Lagarde sieht Weltordnung in Grundfesten erschüttert

16

Donald Trumps Spiel mit dem Feuer, das permanente Drohen des amerikanischen Präsidenten mit hohen Zöllen gegen Freund wie Feind, treibt Politiker, Ökonomen und Notenbanker um. Am Montag hat sich die Präsidentin der Europäischen Zentralbank in einer Grundsatzrede mit Europas Rolle in einer zunehmend fragmentierten Welt beschäftigt – ohne Trump beim Namen zu nennen, aber eindeutig auf seine Politik bezogen.

Christine Lagarde blickte auf der Veranstaltung des Jacques Delors Centre an der Hertie School zunächst zurück. Offenheit und Multilateralismus seien in den letzten achtzig Jahren die Eckpfeiler einer florierenden Weltwirtschaft gewesen – gestützt durch die Vereinigten Staaten. Sie hätten sich für ein regelbasiertes internationales System und den Dollar als globale Reservewährung eingesetzt. Doch nun ist diese Weltordnung nach ihrer Einschätzung bis in ihre Grundfesten erschüttert. An die Stelle der multilateralen Zusammenarbeit seien Nullsummendenken und bilaterale Machtspiele getreten. Selbst über die Vormachtstellung des Dollars als Eckpfeiler des Systems herrsche Unsicherheit.

Lagarde über die Zäsur für die internationale Ordnung

Diese Zäsur birgt nach Lagardes Worten Risiken. Jedwede Veränderung der internationalen Ordnung, die zu weniger Welthandel oder zu einer Aufsplittung in Wirtschaftsblöcke führe, werde negative Folgen für Europas Wirtschaft haben. Doch sieht die EZB-Präsidentin auch Chancen. Die Zeit des Umbruchs könnte dem Euro die Möglichkeit eröffnen, eine größere Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen.

Lagarde spannte einen großen historischen Bogen, um das zu verdeutlichen. Vor hundert Jahren habe der amerikanische Dollar dem britschen Pfund Sterling den Rang als führende Reservewährung abgelaufen. 1931 sei sein Anteil an den weltweiten Devisenreserven auf 64 Prozent gestiegen. Doch 1933 habe Präsident Franklin Roosevelt die Goldkonvertibilität ausgesetzt, um die deflationären Kräfte der Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen. Und in den siebziger Jahren habe Präsident Richard Nixon die Umtauschpflicht von Dollar in Gold einseitig aufgegeben und einen Einfuhrzoll von zehn Prozent verhängt. Beide Male sei die Bedeutung des Dollars als globale Reservewährung geschwächt worden.

In den dreißiger Jahren sei der Anteil des Dollars an den weltweiten Devisenreserven von mehr als 60 Prozent auf rund 20 Prozent gefallen. In den siebziger Jahren habe sich sein Anteil in zwei Jahrzehnten von etwa 70 Prozent auf 50 Prozent verringert. In beiden Fällen habe es keine robuste Alternative zum Dollar gegeben. Die Anleger hätten daher Gold bevorzugt. Anders als früher gebe es nun den Euro als zweitwichtigste Währung der Welt. Aber Lagarde gab zu: Bisher hat er die Anleger noch nicht komplett überzeugt.

Damit sich das ändert, sind nach Ansicht der EZB-Präsidentin mehrere Dinge gefragt: Notwendig sei eine wichtige Rolle im Welthandel. Doch reiche Handelsoffenheit allein nicht, da sich Anleger geopolitisch absichern wollten. Deswegen seien robuste militärische Partnerschaften gefragt. Außerdem brauche es geeignete Vermögenswerte, in die Anleger investieren könnten. Wenn Europa ernsthaft daran gelegen sei, dass der Euro international eine größere Rolle spiele, müsse es zuallererst seine Binnenwirtschaft reformieren. Dazu gehöre, den Binnenmarkt zu vollenden, gute Bedingungen für Start-ups zu schaffen, Bürokratie abzubauen sowie die Spar- und Investitionsunion aufzubauen. Schließlich müsse Europa seine rechtliche Grundlage stärken. Dazu gehöre, dass es mehr als politische Einheit auftrete, öfter mit Mehrheit entscheide, um Druck von außen standhalten zu können.