Fliegen in der teureren Business-Class, das lässt mehr Komfort als auf den Standard-Sitzen der Economy-Class erahnen. Doch im Lufthansa-Konzern mussten Business-Passagiere, die nicht in einem Langstreckenflugzeug reisen, trotz eines nicht unerheblichen Aufpreises bislang dieselben Stühle nehmen. Ganz so, als ob der Zweite-Klasse-Sitz aus dem Regionalexpress auch in der ersten Klasse im ICE stehen würde.
Zwar bekommen die Business-Passagiere im Flieger Essen gereicht, der Abstand zur Vorderreihe ist größer, und der Nachbarplatz bleibt leer. Dass aber dieselben Polster verbaut sind, sieht so mancher Reisender dennoch als Manko an. Denn auch Flüge mit Mittelstreckenjets können stundenlang dauern. Nun kommt die Kurskorrektur – mit einem Testlauf. Für den hat der Lufthansa-Konzern die Tochtergesellschaft Eurowings ausgewählt.
Die soll schon vom nächsten Flugplanwechsel im Oktober an, auf ihren Flügen von Berlin nach Dubai, die mit Mittelstreckenfliegern vom Typ A320neo bedient werden, stets Business-Class-Sitze an Bord haben. Der neue „Premium-Biz-Seat“ bringe ein „völlig neues Komfortniveau auf der Mittelstrecke“, sagt Eurowings-Chef Jens Bischof. „Wir leiten die Zukunft der Mittelstrecke ein.“
Neue Mittelstreckenjets schaffen längere Strecken
Während in den USA diese Zukunft schon Alltag ist, gilt bei der deutschen Luftfahrt der Einbau von Business-Class-Sitzen in Mittelstreckenflugzeugen, die einen schmaleren Rumpf als Fernflieger haben, tatsächlich als Novum. Bei Lufthansa ist man sich bewusst, dass zahlungskräftigere Passagiere dies lange vermisst haben. „Sechs Stunden Flug in einem A320 sind nicht immer das Gleiche wie in einem Langstreckenflugzeug“, räumt Bischof ein.
Doch viele Airlines – nicht nur Lufthansa – haben den Umbau bislang gescheut. Denn Business-Class-Plätze beanspruchen mehr Fläche im Flieger, es können weniger zahlende Reisende einsteigen, die Ticketeinnahmen sollen aber nicht sinken. Nun soll der Unterschied für Business-Class-Passagiere spürbar kleiner werden.

Zum Umdenken führt, dass neue Mittelstreckenflugzeuge größere Distanzen ohne Tankstopp zurücklegen können. „Wir erreichen Ziele, die wir mit der vorherigen Flugzeuggeneration nicht erreicht haben“, sagt Bischof. Und mit der steigenden möglichen Reisezeit sieht man eine steigende Zahlungsbereitschaft für Komfort-Extras.
Drei Business-Class-Reihen, die aus herkömmlichen Sitzen bestanden, werden nun in Eurowings-Fliegern ausgebaut, zwei neue Reihen kommen hinein. Und die haben beiderseits des Gangs nur zwei statt drei Sitzflächen, die Polster werden also breiter. Zum flachen Bett lassen sich die neuen Stühle, die im Branchenjargon „Recliner“ genannt werden, zwar nicht ausfahren, aber mit gekippter Rücklehne und ausgefahrener Beinablage entsteht eine Liegefläche, die 1,2 Meter der Flugzeuglänge einnimmt. Und in aufrechter Position soll der Abstand von Lehne zu Lehne rund 28 Zentimeter größer sein als in der Economy-Klasse.
Zuletzt dauerte es mit Sitzen bei Lufthansa lange
Zunächst ist es ein Test, im Oktober sollen zwei Eurowings-Flugzeuge umgerüstet sein – genug für die Berlin-Dubai-Flüge. Doch Bischof will mehr. „Wir werden den Test erfolgreich hinbekommen“, sagt er. Und dann würden alle acht A320neo-Flugzeuge von Airbus umgerüstet, die 40 von Boeing für 2027 bestellten 737-Max-Flieger könnten folgen. „Premium-Sitze in Flugzeugen mit schmalem Rumpf sind richtungweisend“, sagt Bischof.
Bischof spricht von einer „sehr pragmatischen und schnellen“ Einführung. Zuletzt war der Lufthansa-Konzern eher damit aufgefallen, dass die Einführung neuer Sitze lange dauert. Dass für den Kernmarke mit Premium-Anspruch entwickelte Allegris-Sitz-Konzept wird Jahre nach der Ankündigung im Juni erst in zehn Flugzeugen auf Langstrecken unterwegs sein. Und ob es bis zum Herbst überhaupt mehr werden, ist nicht sicher. Es hängt auch davon ab, wann neue 787-Flugzeuge von Boeing wie geplant eingesetzt werden können.
Noch stehen diese Flugzeuge in den USA – ausgerechnet für neue Business-Class-Sitze fehlt nach Jahren der Entwicklung die Zulassung. Zuletzt hatte Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr angekündigt, zumindest einige Flugzeuge im Sommer holen zu wollen. Eingesetzt würden sie zunächst nicht auf langen Routen, die Plätze ohne Zertifizierung würden leer bleiben. Für den Winterplan hofft man, die Freigabe der Sitze erreichen zu können.
„Werden preislich unter Wettbewerbern liegen“
Dagegen wirkt der Eurowings-Plan wie eine Umsetzung mit Überschalltempo, die nur ein halbes Jahr nach Ankündigung kommt. Um schnell an die neuen Stühle zu kommen, wird bei italienischen Sitzhersteller Geven geordert und nicht – wie zuvor in Branchenkreisen spekuliert – beim französischen Zulieferer Safran. Bischof erklärt dies mit der „Lieferfähigkeit“, da so die schnelle Umsetzung „machbar“ und die Sitze rechtzeitig „verfügbar“ seien.
Dass die Entscheidung fiel, zunächst mit neuem Gestühl die Dubai-Strecke zu befliegen, dürfte auch mit dem Wettbewerbsdruck durch die dort ansässigen Golf-Carrier zu tun haben. Eurowings steuert das Emirat bislang mit Flugzeugen an, die auch in der Business-Class den Einheitssitz haben. Bei Pauschalurlauber erzielte man Achtungserfolge, zahlungskräftigere Kunden wählten mitunter anderes.
Denn Emirates bedient Dubai von Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg aus mit Langstreckenflugzeugen mit Business-Class-Einrichtung. Qatar Airways fliegt Katar auch von Berlin an. Und Emirates hatte für Berliner Kunden zuletzt einen Pakt mit dem deutschen Eurowings-Rivalen Condor geschlossen. Die neuen Sitze werden aufpreispflichtig sein. „Wir werden aber preislich niedriger als Langstreckenwettbewerber liegen“, sagt Eurowings-Chef Bischof.
Die Kurskorrektur bei den Sitzen in Mittelstreckenflugzeugen der Kernmarke Lufthansa mit Premium-Anspruch dürfte indes noch etwas dauern. „Die Entscheidungsfindung im Konzern ist noch offen“, sagt Bischof. Zunächst sollen die Erfahrungen auf den Eurowings-Flügen ausgewertet werden. Weitere Erkenntnisse könnte auch der italienische Lufthansa-Zukauf ITA liefern. ITA betreibt einige A321-Mittelstreckenflugzeuge mit Business-Class-Plätzen, die sogar zum flachen Bett ausgefahren werden können.