Zur Erinnerung: Als Donald Trump am 2. April im Rosengarten des Weißen Hauses zum „Liberation Day“ eingeladen hatte, versprach er seinen Landsleuten: „Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die amerikanische Industrie wiedergeboren wurde, als der Tag, an dem Amerika sein Schicksal zurückerobert hat, und als der Tag, an dem wir begonnen haben, Amerika wieder reich zu machen.“
Unterstützer gingen auf Distanz
Auf Basis einer willkürlich und von Fachleute als überaus fragwürdig eigestuften Formel präsentierte Trump damals Zollsätze für die EU, Großbritannien, China, Japan und viele andere Länder in erheblicher zweistelliger Höhe. Doch anstelle eines schnellen und großen Erfolges richtete er zumal für die Amerikaner erheblichen Schaden an. Die Börsenkurse an der Wall Street brachen teilweise ein, und – schlimmer noch – die Renditen für amerikanische Staatsanleihen legten innerhalb kurzer Zeit stark zu. Anleger trennten sich in einer Krisenphase von den als ausfallsicher geltenden Wertpapieren, die in dieser Funktion eine Säule des Weltfinanzsystems bilden und für die Vereinigten Staaten einen großen Finanzierungsvorteil gegenüber dem Rest der Welt darstellen.
Erstmals seit seinem Amtsantritt gingen auch ausdrückliche Trump-Unterstützer wie der Hedgefonds-Manager Bill Ackman öffentlich auf Distanz. Elon Musk, damals noch permanent an der Seits Trumps unterwegs, kristierte die Zoll-Pläne ebenfalls. Auch der einflussreiche und langjährige Vorstandschef der größten amerikanischen Bank JP Morgan, Jamie Dimon, der sich nach außen eher neutral zur Trump-Administration äußerte, forderte ein, die dahinterstehenden Probleme schnell zu lösen.
Trump setzte zunächst auf Durchhalte-Parolen
Vor allem aber schockierte, dass sich sogar die mächtige amerikanische Notenbank Federal Reserve veranlasst fühlte, den Anlegern zu versichern, sie verfüge notfalls über umfangreiche Instrumente. Und sie werde nicht scheuen einzugreifen, wenn die Turbulenzen außer Kontrolle geraten sollten – solches Vokabular verwendeten die Währungshüter zuletzt infolge der Lehman-Finanzkrise.
Trump setzte zunächst auf Durchhalte-Parolen, ruderte aber schließlich doch schnell zurück und ordnete eine 90 Tage lange „Zoll-Pause“ an, was tatsächlich darauf hinauslief, dass er viele Zölle zurücknahm. Gegenüber China entging er hernach nur knapp einer deutlich sichtbaren Niederlage. Die Volksrepublik reagierte als einzige große Wirtschaftsmacht unmittelbar mit Gegenzöllen, worauf der Streit der beiden größten Volkswirtschaften der Welt eskalierte und die gegenseitigenb Zollsätze auf mehr als 100 Prozent stiegen.
Wochen später trafen sich ranghohe Delegationen beider Länder in der Schweiz und einigten sich darauf, die Sätze wieder stark zu senken. Auffällig war dabei, wie ausdrücklich Trump und seine Regierug in Interviews betonten, die Chinesen hätten angeblich zuerst angerufen und um Gespräche gebeten.
Den parlamentarischen Weg
Gegenüber China, das nicht erst von Trump zum großen geostrategischen Konkurrenten Amerikas erhoben wurde, hat er zumindest bislang keinen Boden gutgemacht durch die Zoll-Agenda, im Gegenteil: Er scheint in Asien und Europa sogar einige Länder eher zu animieren, womöglich wieder stärker auf China zu setzen, zumindest aber nicht die Bande nach Fernost zu kappen.
Mit Großbritannien hat Trump einen „Deal“ inszeniert, dessen Gehalt sich aber erst noch erweisen muss, wenn viele Punkte konkretisiert sind. Mit der EU wiederum möchte er gerne einen „Deal“ schließen. Aber auch Brüssel unterwirft sich aus guten Gründen nicht einfach den Drohgebährden aus Washington, sondern bietet Gespräche auf Augenhöhe an, um gemeinsam vielleicht ein Handelsabkommen abzuschließen – das beiden Seiten hilft.
Trump, sein Finanzminister Scott Bessent und sein Handelsminister Howard Lutnick versuchen, in der Öffentlichkeit das Bild zu zeichnen, wonach nun quasi die ganze Welt Schlange stünde und um Abkommen mit Washington bitte. Herausgekommen ist bislang aber wenig, vor allem mit Blick auf die großen Handelspartner und gewichtigen Volkswirtschaften.
Auf Handel und internationale Wirtschatsbeziehungen spezialisierte Fachleute halten den ganzen Ansatz ohnehin für wenig tauglich. Sie werden nicht müde darauf zu verweisen, dass Arbeitsteilung und Waren- und Dienstleistungstausch über Ländergrenzen hinweg kein Nullsummenspiel ist. Und dass Amerika eben nicht, wie Trump dies behauptet, „ausgebeutet“ wird. Tatsächlich sind die USA durch Handel und die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte Weltwirtschaftsordnung sehr wohlhabend, mächtig und einflussreich geworden. Wenn dieser Reichtum nicht überall im Land ankommt, dann ist das zuerst ein inneramerikanisches Problem, ein Streit, den die USA sozusagen intern auszutragen müssen – und mit dem sie über wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie Bürokratie, Steuern oder Sozialsysteme so umgehen können wie andere globalisierte Länder dies auch tun.
Und noch etwas lehrt das nun ergangene Urteil in New York. Trump kann, wenn er das will, versuchen, dauerhaft hohe Zölle einzuführen. So eine Politik ist gesetzlich nicht prinzipiell verboten. Er muss dafür aber nach Ansicht der Richter von seiner Dekrete-Präsidentschaft ablassen und sich an das Verfahren halten, das in einer rechtsstaatlichen Demokratie üblich ist: an die ordentliche Gesetzgebung im parlamentarischen Verfahren. Dort könnte er Mehrheiten suchen und die Vorhaben gerichtsfest umsetzen, wenn er das möchte.