Wieso das Tier Beine, Augen und Gehirn nachwachsen lassen kann.

8

Als vor 161 Jahren die ersten lebenden Axolotl mit einer französischen Expedition nach Europa kamen, waren die Zoologen anfangs sicher: Dieser Schwanzlurch ist die Larve einer noch unbekannten Art. Alexander von Humboldt, der zuvor zwei präparierte Exemplare aus einem See in Mexiko mitbrachte, hatte die Amphibien, die später als Ambystoma mexicanum klassifiziert wurden, als neue Salamander im Larvenstadium deklariert. Hier irrte der Meister.

Fast schon treffender war da die Bezeichnung Axolotl. Es ist ein aztekisches Wort für „Wassergott“. Tatsächlich verfügt der Axolotl über die nahezu göttliche Gabe der ewigen Jugend. Zeit seines Lebens, das durchaus 25 Jahre währen kann, verharrt das Tier biologisch in einem frühen Entwicklungsstadium. Es kann wie Embryonen seinen Körper regelrecht regenerieren, was dazu führte, dass der Axolotl in Aquarien von Forschern und Terrarianern fortgepflanzt wurde und ihm nach Überzeugung von Regensburger und Jenaer Wissenschaftlern den Titel „Ältestes Labortier der Welt“ einbrachte.

Heute darf man sich angesichts der florierenden Langlebigkeitsmedizin fragen, warum es nicht längst auch das am meisten beforschte Tier ist. In seiner Heimat, in abgelegenen mexikanischen Seen, ist der Axolotl inzwischen vom Aussterben bedroht. Offenbar ist er extrem temperaturempfindlich. In den Aquarien jedoch gedeiht er bei guter Haltung prächtig – und sorgt dabei immer wieder für Staunen. Denn die Regenerationsfähigkeit der Schwanzlurche mit ihren larvenartig außenliegenden Kiemen grenzt an ein Wunder. Selbst komplexe Organe sind bei ihm erneuerbar. Verliert er die Gliedmaßen, wachsen sie nach. Verliert er das Auge – die Netzhaut bildet sich neu. Selbst das Gehirn des Axolotl ist zu großen Teilen regenerierbar.

So haben Forscher um Elly Tanaka vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien mithilfe gentechnischer Methoden gezeigt, wie sich Nervenzellen, deren Netze durchtrennt werden, im Zuge der Regeneration wiederfinden. Der entscheidende Trick der Forscher ist, die an der Gewebeerneuerung beteiligten Bausteine in den Zellen mit fluoreszierenden Molekülen sichtbar zu machen. Dazu bringt der Axolotl eine andere, günstige Eigenschaft von Natur aus mit: Seine Haut ist lange nahezu pigmentfrei, fast durchsichtig.

In der Zeitschrift „Nature“ hat das Forschungsteam um Tanaka nun anhand neuer Experimente beschrieben, was das Geheimnis der erneuerbaren Gliedmaßen ist. Es ist ein Zusammenspiel von Genen, Proteinen und einer Art GPS-System in den Zellen. Im ausgereiften Zustand hat jede Zelle ihre Position am Füßchen. Wird es amputiert, kommt im Stumpf eine Genkaskade in Gang. „Hand2-“ und „Shh“, zwei besonders wichtige Gene, sorgen offenbar dafür, dass unreife Bindegewebszellen im Stumpf sich teilen, neu programmiert werden und so nach und nach und im Zusammenspiel miteinander die Positionen der abgetrennten Zehen und Beinstrukturen einnehmen.

Ist die Regeneration abgeschlossen, „verstummen“ die beiden Gene wieder. Dass damit das ganze Regenerationswunder der Tiere – und die menschlichen Defizite in dieser Hinsicht – erklärt werden können, lässt sich allerdings kaum behaupten.