Im Finale von “Jugend forscht” treten Nachwuchs-Forschende gegeneinander an. Mit dabei: Zwei Schülerinnen und ihr selbst entdecktes Virus, das im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen helfen könnte.
Der Moment, als Mia Maurer und Misha Hedge klar wurde, dass sie tatsächlich eine neue biologische Spezies entdeckt haben, war – wie sie selber sagen – krass. “Ich habe so viel Euphorie verspürt, das war wirklich ein sehr schönes Gefühl”, sagt die 15-jährige Mia Maurer. “Weil man nach all der Zeit tatsächlich das erreicht hat, wofür man wirklich lange hart gearbeitet hat.”
Sie und die 16-jährige Misha Hedge sind Schülerinnen der 9. und 10. Klasse am Schuldorf Bergstraßen in Seeheim-Jugendheim in Hessen. Die beiden wollen erforschen, wie man Bakterien in der Landwirtschaft ohne Antibiotika bekämpfen könnte. Dafür setzten sie auf winzige Mikroorganismen, sogenannte Phagen.
Jugend forscht
Vom 29. Mai. bis 1. Juni 2025 findet der 60. Bundeswettbewerb “Jugend forscht” statt. Junge Forscherinnen und Forscher, die bereits die Landeswettbewerbe gewonnen haben, stellen hier ihre Projekte zu selbstgewählten Themen vor. Teilnehmen dürfen junge Menschen bis zum Alter von 21 Jahren. Ausgezeichnet werden Arbeiten aus den Fachbereichen Biologie, Chemie, Arbeitswelt, Geo- und Raumwissenschaften, Mathematik / Informatik, Physik und Technik.
Mit Viren spezifisch gegen Bakterien
Phagen sind spezielle Viren, die Bakterien befallen können. Die Phagen docken dafür an einem Bakterium an und drücken ihr Erbgut hinein. So programmieren sie die Bakterien quasi um – die stellen ab jetzt selbst Phagen her und sterben.
Das Bakterium, das Mia und Misha bekämpfen wollen, heißt Rhizobium rhizogenes. Es kommt in ganz normalem Boden vor. Wenn es Pflanzen infiziert, entwickeln diese zu viele Wurzeln – in der Landwirtschaft ist das schlecht für den Ernteertrag. Bei der Bekämpfung der Bakterien könnten Phagen schonender sein als Antibiotika, denn sie wirken spezifisch nur gegen eine Bakterienart.
Um einen Phagen zu finden, der spezifisch gegen das Bakterium Rhizobium rhizogenes wirkt, sammelten die Schülerinnen etliche Bodenproben. “Die haben wir aus Gärten und einem lokalen Wald erhalten”, erklärt Misha Hedge. “Wir haben sechs Monate lang getestet, ob sich in den Proben etwas befindet, das die Bakterien tötet. Und dann hat es an unserem einjährigen Jubiläum des Projekts tatsächlich geklappt.“
Genetische Analysen zeigen: Es ist ein neuer Phage
Die Freude war groß – aber damit kamen Forschungsfragen auf, die die Möglichkeiten des Schullabors überstiegen. Die beiden Schülerinnen wandten sich an das European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg, kurz EMBL.
Der erste Schritt hier: Eine genetische Analyse. Das Ergebnis war eindeutig. Der Vergleich mit allen bisher bekannten Phagen zeigte Unterschiede in der genetischen Sequenz. Mia und Misha haben eine völlig neue Phagen-Art entdeckt.
Jetzt fehlte noch ein Bild von dem Phagen. Dafür durften sie das Transmissions-Elektronen-Mikroskop am EMBL nutzen. Normalerweise kommen etablierte Forschende aus ganz Europa hierher, um ihre Versuche zu machen. Für Georg Wolff vom Imaging Center am EMBL war es das erste Mal, dass sich Schülerinnen an ihn wandten, aber Mia und Misha haben ihm nicht besonders viel Arbeit gemacht. “Das war tatsächlich ein fast geringerer Betreuungsaufwand als bei manchen Postdocs oder Doktoranden, die zu uns kommen mit ihren Proben.” Mia und Misha kannten sich so gut mit ihren Proben und Forschungsfragen aus. Damit beeindruckten sie die “Profis” am EMBL.
Ein Phage im “Jugend forscht”-Finale
Auf den Bildern, die das Elektronenmikroskop von “ihrem” Phagen gemacht hat, konnten die jungen Wissenschaftlerinnen genau sehen: Ihr Phage hat ein Schwänzchen. Für die Einordnung in die richtige Phagenfamilie eine wichtige Information. Und für Misha Hegde ein besonderer Moment. “Wir haben natürlich schon viele Bilder von anderen Phagen gesehen, in Lehrbüchern und im Internet. Aber dann unseren eigenen Phagen zu sehen – Diese Freude war unglaublich.”
Mit ihrem neu-entdeckten Phagen stehen die beiden im Finale des diesjährigen “Jugend forscht”-Wettbewerbs. Ein Patent haben sie auch schon angemeldet. Und die Forschung geht weiter. Jetzt wollen sie noch herausfinden, ob ihr Phage lebende Pflanzen tatsächlich vor einer Ansteckung mit dem Bakterium schützen kann. Und vielleicht wird Mia und Mishas Phage dann irgendwann eine echte Alternative zu Antibiotika.