1. Was hat das dänische Parlament konkret beschlossen?
Die Abgeordneten haben in der vergangenen Woche mit 81 zu 21 Stimmen beschlossen, das Regeleintrittsalter für die staatliche Grundrente auf 70 Jahre zu erhöhen. Es liegt zurzeit bei 67 Jahren. Dass es 2030 auf 68 Jahre und 2035 auf 69 Jahre steigen wird, stand schon vorher fest. Von 2040 an gilt nun die 70-Jahre-Regel – und zwar im Prinzip für alle Dänen, die ab dem 1. Januar 1971 zur Welt gekommen sind. Aber keine Regel ohne Ausnahmen. Hier sind vor allem zwei zu nennen. Wer mindestens 42 Jahre lang gearbeitet hat, kann in Dänemark zurzeit mit 64 Jahren in Rente gehen; dies soll von 2040 an mit 67 Jahren der Fall sein. Und mit einem ärztlichen Attest, das eine verminderte Arbeitsfähigkeit bestätigt, sinkt das Renteneintrittsalter zurzeit auf 61 Jahre; ab 2040 soll es diese Möglichkeit mit 64 Jahren geben. Eine dritte Ausnahme betrifft zwar nur sehr wenige Menschen, hat in der Öffentlichkeit nun aber für besonders viel Kritik gesorgt: Altgediente dänische Minister und Parlamentsabgeordnete können einen Teil ihrer Altersversorgung auch in Zukunft schon in Anspruch nehmen, sobald sie 60 Jahre alt sind.
2. Was ist der Grund für die Erhöhung des Renteneintrittsalters?
Auch in Dänemark altert die Bevölkerung. Die Geburtenrate ist ähnlich niedrig wie in Deutschland, die Lebenserwartung sogar etwas höher. Das heißt, dass die Zahl der Rentner im Verhältnis zu den Erwerbstätigen genauso zunimmt wie die durchschnittliche Dauer des Rentenbezugs. Was in Dänemark völlig anders ist als in Deutschland: Die meisten politischen Parteien haben sich 2006 darauf geeinigt, das Renteneintrittsalter mit Parlamentsbeschlüssen im Fünf-Jahres-Takt im selben Umfang zu erhöhen, mit dem die durchschnittliche Lebenserwartung steigt – und dieser überparteiliche Kompromiss hält erstaunlicherweise bis heute, während der „Nachhaltigkeitsfaktor“ in Deutschland ausgesetzt und das Renteneintrittsalter de facto gesenkt wurde. Nach den Berechnungen der dänischen Statistiker müsste das Renteneintrittsalter 2045 auf 71 Jahre und 2050 auf 72 Jahre erhöht werden. Darüber wird das Parlament in Kopenhagen, sofern die Regel grundsätzlich beibehalten wird, in fünf beziehungsweise zehn Jahren abstimmen. Für das Jahr 2100 wird den Dänen zurzeit ein Renteneintrittsalter von 77 Jahren prognostiziert.
3. Gibt es breite Zustimmung für die Anhebung des Renteneintrittsalters?
Unter den dänischen Parteien bisher ja. Nicht nur die drei Partner der links-bürgerlichen Regierungskoalition mit der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen haben in der vergangenen Woche geschlossen dafür gestimmt, sondern auch mehrere Oppositionsfraktionen, die politisch teils links, teils rechts von der Regierung stehen. In der dänischen Bevölkerung stößt die Reform dagegen nicht auf große Gegenliebe. In einer Umfrage äußerten vor Kurzem 67 Prozent der Befragten, dass es ihnen lieber wäre, wenn das Renteneintrittsalter nicht weiter steigen würde. Ministerpräsidentin Frederiksen vermeidet es, sich darauf festzulegen, dass die Sozialdemokraten auch in fünf Jahren wieder für eine Erhöhung des Rentenalters stimmen werden.
4. Wie unterscheidet sich das dänische vom deutschen Rentensystem?
Vom höheren Regeleintrittsalter abgesehen gibt es einige weitere wichtige Unterschiede. Die Grundrente („folkepension“) wird in Dänemark aus dem Steueraufkommen und nicht aus Beitragsmitteln bezahlt. Folgerichtig hat sie einen einheitlichen, vom früheren Arbeitseinkommen unabhängigen Satz von zurzeit umgerechnet 2081 Euro im Monat. Dieser Einheitssatz sinkt, wenn das Vermögen und andere Alterseinkünfte bestimmte Grenzwerte überschreiten – und auch, wenn man nicht allein, sondern in einer Partnerschaft lebt.
Neben dieser steuerfinanzierten Grundrente beziehen viele dänische Rentner weitere Alterseinkünfte, die mit Beiträgen finanziert werden; allein mit der Grundrente muss in Dänemark nicht einmal jeder Dritte auskommen. Alle Arbeiter und Angestellten sind dort nämlich dazu verpflichtet, während ihres Berufslebens gemeinsam mit ihren Arbeitgebern in zwei verschiedene Pensionskassen einzuzahlen; ein Drittel leistet dabei jeweils der Arbeitnehmer, zwei Drittel der Arbeitgeber. Die Höhe des ersten Beitrags richtet sich nach der Höhe des Bruttogehalts des Beschäftigten, die Höhe des zweiten nach der Arbeitszeit und dem Arbeitsverhältnis.
Noch eine Besonderheit: Die staatliche Pensionskasse ATP, die einen Teil dieser obligatorischen Rentenbeiträge verwaltet, legt das gesammelte dänische Altersvermögen unter anderem in Aktien am internationalen Finanzmarkt an. Das war in den vergangenen zehn Jahren ein sehr gutes Geschäft. Die durchschnittliche Rendite lag nach Berechnungen von ATP bei 9,6 Prozent im Jahr – obwohl es in diesem Zeitraum auch einige Jahre mit markanten Anlageverlusten gab.
5. Wann gehen die Dänen heute im Schnitt in Rente?
Das tatsächliche Renteneintrittsalter in Dänemark liegt dem Branchenverband F&P zufolge derzeit durchschnittlich bei 66,7 Jahren, es ist seit 2010 um dreieinhalb Jahre gestiegen. War in den 1990er-Jahren in Dänemark noch etwa jeder zweite Sechzigjährige in Rente, trifft das heute nur noch auf etwa jeden achten zu.
6. Wie viel Rente bekommen die Dänen im Schnitt?
Nimmt man die steuerfinanzierte Grundrente, die obligatorische beitragsfinanzierte Zusatzrente sowie freiwillige zusätzliche Formen der Altersvorsorge zusammen, kommen die dänischen Rentner im Durchschnitt auf umgerechnet 3500 Euro im Monat. Die Grundrente macht davon weniger als die Hälfte aus, weil viele nicht den oben genannten Einheitssatz bekommen. Das Rentenniveau insgesamt ist im Vergleich zu Deutschland sehr hoch, selbst unter Berücksichtigung der höheren Lebenshaltungskosten in Dänemark. Nach Berechnungen der Industrieländerorganisation OECD beträgt das durchschnittliche Einkommen dänischer Rentner etwa 73 Prozent ihres früheren Bruttoeinkommens, während es in Deutschland nur 44 Prozent sind. Dabei gibt die öffentliche Hand in Deutschland, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mehr für die Altersvorsorge aus als Dänemark. Dort zahlen sich die Renditen der Pensionskassen genauso aus wie die längeren Beitragszeiten.
7. Können sich in Dänemark Rentner etwas steuerfrei dazuverdienen, wie es in Deutschland geplant ist?
Ja. Umgerechnet 1756 Euro Arbeitseinkommen im Jahr sind für dänische Rentner steuerfrei – allerdings nur, solange sie von Privatleuten und nicht von Unternehmen beschäftigt werden.