Ökonom Stanley Fischer mit 81 Jahren verstorben

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Stanley Fischer, ehemaliger Chef der israelischen Zentralbank, Vizechef der amerikanischen Federal Reserve, Vizechef des Internationalen Währungsfonds, Chefökonom der Weltbank, Bankvorstand und herausragender Wirtschaftswissenschaftler, ist am Samstag im Alter von 81 Jahren gestorben. Jede einzelne Rolle, die Fischer im Laufe seines hochproduktiven Lebens bekleidete, wäre für gewöhnliche Ökonomen die Krönung ihrer Karriere gewesen.

Als Professor am Massachusetts Insti­tute of Technologie (MIT) begründete er die Denkschule der neuen keynesianischen Makroökonomie mit der einfach klingenden Idee, dass Preise und Löhne manchmal zäher und unflexibler sind, als es rationales Verhalten der Wirtschaftsakteure erwarten lassen würde. Hier fanden Zentralbanken einen Ansatzpunkt, mit Interventionen die Wirtschaft in gewünschte Bahnen zu lenken. In fast allen Zentralbanken fußen geldpolitische Entscheidungen heute auf neukeynesianischen Modellen. Als Doktorvater und Lehrer einflussreicher Ökonomen wie Ben Bernanke, Olivier Blanchard, Mario Draghi und Greg Mankiw prägte er die Disziplin.

Ganz reibungslos verlief die Karriere nicht

Der „Dornbusch/Fischer“, den er zusammen mit Rudi Dornbusch verfasst hatte, war über lange Jahre das Standardwerk für Makroökonomie an Wirtschaftsfakultäten auf der ganzen Welt. Als Nummer zwei des Internationalen Währungsfonds (1994 bis 2001) trug er dazu bei, die sogenannte Asienkrise Ende der Neunzigerjahre einzudämmen. Nach einer Zwischenstation als stellvertretender Vorstandschef der Citigroup erreichte ihn der Ruf der israelischen Regierung. Er wurde im Jahr 2005 zum Chef der Zentralbank des Landes und prägte die Wirtschaftspolitik in der Phase der internationalen Finanzkrise. Kaum ein westliches Land überstand die Phase mit weniger Scharten. Spitzenvertreter von Regierung und Opposition überschütteten Fischer damals mit Lob für seine Leistung. Der Präsident des Landes, Isaac Herzog, würdigte ihn nun als „Weltklassefachmann, einen Mann von Integrität und mit einem Herzen aus Gold“.

Im Alter von 69 Jahren wurde Fischer Vizechef der Federal Reserve von 2014 bis 2017. Ganz reibungslos verlief diese Karrierephase nicht. Er befürwortete eine straffere Geldpolitik als die damalige Fed-Chefin Janet Yellen. Den Amtsantritt der ersten Trump-Regierung im Jahr 2017 sah er mit Besorgnis, weil er fürchtete, dass sie den Finanzsektor stark deregulieren würde und damit globale Instabilität auslösen könnte.

Fischer hatte sowohl die amerikanische als auch die israelische Staatsbürgerschaft. Geboren wurde Fischer im Jahr 1943 im britischen Protektorat Rhodesiens, das heute zu Sambia gehört. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus dem Baltikum und betrieben einen Dorfladen. Fischer begann seine akademische Karriere an der London School of Economics, wo er Abschlüsse in Ökonomie erlangte. Promoviert wurde er am MIT, wo er nach einer Zwischenstation in Chicago zum ordentlichen Professor wurde.