln. Doch der Verband warnt vor Einschränkungen etwa in Köln/Bonn oder Leipzig/Halle, wo bislang Frachtverkehr rund um die Uhr möglich ist.