Felix Ekardt forscht als Leiter der Leipziger Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik sowie Professor an der Uni Rostock zu Politikkonzepten für mehr Nachhaltigkeit. Er sucht anlässlich seiner oft sehr kontroversen Positionen die Diskussion mit den Leserinnen und Lesern von ZEIT ONLINE. Auch diesmal antwortet er direkt unter dem Artikel auf Leserkommentare. Diskutieren Sie mit!
Die Ampel war keineswegs Klima-radikal. Die vergangene Regierung wollte keineswegs schnell Klimaneutralität erreichen, wie es eigentlich das Klimavölkerrecht und die Grundrechte nahelegen. Weil die deutschen und, wichtiger, mittelbar auch europäischen Ambitionen so niedrig waren und sind, wurden noch zu Ampelzeiten mehrere neue Klagen vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Die neue schwarz-rote Regierung hat diese Klagen gegen Bundestag und Bundesregierung nun geerbt – und antwortet darauf mit noch zweifelhafteren Bemühungen um den Klimaschutz.
Bei der Ampel war wenigstens noch klar: Sie strebt einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen Öl, Gas und Kohle an als Weg zum Klimaschutz für Strom, Wärme, Mobilität und Industrie. Auch wenn es zu langsam ging und auch wenn die Tierhaltung als zweite große Klimagasquelle vergessen wurde.
Die neue Regierung stellt jetzt gar die Notwendigkeit infrage, eine postfossile Ära überhaupt zu erreichen. Stattdessen sollen fossile Brennstoffe mindestens zeitweise gar noch stärker genutzt werden, vor allem durch einen massiven Zubau von Gaskraftwerken. Klimaneutralität soll dann durch den Trick CCS erreicht werden. CCS, das steht für Kohlenstoffabscheidung und Speicherung – Carbon Capture and Storage. Dabei werden Industrieanlagen und fossile Kraftwerke weiterbetrieben, doch wird das Kohlendioxid beim Betrieb separiert und unter der Erde endgelagert.
Das Ganze ist sehr unsicher
Doch CCS ist sehr aufwendig. Eine marktgängige Technologie ist es bislang nicht. Für Gaskraftwerke schon gar nicht, weil CCS bisher für Kohlekraftwerke vorgesehen war. Ob das Ganze funktioniert, ist daher unsicher. Wichtiger noch: Niemand weiß momentan, ob Kohlendioxid sich wirklich dauerhaft wegsperren lässt oder ob es doch sukzessive wieder an die Oberfläche kommt. Warum sollte man aber jetzt – und jetzt ist Handeln nötig – auf eine Technologie setzen, die kein rasches Handeln gegen die Klimakrise ermöglicht?
Zudem ist CCS extrem teuer. Am Markt behaupten kann es sich nur mit Subventionen. Doch ergibt es wenig Sinn, wenn der Steuerzahler eine Technik subventioniert, wenn doch andere kostengünstige, technisch etablierte Alternativen wie erneuerbare Energien oder Energieeffizienz bestehen. Besonders problematisch wäre es deshalb, wenn Teile des vom Bundestag im Februar geschaffenen Klima-Sondervermögens von 100 Milliarden Euro nun für die CCS-Förderung eingesetzt würden. Mit dem gleichen Geld lässt sich wesentlich verlässlicher Klimaschutz, etwa über den Erneuerbare-Energien-Ausbau oder über Wärmedämmung für Häuser und deren Subventionierung, betreiben.
Darüber hinaus ist CCS extrem energieintensiv. Ein Kraftwerk braucht mit CCS nicht etwa weniger, sondern noch viel mehr fossilen Brennstoff. Das wäre selbst dann noch ein großes Problem, wenn man die Treibhausgase der fossilen Brennstoffe durch CCS wirklich wegzaubern könnte. Denn das Festhalten an den fossilen Brennstoffen ist auch für Frieden und Demokratie fatal.
Unsere Fossilen kommen noch heute oft direkt oder auf Umwegen aus autokratischen Staaten, auch aus Russland. Der russische Staatshaushalt basiert jedoch zu einem Drittel auf dem Verkauf fossiler Brennstoffe. Und einen Staat, der derzeit die Hauptgefahr für Frieden und Demokratie in Europa darstellt, noch aktiv zu finanzieren, ist geradezu selbstmörderisch. Das Problem bestünde selbst dann noch, wenn wir die Fossilen woanders einkaufen – denn dann hält unser fossiler Konsum immer noch weiter die fossilen Weltmarktpreise hoch. Auch das nützt Russland.