Wie Alexander Dobrindt trotz Gerichtsentscheidung an Zurückweisung festhält

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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will an den Zurückweisungen von Asylsuchenden an der deutschen Grenze festhalten. Er äußerte sich am Montagabend zu einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, das die Zurückweisung dreier Asylsuchender bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet für rechtswidrig erklärt. Dobrindt sprach von einem Einzelfallbeschluss, der nichts an der Praxis an den deutschen Grenzen ändern werde. Deutschland halte an den Zurückweisungen fest, sagte er.

Außerdem bleibe man bei der derzeitigen Rechtsaufassung. Allerdings gehe aus dem Beschluss hervor, dass die Begründung für das deutsche Vorgehen „dezidierter“ sein könnte, und dieser Forderung werde man nachkommen. Das Bundesinnenministerium strebe im Übrigen das Hauptsacheverfahren an.

Berliner Verwaltungsgericht gibt drei Somaliern recht

Das Berliner Gericht hatte am Montag drei Somaliern vorläufig recht gegeben, die Anfang Mai an der deutsch-polnischen Grenze Asyl beantragten und zurückgewiesen wurden. In einer Mitteilung der 6. Kammer heißt es: Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußerten, dürften nicht zurückgewiesen werden, ohne dass zuvor das Dublin-Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates durchgeführt werde. Das sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Zurückweisungen waren aus Sicht der Richter deshalb rechtswidrig.

Die drei somalischen Antragsteller, zwei Männer und eine Frau, waren mit dem Zug aus Polen an die deutsche Grenze in Frankfurt (Oder) gekommen. Dort wurden sie von der Bundespolizei kontrolliert und nach Äußerung eines Asylgesuchs nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete das Vorgehen damit, dass die drei Personen aus einem sicheren Drittstaat einreisten. Die Antragsteller zogen daraufhin vor das Verwaltungsgericht.

Die Richter entschieden, dass sich Deutschland nicht auf eine Notlage berufen konnte, um die Dublin-Verordnung außer Kraft zu setzen. Insbesondere könne Deutschland die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützen. Dafür fehle es schon „an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“.

Die Antragsteller könnten ihrerseits allerdings nicht verlangen, in das Bundesgebiet einzureisen. Schließlich könne das Dublin-Verfahren auch an der Grenze durchgeführt werden.

„Illegale Migration steuern und Grenzen schützen“

Susanne Hierl, die Sprecherin der Unions-Fraktion für Recht und Verbraucherschutz, betonte am Montagabend den vorläufigen Charakter der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts. „Das waren Eilverfahren“, sagte sie auf einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltstages. Das Hauptsacheverfahren müsse man abwarten. Hierl sagte auch, dass man Europarecht nicht brechen wolle. Es gebe aber „gewichtige Stimmen“, die die Rechtslage anders sähen. Auf die Frage, wie es nun weitergehen soll, verwies Hierl darauf, dass die Entscheidungen sehr frisch seien. Dazu habe sie noch keine Antwort. Dass die Regierung den Zustand vor der Weisung wiederherstelle, könne sie sich aber nicht vorstellen.

Carmen Wegge, die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hob auf der Veranstaltung hervor, in den vergangenen Wochen „viele Fragen“ an Dobrindt gehabt zu haben. „Für uns ist unabdingbar, dass an der deutschen Grenze EU-Recht eingehalten wird“, sagte Wegge.

Grüne: Dobrindt soll Anweisung zurückziehen

Bundesinnenminister Dobrindt hatte im Mai – wenige Stunden nach seinem Amtsantritt – eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten.

Die Grünen forderten Dobrindt nun auf, angesichts der Gerichtsentscheidung „unverzüglich seine Anordnung zurückzuziehen“. „Das ist eine harte Niederlage für die Bundesregierung und sollte eine Mahnung sein, sich künftig an Recht und Gesetz zu halten und die eigenen Kompetenzen nicht wissentlich für populistische Zwecke zu überschreiten“, sagte die Parlamentsgeschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, der „Rheinischen Post“.

„Politische Konsequenzen“ von Dobrindt forderte am Montag auch die innenpolitische Sprecherin der Linken, Clara Bünger. Ein Minister, der bewusst Recht breche, sei untragbar.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sich in ihrer Skepsis bestätigt. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass die jetzt eingeführte Verfahrensweise, Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden, juristisch stark umstritten ist“, sagte der Vorsitzende des GdP-Bereichs Bundespolizei, Andreas Roßkopf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.