Italien bringt weitere abgelehnte Asylbewerber nach Albanien

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Die Regierung in Rom hat eine weitere Gruppe von abgelehnten Asylbewerbern von Italien in das Abschiebelager nach Nordalbanien transferiert. Mit dem Kreuzer Spica der Kriegsmarine wurden in der Nacht zum Mittwoch 26 illegale Migranten von Brindisi über die Adria zunächst ins Aufnahmezentrum im Hafen von Shëngjin und von dort in das Abschiebelager Gjadër gebracht. Von dort sollen die Asylbewerber in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden.

Das Innenministerium in Rom teilte nicht mit, aus welchen Ländern die abgelehnten Asylbewerber stammten. Die Ankunft der Migranten in Shëngjin wurde auch von örtlichen Quellen bestätigt. Im April hatte Rom eine erste Gruppe von rund 40 abgelehnten Asylbewerbern von Italien nach Albanien bringen lassen.

Die beiden Einrichtungen in Nordalbanien werden von den italienischen Behörden betrieben und finanziert. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der rechtskonservativen Partei Brüder Italiens und der sozialistische Regierungschef Edi Rama hatten im November 2023 ein Memorandum zur Errichtung und zum Betrieb der italienischen Lager in Nordalbanien für zunächst fünf Jahre vereinbart. Die im Oktober 2024 – mit knapp halbjähriger Verspätung – eröffneten Lager standen monatelang faktisch leer, weil italienische und europäische Gerichte die Verbringung von männlichen erwachsenen Bootsmigranten aus sicheren Herkunftsländern direkt aus dem zentralen Mittelmeer nach Albanien durch die italienische Kriegsmarine untersagt und die sofortige Verbringung der Migranten von Nordalbanien nach Italien verfügt hatten.

EuGH verhandelt seit Februar in der Sache

Die Regierung in Rom hat gegen die Entscheidungen der italienischen Gerichte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg angerufen, der seit Februar in der Sache verhandelt. Im Kern geht es in dem Verfahren um die Frage, ob bei der Einschätzung sicherer Herkunftsländer europäisches Recht stets vor nationalem Recht gelte. Italien stuft 19 Staaten als sichere Herkunftsländer ein, neben den sechs Ländern des westlichen Balkans sind dies Ägypten, Algerien, Bangladesch, Elfenbeinküste, Gambia, Georgien, Ghana, Kap Verde, Marokko, Peru, Senegal, Sri Lanka und Tunesien.

Diese Liste weicht von jener der EU-Kommission ab, die bisher nur sieben Länder als ausreichend sicher zur Rückführung von Migranten nach einem beschleunigten Asylverfahren einstuft: neben dem Westbalkanstaat Kosovo sind dies Ägypten, Bangladesch, Indien, Kolumbien, Marokko und Tunesien. Andere EU-Staaten haben jeweils eigene Listen sicherer Herkunftsländer.

Nach bisheriger Rechtsprechung des EuGH können Herkunftsländer nur dann als sicher eingestuft werden, wenn dies für deren gesamtes Territorium gilt. Im konkreten Fall ging es vor dem EuGH um einen Moldawier, dessen Asylantrag in der Tschechischen Republik aus dem Jahr 2022 von den Behörden abgelehnt worden war, der gegen die Entscheidung aber erfolgreich in Luxemburg geklagt hatte. Der EuGH entschied in der Sache am 4. Oktober 2024 vorläufig, dass der Mann nicht in die Republik Moldau abgeschoben werden kann, weil zumal die abtrünnige Region Transnistrien, aber auch die Republik Moldau insgesamt nicht hinreichend sicher seien, um dorthin Asylbewerber abzuschieben.

Bootsmigranten werden aktuell nicht direkt nach Albanien gebracht

Angesichts des anhängigen Rechtsstreits in Luxemburg entschied die italienische Regierung, die exterritorialen Zentren in Albanien zunächst zur Unterbringung von Migranten zu nutzen, die in Italien bereits das reguläre Asylverfahren durchlaufen haben. Bootsmigranten aus dem Mittelmeer werden nach drei von italienischen Gerichten als rechtswidrig eingestuften Transfers nicht mehr direkt nach Albanien verbracht.

Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi sagte nach der jüngsten Überstellung, bei den von Italien nach Albanien verbrachten Asylbewerbern habe es sich um Personen gehandelt, die eine „soziale Gefahr“ für die Bevölkerung in Italien darstellten: „Wir haben Menschen transferiert, die wegen schwerer Verbrechen wie Vergewaltigung, Kinderpornographie oder Ähnlichem seit mehreren Jahren im Gefängnis saßen.“ Die Zentren in Albanien würden zunächst nur für diesen begrenzten Personenkreis genutzt, bis der EuGH in den kommenden Monaten eine Grundsatzentscheidung in der Sache zum Streit über sichere Herkunftsländer treffe, sagte Piantedosi.

Die Regierung in Rom beziffert die Kosten für Errichtung und Betrieb der Zentren in Albanien auf rund 650 Millionen Euro. Menschenrechtsorganisationen und die italienische Opposition kritisieren die Geldverschwendung für die Zentren, die bisher keinen nennenswerten Nutzen erbracht hätten. Das Aufnahmezentrum in Shëngjin und das Abschiebelager auf dem Gelände eines unweit gelegenen einstigen Militärflugplatzes in Gjadër sind auf eine Kapazität von bis zu 3000 Migranten monatlich ausgelegt.