Angriffe auf die Krimbrücke
Die 19 Kilometer lange Krimbrücke über die Meerenge von Kertsch verbindet das russische Festland mit der Krim. Das im Jahr 2018 eröffnete Bauwerk ist für Russland gleich in doppelter Hinsicht bedeutsam: Die Brücke dient Russlands Präsident Wladimir Putin als zentrales Machtsymbol seiner Herrschaft. Sie steht für die als „Heimholung“ bezeichnete Annexion der Krim vor elf Jahren, die in Russland äußerst populär ist. Seit dem Beginn der Vollinvasion im Februar 2022 wurde die längste Brücke Europas auch für die Versorgung der Besatzungstruppen in der Südukraine benutzt. In Kiew sprach man stets von einem „illegal errichteten Bauwerk“ auf ukrainischem Territorium. Wegen seiner militärischen Bedeutung markierten die Ukrainer die Brücke nach Beginn der Vollinvasion als legitimes Ziel und kündigten ihre Zerstörung an.
In der Nacht nach Putins 70. Geburtstag im Oktober 2022 kam es auf der Brücke zu einer großen Explosion. Ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen ging in Flammen auf und setzte dabei auch einen mit Diesel befüllten Güterzug in Brand. Mehrere Fahrbahnabschnitte stürzten ins Meer, fünf Menschen kamen auf der Brücke ums Leben. Die russischen Behörden ermittelten – wie auch in späteren Fällen – wegen „Terrorismus“. Russlands Präsident beschuldigte schon kurz darauf den ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU. Die ukrainische Führung reagierte zunächst nur mit Anspielungen. Selenskyj sagte am Abend nach der Explosion, es sei auf der Krim „bewölkt“ gewesen. Die Zukunft ohne Besatzer auf der Krim werde jedoch sonnig.
Russland begann unmittelbar nach dem Angriff mit den Reparaturarbeiten und inszenierte diese medienwirksam. Die Wiedereröffnung der Brücke nahm Putin persönlich vor. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden nach dem ersten Angriff massiv verstärkt. Erst im Mai 2023 bekannte sich der SBU-Chef Wassyl Maljuk in einem Interview zu dem Angriff. Der SBU habe im Einklang mit den „Traditionen der Kriegsführung“ gehandelt.
Bereits kurze Zeit später beschädigten die Ukrainer die Brücke abermals. Im Juli 2023 steuerten mehrere ferngesteuerte Seedrohnen in einen Brückenpfeiler. Abermals sackte ein Teil der Fahrbahn ab, die Brücke wurde vorübergehend für den Fahrzeugverkehr gesperrt.
Zu dem jüngsten Angriff auf das Bauwerk bekannte sich der SBU unmittelbar nach der Tat. Der Geheimdienst veröffentlichte an diesem Mittwoch das Video einer Explosion und gab an, die Unterwasserstützen der Brückenpfeiler mit einer Sprengladung – äquivalent zu rund 1,1 Tonnen TNT – schwer beschädigt zu haben. SBU-Chef Wassyl Maljuk habe die Operation persönlich überwacht und koordiniert. Die Vorbereitung habe mehrere Monate in Anspruch genommen. In Anspielung auf die zwei vorherigen Operationen in den Jahren 2022 und 2023 sprach Maljuk nach dem dritten Angriff am Dienstag von „der heiligen Dreifaltigkeit“.
Versenkung der Moskwa und Schwächung der Schwarzmeerflotte
Russlands Schwarzmeerflotte war ein wichtiger Pfeiler des regionalen Machtanspruchs und seit dem ersten Kriegstag an der Invasion der Ukraine beteiligt. So eroberten russische Kriegsschiffe die Schlangeninsel im Schwarzen Meer und bereiteten amphibische Landungen bei Mariupol und Odessa vor. Vor allem aber feuerten sie vom Schwarzen Meer aus Raketen und Marschflugkörper auf ukrainische Städte.
Doch bereits im April 2022 versetzten die Ukrainer – die ohne nennenswerte Flotte in diesen Krieg zogen – den Russen einen entscheidenden Gegenschlag. Mit zwei Seezielflugkörpern des Typs Neptun trafen sie das Flaggschiff „Moskwa“. Der fast zweihundert Meter lange Lenkwaffenkreuzer geriet in Brand. Russlands Marine soll noch versucht haben, das beschädigte Schiff in den Flottenstützpunkt in Sewastopol zu schleppen. Russlands Behörden spielten den Vorfall herunter und sprachen von detonierter Munition auf dem Schiff. Anschließend sei ein Sturm ursächlich für das Sinken der „Moskwa“ beim Abschleppversuch gewesen. Die „New York Times“ berichtete im März 2025, dass die Vereinigten Staaten den Ukrainern damals die Position des Flaggschiffs leichtfertig übermittelt hätten – offenbar nicht mit der Absicht, die Ukrainer bei einer Versenkung zu unterstützen. Der Untergang der „Moskwa“ war von großer symbolischer Bedeutung und erzeugte in der Ukraine im ersten Kriegsjahr große Euphorie.

Doch die Dezimierung der Schwarzmeerflotte sollte damit erst seinen Anfang nehmen. Die Ukrainer zerstörten in der Folge zahlreiche weitere Schiffe. Dafür nutzten sie sowohl westlich gelieferte als auch eigene Anti-Schiffs-Raketen, darunter die Neptun- und Harpoon-Systeme. Doch auch mit Seedrohnen, wie der unter Federführung des SBU entwickelten „Sea-Babys“ oder dem mit dem Militärgeheimdienst HUR entwickelten „Magura V5“, gelang es ihnen, die Wende auf See herbeizuführen. Schon im März 2024 gab das ukrainische Militär an, rund ein Drittel der russischen Schwarzmeerflotte zerstört zu haben. Auf diese Weise kämpften die Ukrainer – nach dem Auslaufen einer als Getreideabkommen bezeichneten Vereinbarung – auch den Seeweg für ökonomisch lebenswichtige Exporte frei.
Angesichts der zahlreichen Rückschläge sah Russland sich gezwungen, die wichtigsten Schiffe der Schwarzmeerflotte von ihrem alten Stützpunkt in Sewastopol nach Noworossijsk an der östlichen Schwarzmeerküste zu verlegen. Doch selbst dort wurden noch Schiffe durch ukrainische Seedrohnen getroffen. Russland reagierte auf die Bedrohung mit schwimmenden Barrieren und suchte nach neuen Ausweichmöglichkeiten. Zu diesem Zweck arbeitet man noch heute am Ausbau einer Marinebasis an der Küste Abchasiens, einer von Georgien abtrünnigen Region am Schwarzen Meer. Noch immer aber feuern russische Schiffe Kalibr-Lenkwaffen aus sicherer Entfernung auf die Ukraine ab.
Drohnenoperation gegen die strategische Luftwaffe
Russische Bomber sind nicht nur Kernbestandteil der nuklearen Abschreckung. Sie kommen seit Beginn der Vollinvasion bei konventionellen Raketenangriffen auf ukrainische Städte zum Einsatz. Dafür fliegen sie in der Regel nicht in den unsicheren ukrainischen Luftraum. Sie feuern ihre Raketen aus großer Entfernung, etwa über dem Kaspischen Meer, ab. Auch ihre Startplätze für diese Einsätze liegen mitunter tief im – vermeintlich geschützten – russischen Hinterland.
Am Sonntag aber wirkten mehrere der Luftwaffenstützpunkte ungeschützt, die russische Flugabwehr schien überrumpelt. Mehrere seltene Bomber gingen in Flammen auf. Nach ukrainischen Angaben wurden 117 kleine, wendige Copterdrohnen in Containern in die Nähe der von insgesamt vier Luftwaffenstützpunkten gebracht. Die Fahrer der Lastkraftwagen, auf denen die Container transportiert wurden, waren offenbar ahnungslos. In der Nähe der Flugfelder stiegen aus den Containern dutzende Drohnen auf. Sie steuerten auf die Luftwaffenstützpunkte und flogen dort in die geparkten Flieger. Zunächst hatte der SBU von 41 zerstörten Flugzeugen gesprochen. Nachdem Analysten auf Grundlage von Satellitenaufnahmen geringere Verluste ausgemacht hatten, sprach der ukrainische Generalstab am Dienstag nur noch von insgesamt zwölf zerstörten Flugzeugen.

Laut dem ukrainischen Präsidenten hatte der Inlandsgeheimdienst SBU die Operation mehr als anderthalb Jahre lang geplant. Für die als „Operation Spinnennetz“ bezeichnete Aktion wurde offenbar ein Speditionsbetrieb in Tscheljabinsk eingerichtet. Russische Behörden fahndeten Anfang der Woche nach einem 37 Jahre alten in der Ukraine geborenen Mann, der an den koordinierten Angriffen beteiligt gewesen sein soll. Moskau war dennoch bemüht, den Vorfall herunterzuspielen: Offiziell hat das Verteidigungsministerium lediglich bestätigt, dass auf zweien der Flugplätze – gemeint sind Olenja im nordwestrussischen Murmansker Gebiet und Belaja im sibirischen Irkutsker Gebiet – „einige Einheiten von Luftfahrttechnik in Brand geraten“ seien, wie es am Sonntag meldete.
Einfall nach Kursk
Große Frontverschiebungen sind seit dem ersten Kriegsjahr selten geworden. Die Front wird aus der Luft permanent mit Drohnen überwacht, größere Material- und Truppenverlegungen bleiben deshalb selten unentdeckt. Im Sommer 2024 kämpfte sich Russlands Armee langsam voran, Nachrichten über Abwehrerfolgen der Ukrainer waren selten.
Anfang August dann die große Überraschung: Ukrainische Truppen waren überraschend auf russisches Territorium vorgedrungen – und trafen dort in den ersten Tagen auf überrumpelte Wehrpflichtige. Innerhalb weniger Tage gelang es den Ukrainern, zahlreiche russische Soldaten gefangenzunehmen und die Kleinstadt Sudscha einzunehmen. Die Ukrainer erklärten die Operation mit möglichen Gebietstauschen und der Notwendigkeit, die grenznahen Städte auf ukrainischer Seite vor Angriffen zu schützen. Außerdem gab man an, Russland zur Verlegung von Verbänden aus dem Donbass zu zwingen, um den dortigen Vormarsch zu verlangsamen. Vor allem aber wird es Kiew auch darum gegangen sein, Russlands „rote Linien“ abermals öffentlichkeitswirksam zu überschreiten und damit einen Erfolg im Informationsraum zu landen.

Moskau reagierte gereizt und gab die Direktive aus, das ukrainisch besetzte Gebiet möglich schnell zurückzuerobern. Zu diesem Zweck griff man auch auf nordkoreanische Soldaten zurück, die auf Seiten Russlands in das Kampfgeschehen eingriffen. Nachdem Moskau ihre Anwesenheit zu Beginn dementiert hatte, dankte Putin später dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un für dessen Schützenhilfe. Ein Denkmal in Pjöngjang soll an die gefallenen „Helden“ erinnern. Erst im März 2025 gelang Russland die nahezu vollständige Rückeroberung des grenznahen Territoriums.