Bürgerforschungsprojekt: Apfelbäume blühen immer früher

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Stand: 01.06.2025 11:20 Uhr

Es ist ein besonderes Forschungsprojekt: Seit zwei Jahrzehnten beobachten Bürger, wann die Apfelbäume in ihrer Region blühen. An den Daten lassen sich gut die Veränderungen des Klimas zeigen.

Von Uwe Gradwohl, Richard Kraft und Lilly Zerbst, SWR

Seit 20 Jahren steht der Frühling in Deutschland unter besonderer Beobachtung. Die Wissenschaftsredaktion im SWR hatte nämlich im Jahr 2006 zum ersten Mal dazu aufgerufen, im Frühjahr zu beobachten, wann sich die ersten Apfelblüten öffnen und dies an die Redaktion zu melden.

Seitdem wurde dieser Aufruf in jedem Frühjahr wiederholt. Bürgerinnen und Bürger gingen dann in ihre Gärten, auf die Streuobstwiesen und zu den Apfelplantagen, schauten nach dem Zustand der Apfelblüten und lieferten per Fragebogen im Internet Daten an die Redaktion. Ein Bürgerforschungsprojekt, auch Citizen Science genannt, das nun seit zwei Jahrzehnten läuft und damit das älteste Projekt dieser Art in Deutschland ist.

Aus dem Datenschatz der 20 Apfelblütenjahre lässt sich ablesen, wie sich der Zeitpunkt des Blühbeginns der Apfelbäume in Deutschland verändert.

Auch 2025 blühten Apfelbäume vergleichsweise früh

Die knapp 1.800 Apfelblütenmeldungen, die in diesem Frühjahr übermittelt wurden, zeigen: Die Apfelblüte in Deutschland begann in diesem Jahr am 4. April entlang des Rheins. Das war etwas später als im Vorjahr, aber der Frühling 2025 ist im Vergleich aller 20 Jahre, in denen die Aktion bislang durchgeführt wurde, immer noch ein früher Apfelblütenfrühling.

Nimmt man alle ca. 50.000 Apfelblütenmeldungen, die seit dem Jahr 2006 gesammelt wurden, zusammen, so wird ein Trend deutlich und der lautet: Pro Jahrzehnt blühen die Apfelbäume um sechs Tage früher. Und es ist davon auszugehen, dass der Trend zur Verfrühung der Apfelblüte anhält. Die Apfelblüte könnte also im Westen und Südwesten Deutschlands in 20 Jahren häufiger bereits im letzten Märzdrittel beginnen.

Klimatische Veränderungen lassen sich gut an der Apfelblüte erkennen

Am Zeitpunkt der Blüte der Apfelbäume lässt sich über die Jahre gut die Veränderung des Klimas festmachen: “Die Apfelblüte steht im phänologischen Jahresgang – also den Entwicklungsphasen der Vegetation über das Jahr hinweg – für den Beginn des Vollfrühlings. Die blühenden Apfelbäume sind dabei ein gut sichtbares Zeichen für diese Vegetationsphase, deren Blühbeginn stark vom bisherigen Temperaturverlauf des Jahres abhängig”, erklärt Alexander Siegmund, der die Daten der Apfelblütenaktion am Institut für Geographie und Geokommunikation in Heidelberg ausgewertet hat.

Dort blickt man besorgt auf die erhobenen Daten. “Das wird dann zum Problem, wenn während der Apfelblüte ein durchaus auch in Zeiten des Klimawandels üblicher Kaltluftvorstoß nochmals auftritt und die Blüten daher erfrieren, mit entsprechenden Ernteeinbußen. Oder aber, wenn die Insekten, die für die Bestäubung der Blüten wichtig sind, im Frühjahr noch nicht so früh fliegen, wie die Apfelbäume blühen”, betont Siegmund.

Spätfrost schadet immer früherer Apfelblüte

Zwar kommt der letzte Frosttag auch immer früher im Jahr, meint Hans Schipper, Leiter des Süddeutschen Klimabüros, doch das Risiko eines Frosttages nach Blühbeginn steigt ihm zufolge trotzdem. “Der Blühbeginn des Apfelbaums verschiebt sich durch die zunehmende Wärme jedoch stärker zum Beginn des Jahres, wodurch die Wahrscheinlichkeit größer wird, dass nach Blühbeginn noch ein Frosttag auftritt und die Blüten erfrieren.”

Das Problem ist: Gegen Frost gebe es kaum Anpassungsmaßnahmen, meint Manfred Büchele, Geschäftsführer der Stiftung Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee. “Wirksamstes Mittel ist die Beregnung, um die Gefrierwärme als Heizung zu nutzen. Dies ist in Norddeutschland häufiger, weil ausreichend Zugang zu Frischwasser besteht. Immerhin braucht man in einer einzigen Frostnacht auf einen Hektar 400 Kubikmeter Wasser entsprechend einem Regen von 40 Liter je Quadratmeter. Das ist schon ein kräftiger langer Regen. So viel Wasser steht häufig nicht zur Verfügung.”

Klimawandel begünstigt trockene Böden und Schädlingsbefall von Apfelbäumen

Hans Schipper betont außerdem, dass neben Frostschäden die zunehmende Trockenheit der Böden die Apfelbäume unter Stress setzt. “Neben ausreichend Wärme benötigt der Apfelbaum vor allem im Frühjahr ausreichend Wasser. Die Niederschlagstrends für die nächsten Jahrzehnte zeigen jedoch ein immer trockeneres Frühjahr oder zumindest ein Frühjahr mit längeren Trockenperioden.”

Durch trockenere Böden verschlechtere sich zum einen der Ertrag, zum anderen seien die Bäume anfälliger für Insektenbefall und Krankheiten, was sie zusätzlich schwäche. Die verfrühte Apfelblüte hat, laut Schipper, zusätzlich noch Auswirkungen auf die umliegenden Ökosysteme.

“Der Klimawandel wird aber zum Beispiel dafür sorgen, dass die Bestäubung nicht mehr so gut klappt. Einige Arten werden aus bestimmten Gebieten verschwinden. Oder es wird in einigen Regionen nicht mehr so gut zusammenpassen, dass Bestäuber aktiv sind und Blüten bestäuben.”

Apfelblüte jetzt in Skandinavien

Mitte Mai hat die Apfelblüte Deutschland verlassen – auch in Nordfriesland und in Vorpommern ist die Apfelblüte inzwischen zu Ende. Sicher zu finden sind blühende Apfelbäume jetzt in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland. Auch von dort erreichen die ARD-Wissenschaftsredaktion noch vereinzelt Apfelblütenmeldungen. Wie die Blüte in diesem Jahr in Deutschland verlaufen ist, das zeigen der Apfelblüten-Liveticker und die Apfelblütenlandkarten, die von einem Team von Geographen an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg erstellt wurden. Zu sehen sind die auf der Internetseite der Apfelblütenaktion.