Wie Trump seine Zoll-Pfeile doch noch abschießen kann

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Der Kampf um die Zölle des amerikanischen Präsidenten werden an einer neuen Front ausgetragen: vor Amerikas Gerichten. Am Mittwochabend hatte das Handelsgericht Court of international Trade geurteilt, dass Donald Trumps Zölle, die er an dem von ihm so deklarierten „Liberation Day“ des 2. Aprils auf Importe nahezu sämtlicher Handelspartner verhängt hatte, ungültig sind, weil der Präsident nach einmütiger Auffassung der drei Richter seine Befugnisse überschritten hat. Die US-Regierung ging unmittelbar in Berufung gegen die Entscheidung. Ein Bundesberufungsgericht hat darauf eine kurze „administrative Aussetzung“ verfügt.

Was bedeutet die jüngste Gerichtsentscheidung?

Nachdem der Court of international Trade entschieden hat, dass das Notstandsgesetz International Emergency Economic Powers Act von 1977 dem Präsidenten nicht das Recht gibt, eigenmächtig Zölle zu verhängen, muss nun ein Berufungsgericht entscheiden. Die in einem ersten Schritt verhängte „administrative Aussetzung“ ist keine unbefristete Aussetzung. Vielmehr handelt es sich um eine kurze vorübergehende Blockade, die verhängt wird, während die Frage geklärt wird, ob eine dauerhaftere Aussetzung bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens erfolgen sollte. Das strebt die Trump-Regierung an. Die Kläger wollen dagegen vorgehen. Prozessbeteiligte gehen davon aus, dass das Berufungsverfahren ohnehin nicht länger als zwei bis drei Wochen dauert. Viele deutet darauf hin, dass der Fall vor dem Supreme Court endet.

Darf Trump jetzt erst mal keine neuen Zölle verhängen?

Doch. Der Präsident hat eine Reihe von rechtlichen Möglichkeiten zur Verhängung neuer Zölle. Von der Gerichtsentscheidung des Handelsgerichts unberührt sind zum Beispiel Zölle auf Importe von Autos, Aluminium und Stahl. In der Pipeline des Weißen Hauses stecken Pläne für Zölle auf Medikamente und Halbleiter. Die Rechtsgrundlage der meisten dieser Zölle ist Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962. Dieser erlaubt es dem Präsidenten, Importe zu begrenzen oder zu belasten, wenn sie als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen werden. Aus Trumps Sicht, hat diese Vorschrift aber den Nachteil, dass sie ein langes Verfahren voraussetzt, in dem die Bedrohung analysiert wird und potenziell betroffene Parteien angehört werden. Das kann sich über Monate hinziehen und ist damit weniger geeignet für Trumps Verhandlungsmethoden.

DSGVO Platzhalter

Aber er hat Alternativen: In Kraft sind noch Zölle gegen Importe aus China aus Trumps erster Amtszeit. Sie folgen dem Abschnitt 301 des Trade Act of 1974 zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken anderer Länder. Trump könnte auch auf diese Vorschrift zurückgreifen, die allerdings auch wegen langer Verfahrensdauer nicht so geeignet für den von ihm bevorzugten Zollpoker ist.

Eine andere Option liefert Abschnitt 122 des Handelsgesetzes von 1974. Sie erlaubt dem Präsidenten ohne langes Verfahren Einfuhren mit bis zu 15 Prozent Zollaufschlag zu belasten, hat aber einen Nachteil. Nach 150 Tagen muss der Kongress entscheiden, ob er die Zölle aufrecht erhalten will. Eine im Weißen Haus offenbar diskutierte Variante ist es, mit dieser Vorschrift Zeit zu kaufen, um danach auf der Rechtsgrundlage der aufwendigeren Zollvorschriften Zölle zu verhängen.

Haben die Gerichtsentscheidungen Einfluss auf die Handelsgespräche der USA mit der EU und anderen Handelspartnern?

Die einen sag so, die anderen sagen so. Im Antrag auf eine einstweilige Aussetzung der Entscheidung des internationalen Handelsgerichts argumentiert die Regierung, dass das Urteil „die laufenden Verhandlungen mit Dutzenden von Ländern gefährdet, indem es den Handlungsspielraum des Präsidenten stark einschränkt und die Grundlage der laufenden Verhandlungen untergräbt“.

Öffentlich beeilen sich Vertreter des Weißen Hauses wie Trumps oberster Wirtschaftsberater Kevin Hassett aber, die Botschaft zu verbreiten, dass sich im Grunde nichts verändert habe und drei Abkommen kurz vorm Abschluss stünden. Positive Wasserstandsmeldungen über unmittelbar bevorstehende Vereinbarungen lanciert das Weiße Haus schon seit Wochen, ohne dass sie sich materialisiert hätten.

Unterdessen musste Finanzminister Scott Bessent am Donnerstag einräumen, dass die Verhandlungen mit China ins Stocken geraten sind nach dem vom Weißen Haus zelebrierten „Deal“ von Genf vor knapp drei Wochen. Trump selbst legte am Freitag nach mit der Aussage, dass China Verabredungen gebrochen habe. Klar wird überdies, dass Trumps Plan, vielen weniger wichtigen Ländern einfach ohne Verhandlungen Zölle zu oktroyieren, so nicht funktioniert.

Was sagt die Börse?

Die Zeichen sind eindeutig: Jedes Mal, wenn Trump Zölle verhängte oder androhte, sackten die Aktienkurse. Jedes Mal, wenn sich Entspannung in den großen Handelskonflikten zeigten, kletterten die Kurse steil nach oben. Anleger mögen Trumps Zölle nicht.

Inzwischen macht nach Darstellung der Financial Times unter Börsenhändlern die Abkürzung „TACO“ die Runde. Sie steht für „Trump always chickens out“, was frei übersetzt heißt: „Trump zieht immer den Schwanz ein“. Das bedeutet, dass der Präsident bei starken Reaktionen der Verhandlungspartner oder der Kapitalmärkte schnell nachgibt. Den Präsidenten, der sich selbst als Meisterverhandler sieht, treibt diese Darstellung zur Weißglut, wie ein Auftritt in einem Pressegespräch belegte.

Wie tief geht der Konflikt zwischen Trump und den Gerichten?

Sehr tief. Es geht dabei um die Grundsatzfrage der Gewaltenteilung in den USA zwischen der Legislative, verkörpert durch den Kongress, der Exekutive mit Trump an der Spitze und der Rechtsprechung. Das Weiße Haus hat seit einigen Wochen die Attacken gegen Richter verschärft, die verschiedene Dekrete des Präsidenten gestoppt oder gebremst haben.

Am Donnerstag veröffentlichte Trump einen wüsten Angriff auf die drei Handelsrichter, von denen einer von ihm selbst bestellt worden war. Es sei unglaublich, dass sie gegen die USA geurteilt hätten. Hat der Hass auf Trump sie bewogen, fragte Trump auf seinem Sprachrohr Truth Social. Er rechnete auch mit der konservativen Federalist Society ab, auf deren Rat hin er viele konservative Richter bestellt hatte. Jetzt offenbart sich, dass sie nicht so willfährig sind, wie er erwartet hatte.