Brain Prize: Wichtiger Forschungspreis für Heidelberger Neurologen

6

Stand: 28.05.2025 14:37 Uhr

Der Heidelberger Neurowissenschaftler Frank Winkler hat – zusammen mit einer Kollegin aus den USA – entdeckt, dass Nervenzellen des Gehirns mit Hirntumorzellen kommunizieren. Dafür werden sie ausgezeichnet.

Der Brain-Prize der dänischen Lundbeck-Stiftung ist der wichtigste Forschungspreis für Neurowissenschaften, für Forschungen am Gehirn. Das Preisgeld beträgt mehr als 1,3 Millionen Euro – höher als beim Nobelpreis. Er geht dieses Jahr zur Hälfte an einen Wissenschaftler aus Heidelberg. Frank Winkler hat zusammen mit der ebenfalls preisgekrönten US-Forscherin Michelle Monje etwas entdeckt, das die Behandlung von Krebs grundsätzlich verändern könnte. Dafür werden sie am 28. Mai vom dänischen König ausgezeichnet.

Hirntumore durch Nervenimpulse zum Wachstum angeregt

Krebszellen in Hirntumoren bilden ein eigenes Netzwerk, sozusagen ein Gehirn im Gehirn, mit extrem langen Auswüchsen fast wie bei Pilzen. Und sie bilden Synapsen, also Verbindungen mit Nervenzellen. Viel schlimmer aber: Sie können durch Nervenimpulse zum Wachstum angeregt werden. Das erklärt auch, warum derartige Tumore oft sehr schnell wieder nachwachsen, erläutert Frank Winkler im SWR. “Wir haben herausgefunden, dass diese Tumorzellen-Netzwerke wirklich so komplex, fast intelligent sind, dass der Tumor selbst versteht, was da passiert und er sich dann nach einer Operation auch selbst wieder reparieren möchte.”

Epilepsie-Medikament könnte Tumorwachstum bremsen

Wenn man also gegen Tumore vorgehen will, komme es sozusagen darauf an, die “Telefonleitung” zu kappen, dafür zu sorgen, dass der Tumor nicht mehr kommunizieren kann, so Winkler. Denn dann kann er nicht mehr so einfach nachwachsen und Behandlungsmethoden wie Chemotherapie oder Bestrahlung sind wirksamer.

Professor Winkler ist Oberarzt in der Neurologie der Heidelberger Uniklinik und versucht in ersten Studien herauszufinden, welche Substanzen diese bösartigen Netzwerke hemmen können. Er setzt ein Mittel gegen epileptische Anfälle ein, das normalerweise dazu benutzt wird, um solche Krampfattacken zu verhindern, also die Kommunikation zwischen bestimmten Synapsen erschwert oder blockiert – und das jetzt möglicherweise auch diese bösartigen Synapsen zwischen Tumor und Nervenzellen hemmt.

Therapieansatz gibt neue Hoffnung

Josef Runde aus Waghäusel ist einer der Teilnehmer der Studie. Er wurde schon zweimal operiert, weil ein Tumor nachgewachsen war – jetzt hofft er darauf, dass ein bestimmtes Medikament gegen Epilepsie dieses Wachstum bremst. “Ich weiß, ich habe ein Glioblastom, der ist eigentlich tödlich, so gut wie nicht heilbar. Aber wenn ich mit dieser Therapie dann weiterleben könnte, weiter so in dem Zustand, wie ich mich jetzt fühle noch weiter meine Tage verbringen, dann bin ich sehr zufrieden. Meine Familie auch.”

Der Studie vorangegangen sind Forschungen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Dort gibt es unter anderem ein Spezialmikroskop, mit dem man beobachten kann, wie sich Tumorzellen im lebenden Gewebe verhalten. An einem Bildschirm zeigt Frank Winkler Aufnahmen von chemisch erregten Tumorzellen. “Am Ende muss man sagen, sie reden miteinander, sie kommunizieren, sie sind ein soziales Netzwerk, sind genauso effektiv in der Kommunikation wie soziale Netzwerke und genauso widerstandfähig.”

Nervenimpulse spielen auch bei anderen Krebsarten wichtige Rolle

Was inzwischen auch schon feststeht: Frank Winklers Entdeckung geht über das Verhalten von Hirntumoren hinaus. Der Chef der Heidelberger Neurologie, Wolfgang Wick, meint “In anderen Organen scheint das zum Teil ähnlich zu sein. Wir wissen inzwischen, dass bei der Brustkrebserkrankung stadienabhängig der Kontakt zwischen Nerven und den Krebszellen auch eine große Rolle spielt.”

Neue Forschungsrichtung: Krebsneurowissenschaft

Was Winkler durch seine Arbeit herausgefunden hat, nennt sich Cancer Neuroscience – Krebsneurowissenschaft. Für Krebsforscher eine sehr vielversprechende Herangehensweise, meint der Vorstandsvorsitzende des DKFZ, Michael Baumann. “Das ist eine völlig neue Forschungsrichtung, die zu Entdeckungen geführt hat, die uns zeigen, warum bestimmte Krebse so unheimlich resistent, also abwehrend gegen Behandlungen sind.” Untersucht wird jetzt, wie man den stimulierenden Einfluss auch bei anderen Krebsarten unterbinden kann. Durch Frank Winklers preisgekrönte Entdeckung ist die Tumortherapie ein großes Stück weitergekommen.