Autohersteller im Umbruch: VW treibt Stellenabbau voran

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Wenn sich die Volkswagen-Belegschaft in Wolfsburg zur Betriebsversammlung trifft, ist das immer eine Mischung aus Folklore, Klassenkampf und Debatte über die Geschäftszahlen. So auch am Dienstagvormittag. Vor der Halle 11 des VW-Stammwerks steht ein umgebauter Elektrobulli „ID Buzz“ bereit, aus dessen Laderaum Mitarbeiter Kaffee ausschenken. Drinnen gibt es die bekannte VW-Currywurst. Vor Weihnachten waren sich Betriebsrat und Management auf solchen Versammlungen sprichwörtlich an die Gurgel gegangen. Der Kampf um den Stellenabbau war allgegenwärtig. Und auch jetzt bestimmten die Einsparungen das Programm, wie Teilnehmer berichten.

Mehr als 35.000 Stellen soll die Volkswagen AG an deutschen Standorten bis zum Jahr 2030 abbauen, um wettbewerbsfähiger zu werden – etwa ein Viertel der Belegschaft. Das war die Vereinbarung, mit der das Management und die IG Metall im Dezember ihren großen Streit beendet hatten. Einen ersten Hinweis, wie VW auf dem Weg dorthin vorankommt, hatte Finanzvorstand Arno Antlitz kürzlich zur Vorlage der Zahlen für das erste Quartal geliefert. Seit Ende des Jahre 2023, dem Basisjahr für alle Berechnungen, sei die Zahl der aktiven Beschäftigten um 7000 reduziert worden. Allein 2000 Stellen seien im ersten Quartal des laufenden Jahres abgebaut worden, so der Manager.

VW-Personalvorstand sieht messbare Fortschritte

Auf der Betriebsversammlung in Halle 11 nennt Personalvorstand Gunnar Kilian jetzt weitere Zahlen. 20.000 Austritte aus dem Unternehmen seien schon „vertraglich fixiert“, sagt er in seiner Rede vor der Belegschaft am Dienstagvormittag. Soll heißen: Mit den Beschäftigten wurden verbindliche Vereinbarungen über ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen getroffen. Kilian spricht von „messbaren Fortschritten“ und einer beschleunigten Transformation. Selbst im Umfeld jener Manager, die eigentlich auf noch härtere Einschnitte gedrängt hatten, ist am Dienstag von einem guten Zwischenstand die Rede. Allerdings ist auch klar: um das Ziel bis zum Jahr 2030 zu erreichen, fehlen noch Verträge mit 15.000 weiteren Beschäftigten. Auch sie sollen mit Abfindungen gehen oder Instrumente wie Altersteilzeit nutzen. Zuletzt hatte VW die Angebote für Altersteilzeit auf den Geburtenjahrgang 1968 ausgeweitet Dem Vernehmen nach sollen bald auch Beschäftigte ein Angebot bekommen, die im Jahr 1969 geboren wurden.

Mit den Einsparungen will der Konzern vor allem seine chronisch renditeschwache Stammmarke VW stabilisieren. Im ersten Quartal war ihre Rendite wegen vieler Sondereffekte auf nur noch 0,5 Prozent gesunken. David Powels, Finanzvorstand der Marke, betont auf der Betriebsversammlung, dass die aktuellen Fahrzeuge von Kunden gut angenommen würden. Für Entwarnung gebe es aber keinen Grund: „Wir müssen an unseren strukturellen Problemen arbeiten, unter anderem: zu hohe Investitionen, zu geringe Renditen bei Elektrofahrzeugen und ein zu hoher Break-Even-Punkt“, sagt er in seiner Rede. Als „Break-Even“ wird die Schwelle bezeichnet, an der Kosten und Umsatzerlöse gleich hoch sind und von der an ein Unternehmen Gewinn machen kann. „Es gibt keinen Platz mehr für ‚geht nicht‘ – jede Stellschraube, die wir optimieren, bringt uns näher an unser Ziel“, sagt Powels in Halle 11.

Der Betriebsrat hatte den Einsparungen zugestimmt – unter der Prämisse, dass sie sozialverträglich sind und es keine Entlassungen gibt. Auch der Plan, in welche Fabrik fortan welche Autos gebaut werden sollen, tragen die Arbeitnehmervertreter mit. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, welche Probleme der Umbau mit sich bringt, etwa im Stammwerk Wolfsburg. Dort soll der unter sinkenden Absatzzahlen leidende Kompaktwagen Golf abgezogen und in das Werk in Mexiko verlagert werden. Für neue Auslastung sollen in einigen Jahren die elektrischen Varianten des Golfs und des kleinen SUV T-Roc sorgen. Doch in der Übergangszeit werden die Produktionszahlen am Standort deutlich zurückgehen.

„Zeitweise Vier-Tage-Woche kein abwegiges Szenario“

Betriebsratschefin Daniela Cavallo sagt, dass die Lage schnell sehr schwierig werden kann. „Ab 2027 ist hier die zeitweise Vier-Tage-Woche kein abwegiges Szenario“, sagt sie in ihrer Rede auf der Betriebsversammlung im Stammwerk. Wenn dann „streckenweise“ nur 28 statt 35 Stunden in der Woche gearbeitet werde, müsse die Belegschaft alle Möglichkeiten nutzen, um die Zeit zu überbrücken. Das wirksamste Instrument seien Arbeitszeitkonten, mit denen – vereinfacht gesagt – Überstanden aufgebaut werden könnten. Doch um das zu schaffen, müsse das Werk gut laufen – und davon könne im Moment keine Rede sein. „Andauernd stehen irgendwelche Anlagen, Teile fehlen, die ganze Fabrik ist quergezogen, nichts ist mehr aus einem Guss hier“, so die Betriebsratschefin

Aus Cavallos Sicht sind die Probleme auch eine Folge ebenjener Einsparungen, mit denen das Management den Konzern rentabler machen will. Prozesse liefen nicht mehr rund, mit der Folge, dass zum Beispiel Maschinen ausfielen. Die Realität auf dem Hallenboden „gleicht oft den Zuständen einer Schrauberbutze auf dem Hinterhof“, sagt sie. Das Management will dagegen den Druck weiter hochhalten. Im ersten Quartal, so ist zu hören, seien die Fabrikkosten je Fahrzeug in Wolfsburg gegenüber der Vorjahreszeit um zehn Prozent gesunken. Um das Ganzjahresziel zu erreichen, müssten weitere zehn Prozentpunkt folgen.