Die Inflationsrate für Deutschland im Mai beträgt 2,1 Prozent. Das hat das Statistische Bundesamt am Freitag aufgrund einer ersten Schätzung mitgeteilt. Im April hatte die Rate ebenfalls bei 2,1 Prozent gelegen, nach 2,2 Prozent im März. Während die Energiepreise auf Jahressicht rückläufig gewesen sind, haben sich Dienstleistungen, aber auch Nahrungsmittel überdurchschnittlich verteuert.
Die Entwicklung wird auch deshalb aufmerksam verfolgt, weil die Europäische Zentralbank (EZB) in der kommenden Woche über die Leitzinsen entscheiden will. In mehreren Euroländern waren die Inflationsraten im Mai zurückgegangen. In Frankreich sank die Rate auf 0,7 Prozent, den niedrigsten Stand seit Februar 2021. In Spanien und Italien fiel die Rate auf 1,9 Prozent.
Der EZB-Rat hat sich noch nicht festgelegt, was er macht, und auf die Datenabhängigkeit der Entscheidung verwiesen. An den Finanzmärkten wird überwiegend eine weitere Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte erwartet. Es gibt allerdings auch Stimmen, die angesichts der Unberechenbarkeit der Zollpolitik Donald Trumps zu Vorsicht raten.
Obst teurer, Gemüse günstiger
Was genau alles teurer und billiger wird, lassen die Daten für Nordrhein-Westfalen erahnen, die schon detaillierter vorliegen und meistens vergleichsweise repräsentativ für Deutschland sind.
Obst verteuerte sich demnach auf Jahressicht um 8,6 Prozent. Gemüse hingegen wurde 1,1 Prozent günstiger. Fleisch verteuerte sich um 2,3 Prozent. Molkereiprodukte und Eier stiegen 5,0 Prozent im Preis, Speisefette 5,3 Prozent. Alkoholfreie Getränke wurden 8,9 Prozent teurer, alkoholische Getränke 2,6 Prozent und Tabakwaren 5,9 Prozent.
Deutlich günstiger wurde gegenüber dem Vorjahresmonat Heizöl, der Preis sank um 9,8 Prozent. Erdgas verbilligte sich um 1,5 Prozent und Fernwärme um 5,9 Prozent. Benzin sank 6,7 Prozent im Preis, Diesel 4,6 Prozent. Strom dagegen wurde 2,0 Prozent teurer.
Unter den Dienstleistungen verteuerten sich Versicherungen um 9,2 Prozent und Dienstleistungen sozialer Einrichtungen um 5,5 Prozent. Essengehen im Restaurant wurde 4,6 Prozent teurer, Übernachten im Hotel 13,8 Prozent. Pauschalreisen stiegen 2,4 Prozent im Preis. Die Nettokaltmieten legten im Schnitt um 2,4 Prozent zu.
Trump-Folgen für die Inflation
Sehr aufmerksam wird in der EZB im Moment beobachtet, welche Folgen die Zollpolitik Donald Trumps auf die Inflation hierzulande hat. Sehr schnell reagiert haben der Wechselkurs des Dollars zum Euro und der Ölpreis. Beides wirkt im Moment hierzulande inflationsdämpfend, unter anderem über die Preise für Haushaltsenergie und Kraftstoff.
Philip Lane, der Chefvolkswirt der EZB, rechnet für die nächste Monate für den Euroraum mit Inflationsraten in der Nähe des EZB-Ziels von zwei Prozent. „Im mittelfristigen Zeitraum könnten die Auswirkungen der US-Zölle spürbar werden, auch über den Wechselkurs und die Energiepreise“, sagte Lane im Interview mit der F.A.Z.
Das schwächere Wirtschaftswachstum spricht wohl eher für niedrige Inflationsraten. Auch eine Umlenkung von günstigen Warenlieferungen aus China, die nicht mehr in die USA gehen, sondern in den Euroraum, könnte hierzulande inflationsdämpfend wirken. Ein Risiko steigender Preise besteht zunächst wohl vor allem in möglichen Gegenzöllen der EU.
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hat bislang am deutlichsten nach oben gerichtete Inflationsrisiken angesprochen. „Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Inflationsprognosen in Zeiten großer struktureller Schocks mit hoher Unsicherheit behaftet sind“, sagte die Ökonomin. Eine Kraft, die treibende Auswirkungen auf die Inflation haben könnte, seien beispielsweise die zusätzlichen Staatsausgaben für Verteidigung in Deutschland und anderen Ländern. Die zweite Kraft sei die globale Fragmentierung. Zum jetzigen Zeitpunkt seien Ausmaß und Umfang der Zölle, das Ausmaß der Vergeltungsmaßnahmen sowie die Reaktion der Finanzmärkte auf diese Entwicklungen noch höchst ungewiss. Schnabel plädiert deshalb für eine Geldpolitik der „ruhigen Hand“.
Goldman Sachs erwartet niedrigere Zinsen
ING-Ökonom Carsten Brzeski jedenfalls ist überzeugt, dass die EZB in der kommenden Woche die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte senkt. Das sei „eine beschlossene Sache“, meint er. Die Investmentbank Goldman Sachs schreibt in einem Marktbericht, angesichts der wachstums- und inflationsdämpfenden Effekte der Trump-Zölle rechne sie damit, dass die EZB in den weiteren Zinssitzungen die Leitzinsen sogar weiter als bislang erwartet senken werde.