Die beharrlich steigende Arbeitslosigkeit treibt die Bundesagentur für Arbeit (BA) so tief in die roten Zahlen, dass sie ihre Aufgaben nur noch mit einer Finanzspitze der Bundesregierung erfüllen kann. Selbst wenn die Arbeitslosenkasse neben dem Einsatz von Beitragseinnahmen auch ihre Finanzreserve vollständig auflöst, bleiben sonst allein in diesem Jahr Zahlungsverpflichtungen von mehr als zwei Milliarden Euro ungedeckt. Das ergibt sich aus einem Finanzbericht, den die BA dem Haushaltsausschuss des Bundestags vor dessen Sitzung am Mittwoch übermittelt hat. Das Papier liegt der F.A.Z. vor.
„Das Defizit könnte von ursprünglich erwarteten 1,33 Milliarden Euro auf 5,27 Milliarden Euro ansteigen“, schreibt die BA in dem Bericht. „Damit würde nicht nur die Rücklage der BA in Höhe von rund 3,2 Milliarden Euro vollständig aufgebraucht werden, sondern es wären zusätzlich Liquiditätshilfen des Bundes in Form von Darlehen in Höhe von knapp 2,35 Milliarden Euro erforderlich, um den Haushalt ausgleichen zu können.“
Theoretisch könnte die Regierung zwar stattdessen auch den Beitragssatz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhöhen, der derzeit 2,6 Prozent des Bruttolohns beträgt. Dies liefe aber Bemühungen zuwider, etwas gegen den Anstieg der Sozialbeiträge zu tun. Nach den jüngsten Anhebungen der Krankenkassen- und Pflegebeiträge haben diese mit rund 42 Prozent schon einen historischen Höchststand erreicht. Auch BA-Chefin Andrea Nahles hatte sich vergangene Woche in ihrer monatlichen Arbeitsmarktpressekonferenz gegen eine Beitragserhöhung ausgesprochen. Nahles will dem Haushaltsausschuss am Mittwoch die Lage persönlich erläutern.
Fast ein historischer Einschnitt
Allerdings ist es auch schon ein fast historischer Einschnitt, dass die Bundesagentur im Normalbetrieb Finanzhilfen des Bundes braucht. Mit Ausnahme der Corona-Krise, als sich der Bund an den Kosten des Kurzarbeitergelds für zeitweilig sechs Millionen Kurzarbeiter beteiligte, hat die BA ihre Ausgaben seit der Finanz- und Wirtschaftskrise vor 15 Jahren ohne Steuerzuschüsse gedeckt.
In ihrem aktuellen Bericht verwendet die Behörde jedoch den Begriff „Darlehen“, nicht „Zuschüsse“ für die nun benötigte Finanzhilfe. Dies ist insofern bemerkenswert, als es eigentlich nahelegt, dass die Beitragskasse dieses Geld später zurückzahlt. Allerdings wäre dies auf Basis der von der BA mitgelieferten finanziellen Vorausschau auf Jahre hinaus gar nicht möglich, ohne dafür den Beitragssatz doch zu erhöhen. Denn für 2026 bis 2029 rechnet sie weiterhin mit Defiziten. Sie kann also kein Geld zurückzahlen, da ihre Beitragseinnahmen schon nicht ausreichen, um die laufenden Ausgaben zu decken. Stattdessen braucht sie noch weitere Bundeshilfen, die sich der Prognose zufolge bis 2029 auf 11,9 Milliarden Euro summieren.
Dass politisch dennoch der Weg über Darlehen angestrebt wird, hat wohl diesen Hintergrund: Einen Zuschuss müsste der Bund aus seinen laufenden Einnahmen bezahlen. Für ein Darlehen an die Arbeitslosenversicherung könnte er indes womöglich weitere Schulden aufnehmen und dann den Standpunkt einnehmen, dass dies wegen der erhofften Rückzahlung eine „finanzielle Transaktion“ sei, die nicht mit der Schuldenbremse im Grundgesetz kollidiert.