Die EU-Kommission empfiehlt den Eurostaaten, Bulgarien als 21. Mitgliedsland in den Euroraum aufzunehmen. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist damit im Wesentlichen einverstanden. Das ergibt sich aus den Konvergenzberichten der beiden Institutionen, die die Regierung in Sofia im Februar beantragt hatte und die beide am Mittwoch veröffentlicht wurden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nahm die endgültige Entscheidung vorweg und gratulierte dem Land zum bevorstehenden Euro-Beitritt.
Währungskommissar Valdis Dombrovskis sagte, der Kommissionsbericht stelle einen historischen Moment nicht nur für Bulgarien, sondern auch für den Euroraum dar. Der absehbare Beitritt werde das Land „ins Herz Europas“ befördern. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte, die auch von der Zentralbank festgestellte wirtschaftliche Konvergenz ebne Bulgarien den Weg in die Eurozone.
Mit den in den EU-Verträgen vorgeschriebenen Konvergenzberichten wird ermittelt, ob ein Kandidatenland ökonomisch und juristisch reif für die Währungsunion ist. Die Regierung in Sofia hatte erstmals im Jahr 2018 Ansprüche auf einen schnellen Eurobeitritt erhoben und dies damit begründet, dass Bulgarien die im Maastrichter Vertrag festgelegten Konvergenzkriterien erfülle. In ihren alle zwei Jahre erstatteten Konvergenzberichten hatten Kommission und EZB aber seither einen Beitritt jeweils nicht empfohlen.
Leise Vorbehalte der EZB
Während die Kommission die Voraussetzungen für einen bulgarischen Beitritt für uneingeschränkt erfüllt hält, meldet die EZB noch leise Vorbehalte an, spricht sich aber nicht gegen eine Aufnahme des Landes aus. Im Bericht der Zentralbank heißt es, mit Blick auf die „Qualität“ der Institutionen und der politischen Entscheidungsfindung stehe Bulgarien noch vor „Herausforderungen“. Als Beispiele nennt die EZB die Korruption, die Effizienz der öffentlichen Verwaltung, die Steuerehrlichkeit und die Unabhängigkeit des Rechtssystems.
Nach dem Urteil der Kommission hat das Land allerdings alle Vorbehalte ausgeräumt, zu wenig gegen Korruption zu tun und unter einem mangelhaft funktionierenden Rechtsstaat zu leiden. Die Brüsseler Behörde verweist ohnehin darauf, dass sie die alleinige Entscheidungskompetenz für einen Aufnahmevorschlag habe, während die EZB diesen nur „analytisch unterfüttert“.
Die Konvergenzkriterien beziehen sich auf die Preisstabilität, solide Staatsfinanzen, eine enge Wechselkursbindung der Landeswährung an den Eurokurs, die langfristigen Zinsen sowie – als vergleichsweise „weiche“ Vorschrift – auf die Erfüllung juristischer Anforderungen. Letztere betreffen etwa auch die Unabhängigkeit der nationalen Notenbank, die Kommission und EZB beide für unstreitig halten.
Zweitniedrigste Schuldenquote der EU
Das Kriterium der Preisstabilität erfüllt Bulgarien knapp. Der Referenzwert für die Inflationsrate – er beträgt 2,8 Prozent und ermittelt sich aus dem Durchschnitt der drei Eurostaaten mit der geringsten Inflation plus 1,5 Prozentpunkten – wird mit einer Rate von 2,7 im Durchschnitt der vergangenen zwölf Monate knapp unterschritten. Die EU-Kommission ist wegen der Inflation unbesorgt, weil diese sich nicht zuletzt mit einigen Einmaleffekten vor allem aus Steuererhöhungen erklären ließe.
Die Staatsfinanzen nennt die Behörde ebenfalls unproblematisch, weil das Staatsdefizit in diesem und im kommenden Jahr unterhalb des Maastrichter Referenzwertes von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen dürfte und die Schuldenquote mit 24 Prozent des BIP die zweitniedrigste der ganzen EU ist. Auch die Wechselkursbindung stellt keine Schwierigkeiten dar. Bulgarien war schon im Jahr 2020 zusammen mit Kroatien in den Wechselkursmechanismus (WKM) II, den „Vorhof“ der Währungsunion, aufgenommen worden. Seither habe es keine „ernstlichen Spannungen“ gegeben, urteilt die Kommission. Auch das langfristige Zinsniveau bewege sich im Rahmen, heißt es.
Die endgültige Entscheidung über die Euroraum-Erweiterung treffen die EU-Finanzminister im Juli. Zuvor werden die Eurogruppe und die EU-Staats- und -Regierungschefs damit befasst; zudem geben die EZB und das Europaparlament Stellungnahmen ab. Die Kommissionsempfehlung darf aber als Vorentscheidung gelten.