Verzweifelter Kampf um Essen in Gaza

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Der umstrittene neue Hilfsmechanismus zur Verteilung von Lebensmitteln im Gazastreifen ist in dieser Woche mit Schwierigkeiten angelaufen. Erst trat der Leiter der neu gegründeten Gaza Humanitarian Foundation (GHF) zurück, weil er den Plan für politisiert hielt. Dann wurde eine der ersten beiden Ausgabestellen, die in der Stadt Rafah im Süden des Kriegsgebiets errichtet worden waren, am Dienstag überrannt.

Israel spricht trotzdem von einem Erfolg

Nach stundenlangem Warten drangen Menschen in das eigentlich abgeriegelte Areal ein und nahmen sich Lebensmittelpakete mit; es kam auch zu Verwüstungen. Laut israelischen Angaben feuerten um das Gelände stationierte Soldaten Warnschüsse ab. Nach etwa zehn Minuten hatten sie die Kontrolle wiedererlangt. Etwa 47 Menschen wurden bei dem Vorfall verletzt, teilten die Vereinten Nationen mit; laut Berichten aus Gaza gab es auch einen Toten. Medienberichten zufolge wurden etwa tausend Lebensmittelpakete gestohlen.

Israelische Politiker zeigten sich anschließend bemüht, dennoch von einem Erfolg zu sprechen. Israel will den neuen Verteilmechanismus gegen den Widerstand der UN und von Hilfsorganisationen durchsetzen, weil so eine Abzweigung von Hilfsgütern durch die Hamas verhindert werden könne, wie es heißt. Dazu passte, dass in israelischen Medien spekuliert wurde, ob die Hamas die Plünderungen organisiert hatte, um die Verteilung von Lebensmitteln auf diesem Weg zu torpedieren. Es herrscht aber auch schlichtweg beträchtlicher Hunger im Gazastreifen, wie Hilfsorganisationen immer wieder hervorheben.

Wie heikel die Lage ist, wurde einen Tag später noch einmal deutlich. Vier Menschen kamen zu Tode, als am Mittwoch Hunderte Palästinenser ein vom Welternährungsprogramm betriebenes Warenlager stürmten. „Horden hungriger Menschen“ hätten sich gedrängt und das Lager teilweise zerlegt, hieß es. Zwei der Toten hatten offenbar Schusswunden erlitten.

Das WFP forderte, den Umfang der Hilfslieferungen rasch zu erhöhen, „um den Menschen Gewissheit zu geben, dass sie nicht verhungern“. Die humanitäre Koordinatorin der UN für die Region, Sigrid Kaag, sagte, der aktuelle Umfang der Hilfslieferungen sei vergleichbar mit einem einzigen Rettungsboot, nachdem ein Schiff gesunken sei.

Berichte über neuen Vorschlag der USA

Unterdessen attackierte die israelische Armee wieder zahlreiche Ziele im Gazastreifen. Dabei wurden laut Angaben aus Gaza seit Donnerstagmorgen mehr als 40 Menschen getötet. Parallel dazu gingen die Verhandlungen über ein neues Gazaabkommen weiter. Die vergangenen Tage waren von zahlreichen Berichten und Spekulationen darüber geprägt, dass Israel und die Hamas einer Einigung näherkommen könnten. Der amerikanische Sondergesandte Steve Witkoff soll einen neuen Kompromiss ausgearbeitet haben.

Der sieht Medienberichten zufolge die Freilassung mehrerer Geiseln und palästinensischer Häftlinge sowie eine mehrwöchige Waffenruhe vor. In dieser Zeit soll über ein dauerhaftes Ende des Krieges verhandelt werden. Solche Vorschläge hat es schon zuvor gegeben, auch das Abkommen vom Januar beruhte auf diesen Eckpunkten. Offen war am Donnerstag, ob es Fortschritte bei der zentralen offenen Frage gab: der Forderung der Hamas nach einer verlässlichen Garantie dafür, dass ein Ende des Krieges in Aussicht stehe.

Im Westjordanland treibt die israelische Regierung derweil den Siedlungsbau massiv voran. Am Donnerstag verkündete sie, dass es 22 neue Siedlungen geben werde. Das umfasst die „Legalisierung“ einiger bestehender Außenposten. Aber auch mehrere neue Siedlungen sollen errichtet werden. Fachleute sprachen von der größten derartigen Ankündigung seit vielen Jahren.