Kinder haben unter anderem das Recht auf eine nachhaltige Umwelt und das Recht auf Gesundheit. Doch Kinderärzte und Organisationen in Deutschland sehen diese Rechte durch den Klimawandel in Gefahr.
In der Kita “Wilde 13” in Landau (Rheinland-Pfalz) gibt es seit Kurzem auf dem Hof zwei Sonnensegel. Das klingt nicht spektakulär – Leiterin Martina Julier aber freut sich: “Das sind sehr, sehr gute Schattenspender.” Schon seit Längerem wird der Schutz vor Hitze und UV-Strahlung in der städtischen Kindertagesstätte ausgeweitet.
Wie in vielen anderen deutschen Städten gibt es im südpfälzischen Landau mittlerweile mehr Sommertage und mehr heiße Tage. Die Jahrestemperatur ist im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um 1,9 Grad angestiegen. Das zeigen Daten vom “Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz”.
Kinder leiden wegen Hitze
Kinder reagieren empfindlicher auf Hitze und auf UV-Strahlung als Erwachsene. Sie überhitzen schneller und trocknen schneller aus. Im Sommer gehen die Kinder der “Wilden 13” schon ab sieben Uhr morgens auf den Hof – am Vormittag gehen sie dann ins Gebäude rein und bleiben dort auch. Es gibt Planschbecken, um die Füße zu kühlen. Die Erzieherinnen und Erzieher schauen, dass die Kleinen genug trinken.
Konzepte, wie man Kinder vor Hitze und vor UV-Strahlung schützen kann – das fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) für alle Kitas und Schulen in Deutschland. Christof Wettach engagiert sich beim BVKJ. Der Kinderarzt hat zusammen mit Kolleginnen Forderungen rund ums Thema “Kinder und Klimakrise” aufgestellt. Da geht es nicht nur um die Anpassung an die Krise, sondern vor allem auch um ihr Eindämmen: “Die Kinder erwarten von uns, dass wir uns dafür einsetzen, dass sie gesund wachsen und fröhlich alt werden können”, sagt Wettach. “Und das geht nur mit frischer Luft, sauberem Wasser, giftfreien Böden, erträglichen Temperaturen und einem friedlichen Miteinander.” Doch all das sei in Gefahr, sagt der Kinderarzt.
Krankheiten, Bewegung und Angst
Was passiert, wenn wir Erwachsenen so weiter machen wie bisher? Also weiter Öl und Gas verbrennen und damit die Klimakrise weiter anheizen? “Es wird auf Dauer deutlich mehr Allergien geben”, sagt Wettach. “Wenn es heißer wird, werden sich die Kinder weniger bewegen. Wir werden also noch mehr übergewichtige Kinder auf Dauer kriegen.” Außerdem nennt der Kinderarzt Tropenkrankheiten, die nach und nach auch in Deutschland auftauchen. Mentale Belastungen, die zunehmen, wie zum Beispiel Klimaangst. Kinder mit ADHS, die mehr Probleme kriegen, weil sie sich an Hitzetagen noch schlechter konzentrieren können.
Bei dieser Auflistung müssen viele, die Kinder oder Enkelkinder haben, vielleicht tief durchatmen. Kinderarzt Wettach warnt aber davor zu resignieren. Stattdessen müssten wir alle gemeinsam die Treibhausgasemissionen schnell senken. “Dann kann auch eine gewisse Zukunftsfreude aufkommen, dass die Kinder unter Umständen sogar auf einer viel sauberen, viel besseren Erde leben können als wir es jetzt tun. Aber nur, wenn wir jetzt relativ schnell ins Handeln kommen.”
Kinderschutzbund: Recht auf gesundes Aufwachsen bedroht
Stärker Handeln und die Kinder in Deutschland vor der Klimakrise schützen – das will auch der Kinderschutzbund. Der Verein ist deutschlandweit aktiv, kümmert sich zum Beispiel um Trennungskinder, um die Themen Gewalt in Familien und Armut. Mitte Mai hat der Kinderschutzbund beschlossen, sich auch stärker beim Klimaschutz zu engagieren.
Die Klimakrise bedrohe die Rechte der Kinder – zum Beispiel das Recht auf gesundes Aufwachsen, auf eine gesunde Umwelt, auf gleiche Chancen. Joachim Türk, Vizepräsident vom Kinderschutzbund, setzt sich dafür ein, die Klimapolitik an den Interessen der Kinder und nicht an den Interessen der Rentner auszurichten: “Die Rentner sind viel mehr, und die Rentner dürfen wählen. Aber ich hätte gerne, dass man die Politik insgesamt, aber besonders die Klimapolitik, daran ausrichtet, was auf die Kinder wartet in zehn, 15 Jahren. Dann sähe die Politik völlig anders aus.”
Forderung: Kinder besser über Klimawandel informieren
Auch Türk vom Kinderschutzbund fordert, die Treibhausgas-Emissionen zügig zu senken. Und, dass das Recht der Kinder auf Bildung umgesetzt wird: Sie sollten besser über die Klimakrise informiert werden. “Die brauchen eine ehrliche Information. Sonst landen sie bei TikTok und geraten dann in nicht-demokratische Kreise, die möglicherweise sagen, es gibt gar keinen Klimawandel”, sagt Türk. “Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.”
Kinder über den Klimawandel aufzuklären, habe aber nichts mit Indoktrination zu tun, sagt Türk – sondern mit vorausschauendem Handeln.