Der Ärztetag in Leipzig hat für die neue Gebührenverordnung zur Abrechnung von Privatpatienten und Selbstzahlern gestimmt. Nach langer Debatte bekam der Vorstand der Bundesärztekammer ein eindeutiges Mandat, den Vorschlag für eine neue Gebührenverordnung (GOÄ) an die Bundesgesundheitsministerin mit der Aufforderung zu übergeben, die Novellierung auf der beschlossenen Grundlage unverzüglich einzuleiten. Der Vorschlag ist mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung abgestimmt. Am Donnerstag votierten 212 Delegierte dafür und 19 Delegierte dagegen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hatte den Delegierten zuvor die Vorzüge der geplanten Änderung ausführlich dargelegt. Durch die Modernisierung werde endlich wieder Rechtssicherheit und Transparenz bei der Rechnungsstellung hergestellt. Das angestrebte Honorarplus von 13,2 Prozent sei „1,9 Milliarden Euro on top“, die gezahlt würden – und „das ist kein Budget, sondern eine Prognose“, betonte Reinhardt, der am Ende seiner Rede stehende Ovationen bekam.
In den vergangenen Wochen hatte es eine immer intensiver geführte Diskussion gegeben. Die Befürworter, unter anderem Verbände der Hausärzte, Internisten, Pädiater sowie Neurologen und Psychiater, hatten angeführt, die neue Verordnung werde die sprechende Medizin endlich adäquat vergüten. Die Gegner, unter anderem Verbände der Radiologen, Laborärzte, Gynäkologen und Dermatologen, hatten unter anderem Intransparenz bemängelt und bezweifelt, dass die neue Version betriebswirtschaftlich kalkuliert sei.
Der Streit um die Gebührenordnung hatte den 129. Deutschen Ärztetag von Beginn an überschattet. Rund zehn Jahre hat es gedauert, bis die Ärzteschaft mit den privaten Krankenkassen den Kompromiss geschlossen hat. Zufrieden waren damit längst nicht alle Berufsgruppen; Orthopäden, Chirurgen und Radiologen etwa sahen sich benachteiligt. Besonders stark wird von der neuen Gebührenordnung vor allem die sogenannte sprechende Medizin profitieren, Psychologen etwa oder Hausärzte, die ihre Patienten beraten.
Nervosität vor der Abstimmung
Im Durchschnitt sollen Ärzte für Leistungen an Privatpatienten mittelfristig mehr als zehn Prozent zusätzlich bekommen. Ein gutes Verhandlungsergebnis, wie Ärztepräsident Klaus Reinhardt findet. Er betonte im Vorfeld, dass nicht noch mehr Geld herauszuhandeln sei. Die Nervosität, dass der Ärztetag die neue GOÄ doch noch ablehnen könnte, war ihm am Mittwochmittag noch deutlich anzumerken. Auf einer Pressekonferenz am Rande des Ärztetages sagte er: „Wenn man es nach zehn Jahren nicht schafft, einen Konsens einzugehen, dann verspielt man politische Glaubwürdigkeit in erheblichem Maße.“ Es ist das einzige Thema, bei dem er von seiner sonst analytischen und abwägenden Art abweicht und laut wird. „Ich sehe mich vielen unsachlichen Argumenten ausgesetzt, da habe ich wenig Freude dran.“
Kurz zuvor wurden vor den Leipziger Messehallen, in denen der Ärztetag stattfindet, rote Flyer verteilt, auf denen Argumente gegen die GOÄ gelistet waren. Die Mehrheit der Ärzte würde der GOÄ nicht zustimmen, so wurde in dem Text aus einer Umfrage des Ärztenachrichtendienstes geschlossen. „Die, die das verteilt haben, waren keine betroffenen Ärzte, sondern Studenten, die für kleines Geld dafür beauftragt wurden. Das zeigt schon, was sich dahinter verbirgt“, so Reinhardt. Der F.A.Z. gegenüber haben die Personen einen Arzt genannt, in dessen Auftrag sie handeln.
Die Stimmung dürfte auch deswegen so angespannt gewesen sein, weil Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bei ihrer Rede in der Leipziger Nikolaikirche signalisiert hatte, sich eine Zustimmung zur neuen GOÄ durchaus vorstellen zu können. Das ist nicht selbstverständlich, weil der Staat von höheren Gebühren ebenfalls betroffen ist – er zahlt privat versicherten Beamten die sogenannte Beihilfe, also erhebliche Zuschüsse, die auch steigen würden. „Nach Jahrzehnten des Stillstandes ist es an der Zeit, die Bewertungen auf den Stand der Dinge zu bringen“, hatte Warken gesagt. Die aktuellen Regelungen stammen aus dem vergangenen Jahrhundert.
Reinhardt hat Warkens Signal als vielversprechend dafür gewertet, dass die GOÄ von der Bundesregierung tatsächlich eingeführt wird, wenn der Ärztetag dem Kompromiss zustimmt – wie es dann kam. Nun muss Nina Warken das Bundeskabinett noch von der neuen Gebührenordnung überzeugen.