Griechische Insel Delos: Weltkulturerbe droht im Meer zu versinken

10

Stand: 04.06.2025 13:52 Uhr

Auf der Insel Delos liegt eine der bedeutendsten Ausgrabungsstätten Griechenlands. Teile stehen bereits heute im Wasser und die Zukunft sieht alles andere als rosig aus. Ist das Weltkulturerbe noch zu retten?

Von Moritz Pompl und Angie Saltampasi, ARD-Studio Athen

Dort, wo in der griechischen Mythologie Apollon und Artemis auf die Welt gekommen sind, steht heute eine antike Säule mitten im Wasser. Die Wellen drücken bei stürmischem Wind ans Ufer, direkt an die Ruinen des UNESCO-Welterbes heran.

Ein antikes Theater gibt es auf Delos mit einem großen ehemaligen Wohnviertel drumherum – voller alter Mosaike und Statuen. Bis zu 30.000 Menschen haben hier im Zentrum der Kykladen einmal gelebt und eine der beeindruckendsten Ausgrabungsstätten Griechenlands hinterlassen.

Nur einen Meter über dem Meeresspiegel

Die Archäologin Veronique Chankowski von der École française d’Athènes arbeitet seit 30 Jahren auf Delos, wo heute nur Altertumsforscher und Wächter übernachten dürfen. Sie bekommt hautnah mit, wie die Insel sich verändert: “Ich erinnere mich, als ich am Anfang hierhergekommen bin, waren einige Sehenswürdigkeiten noch nicht im Wasser – heute sind sie unter Wasser.” Das Meer habe sich um etwa 20 Meter vorgearbeitet. “Wir können dabei zuschauen, wie der vordere Teil von Delos immer mehr zerstört wird.”

Doch auch weiter im Innern der Insel droht Gefahr. Die drei Apollon-Tempel nebeneinander, die Terrasse der Steinlöwen, all das liegt teils weniger als einen Meter über dem aktuellen Meeresspiegel. Delos, früher ein Schmelztiegel der Kulturen, Handels-Knotenpunkt und Kultstätte zugleich, droht in großen Teilen im Meer zu versinken.

Die wissenschaftlichen Prognosen sprechen dafür, dass der Meeresspiegel weiter und noch viel deutlicher ansteigen wird. Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der für die internationale Konferenz World Human Forum nach Delos gereist ist, spricht von bis zwei Metern bis Ende des Jahrhunderts.

In den nächsten vielen Hundert Jahren, wenn die großen Kipppunkte überschritten sind, rechnet er sogar mit einem Anstieg von zehn bis zwanzig Metern. “Und dann ist auf Delos alles außer die drei Hügel sozusagen überschwemmt.”

Eine Mauer als Rettung?

Das unbewohnte Delos mag nebensächlich erscheinen, wenn andernorts Millionen von Menschen vielleicht ihre Heimat werden aufgeben müssen. Und doch kann Delos schon heute zum Symbol werden im Kampf gegen den Klimawandel, glaubt Konferenzteilnehmer Costas Synolakis, griechischer Umweltingenieur an der Universität von Südkalifornien. Er kann sich vorstellen, dass irgendwann eine Mauer gebaut wird, um das Meer zurückzuhalten: “Aber wie lange wird das gut gehen? Es bräuchte irgendwann die nächsthöhere Mauer und immer so weiter.”

Was nun geschehen müsse, sei ein sofortiger Stopp der Emission von CO2 in die Atmosphäre, so Synolakis. Und selbst dann werde der Meeresspiegel voraussichtlich noch mindestens 20 bis 30 Jahre weiter ansteigen. “Aber wenn es uns gelingt, den Temperaturanstieg zu begrenzen, dann könnte es sich stabilisieren.”

Klimafreundliches Bauen, um Delos zu retten?

Ideen gibt es auf der Delos-Konferenz genug dafür. Zum Beispiel diese hier: Klimafreundlich zu bauen. Indem nicht auf die klimaschädlichen Materialien Beton, Stahl oder Ziegel gesetzt wird, sondern auf Holz und Bambus. Die Pflanzen – aus nachhaltigem Anbau – könnten der Atmosphäre CO2 entziehen und wegspeichern, sagt Schellnhuber.

Es gebe allerdings Einwände, etwa die Frage, ob sich tatsächlich Wolkenkratzer aus Holz errichten ließen. Die Antwort darauf sei laut Schellnhuber eindeutig: Ja, das sei mit neuen Techniken inzwischen möglich – auch in feuerfester Ausführung.

Daraus ergebe sich eine einmalige Chance, glaubt Schellnhuber: die gebaute Umwelt schrittweise zu transformieren, etwa durch die Renovierung bestehender Gebäude oder durch Aufstockungen mit Holz. “Indem Sie also diese Bauwende vollziehen, reinigen Sie die Erdatmosphäre.”

Konzepte für den Ernstfall

Ein Blick auf die Nachbarinsel Mykonos zeigt, dass das erstmal eine Idee ist: Vielerorts entstehen neue Hotels aus Stahlbeton. Trotzdem eint die Konferenzteilnehmer die Hoffnung, dass ihre Ideen langsam die Welt verändern. Für Delos und sein Heiligtum könnte es die Rettung sein.

Und für die Phase, in der Teile der antiken Stadt mit großer Sicherheit im Wasser versinken werden, gibt es zumindest schon Ideen, sagt Archäologin Chankowski. Die größte Herausforderung bestehe darin, die Überreste in der salzigen Umgebung zu erhalten. “Wir müssen also alles genau dokumentieren”, sagt sie. “Und dann Lösungen finden, um die archäologische Stätte zu schützen, wenn sie in Kontakt mit dem Meer kommt.”