Der Waschbär aus Nordamerika, die Herkulesstaude aus dem Kaukasus und der Asiatische Marienkäfer haben sich hierzulande ausgebreitet. Begünstigt durch den Klimawandel, Tourismus und die veränderte Landnutzung konkurrieren sie wie Hunderte andere Spezies mit angestammten Arten und gelten deshalb in Fachkreisen als gebietsfremd oder „invasiv“. Biodiversität geht durch sie oft verloren. Außerdem können sie der Landwirtschaft und der Gesundheit schaden – und der Weltwirtschaft: und zwar mehr als bisher angenommen, wie eine Studie in „Nature Ecology & Evolution“ nun gezeigt hat.
Um den globalen ökonomischen Schaden zu modellieren, verwendete das internationale Forscherteam die schon in früheren Schätzungen genutzte InvaCost-Datenbank, die die globalen Kosten invasiver Arten von 1960 bis 2022 dokumentiert hat. Die Forscher kombinierten zunächst die geschätzten nationalen Kosten für 162 invasive Spezies mit Modellen, die zeigen, wo diese Pflanzen und Tiere verbreitet sind. Anschließend rechneten die Wissenschaftler um Ismael Soto von der Südböhmischen Universität Budweis in Tschechien die wirtschaftlichen Kosten auf mehr als 80 Länder hoch, für die bislang keine entsprechenden Daten vorlagen. Dabei bezogen sie auch Faktoren wie die Agrarfläche und die Zahl der Bewohner in der jeweiligen Region mit ein.
Tausendfach höhere Kosten
Das Ergebnis: Die globalen Gesamtkosten durch invasive Pflanzen- und Tierarten lagen in den vergangenen sechzig Jahren bei geschätzten 35 Milliarden Euro jährlich. Das macht insgesamt rund zwei Billionen Euro Kosten – was etwa 1600-fach höher liegt als bisher angenommen. Die Kosten sind damit vergleichbar mit den Summen, die nach extremen Naturkatastrophen angefallen sind.
Wirtschaftlich am stärksten betroffen ist den Forschern zufolge Europa. Rund 70 Prozent der weltweiten Kosten durch „biologische Invasionen“ würden in diese Region fallen – gefolgt von Nordamerika und Asien. Kosten-Hotspots gibt es in überwiegend dicht besiedelten urbanen Gebieten in Europa sowie an der Ostküste Chinas und der Ost- und Westküste der USA. In diesen Gebieten verursachten invasive Arten auf jedem Quadratmeter im Schnitt bis zu 50 Euro Kosten.
Aber welche der gebietsfremden Pflanzen- und Tierarten schaden am meisten? Invasive Pflanzenspezies wie der Schmetterlingsflieder und die Wasserhyazinthe wurden in der Studie als insgesamt stärkste Kostenverursacher identifiziert – sowohl durch die Schäden, die sie angerichtet hatten als auch durch die Maßnahmen, die zur Bekämpfung gegen sie unternommen werden mussten. Sie sollen in den vergangenen 60 Jahren rund 800 Milliarden Euro an Schadenssummen verursacht haben. Als Nächstes folgen Gliederfüßer – „Schädlinge“ – mit 730 Milliarden Euro und nichtheimische Säugetiere mit 200 Milliarden Euro.
Das kostspielige Wildschwein
Die Forscher um Soto betrachteten außerdem die Auswirkungen einzelner Arten. Demnach soll das Wildschwein durch seine Verheerungen auf Agrarflächen besonders kostspielig sein. Im Schnitt fallen in den betroffenen Flächen hundert Euro Folgekosten pro Quadratkilometer an. Für eine andere invasive Art musste viel Geld zur Bekämpfung ausgegeben werden: Der Japanische Staudenknöterich kostete im Schnitt zehn Euro pro Quadratkilometer.
Die Schätzungen des internationalen Forscherteams enthalten allerdings durchaus Schwächen. Besonders wichtig: Datenlücken. Die Studie berücksichtigt nur 162 der 3500 bekannten gebietsfremden Arten. Für 120 davon sind die Verursacherkosten aus lediglich einem Land bekannt. Die Kosten einer Region wie im Modell auf ein anderes Land zu übertragen, verzerrt die Ergebnisse zusätzlich.
„Unbestreitbar bleibt jedoch die Aussage“, meint der Ökologe Bernd Lenzner von der Universität Wien laut Science Media Center, „dass invasive gebietsfremde Arten erhebliche Kosten verursachen, die wir derzeit nur unvollständig abbilden können.“