Jetzt geht es Schlag auf Schlag, um eine Formulierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aufzugreifen. Bei der geplanten Steuerentlastung zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft gilt dies in doppelter Hinsicht: Der Zeitplan ist eng – und um die damit verbundenen Kosten wird hart gerungen.
Das Paket, das die Bundesregierung am Mittwoch auf den Weg gebracht hat, soll möglichst noch vor der Sommerpause im Gesetzblatt stehen. Dafür braucht die schwarz-rote Koalition den Bundesrat. Doch die Ministerpräsidenten fürchten die damit verbundenen Steuerausfälle. Diese schlagen auf die Länder und Kommunen voll durch.
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verwies nach dem Kabinettsbeschluss auf die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Länder und Kommunen, die erweiterten Kreditmöglichkeiten der Länder und das zu erwartende Wachstumsplus: „Wir alle wissen, dass das am Ende eine positive Auswirkung auf die Haushalte hat.“
Der Bundestag debattiert, die Länderchefs tagen
Dazu sollen der sogenannte Investitionsbooster und die sich anschließenden Steuersatzsenkungen für Aktiengesellschaften, aber auch zugunsten einbehaltener Gewinne von Personengesellschaften führen. Außerdem gehören sehr schnelle Abschreibungen für neue Geschäfts-E-Autos und eine höhere Forschungsförderung zu dem Paket.
Schon an diesem Donnerstag findet die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag statt. Parallel dazu tagen die Regierungschefs der Länder. Bundeskanzler Merz kann wegen seines Antrittsbesuchs beim amerikanischen Präsidenten Donald Trump nicht an der Ministerpräsidentenkonferenz teilnehmen, aber man wollte sich vorher informell austauschen.
„Wer bestellt, muss auch bezahlen“
In Gesprächen machten Regierungschefs aus den Ländern schon klar, dass die Gesetzgebung ohne Kompensationen alles andere als ein Selbstläufer sein werde. „Ein Investitionsbooster ist sinnvoll – aber wer bestellt, muss auch bezahlen“, sagte Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Alexander Schweitzer (SPD) sagte im Deutschlandfunk: „Es darf nicht sein, dass es nur auf den Deckel der Länder und Kommunen geht.“ Die Gewerkschaft Verdi forderte den Bund auf, die Steuerausfälle der Kommunen vollständig zu übernehmen. Sonst würde die Notlage vieler Städte und Gemeinden verschärft.
Der Deutsche Landkreistag zeigte sich konzilianter. Präsident Achim Brötel warb im Gespräch mit der F.A.Z. für eine konstruktive Mitwirkung. „Die deutsche Volkswirtschaft kränkelt. Wir müssen mittelfristig für mehr Steuereinnahmen im eigenen Land sorgen.“ Wer investiere, übe zunächst immer Verzicht. „Also wir tragen das so mit. Wir tun das in der Erwartung, dass damit der ,Turnaround‘ kommt und dass nachher Steuerquellen auch wieder entsprechend sprudeln.“
Auf diesen Effekt baut auch Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. An einer Senkung von Gemeinschaftsteuern müssten Länder und Kommunen ebenfalls interessiert sein, da auch sie absehbar von den Steuermehreinnahmen durch ein dadurch bewirktes höheres Wirtschaftswachstum profitierten. „Daher ist es nur angemessen, wenn der Bund die vorübergehenden Lasten durch Steuermindereinnahmen nicht allein trägt“, sagte der CDU-Politiker der F.A.Z.
Die Steuereinnahmen sollen spürbar steigen
Wer wie stark vom schwarz-roten Koalitionsvertrag profitieren könnte, zeigt ein bisher unveröffentlichtes Papier des Bundesfinanzministeriums aus dem März für die Unterhändler. Es liegt dieser Zeitung vor. Demnach steigen im Ergebnis die Steuereinnahmen auf allen drei Ebenen spürbar: beim Bund von 1,4 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2029, bei den Ländern von 1,2 Milliarden Euro auf 9,5 Milliarden Euro, bei den Kommunen von 0,5 Milliarden Euro auf 3,6 Milliarden Euro.
Nur beim Bund findet sich der Hinweis auf zusätzliche Zinsausgaben: Im kommenden Jahr gehe es mit einer Milliarde Euro los, 2029 seien es schon zwölf Milliarden Euro. Middelberg betont denn auch, der Bund allein trage die Zinslast für das neue Sondervermögen, von dem Länder und Kommunen mit 100 Milliarden Euro profitierten.
Der Landkreistag sieht sehr wohl die positiven Effekte, die mit Sondervermögen und Steuergesetz verbunden sind. Doch das reicht für ihn nicht aus, um wieder Land zu sehen. „Mit dem Steuergesetz wird es noch einmal kommunale Einnahmeausfälle bei der Gewerbesteuer geben, die unmittelbar zu Buche schlagen“, sagte das geschäftsführende Präsidialmitglied Hans-Günter Henneke: „Das vergrößert unser Grundproblem – ein Defizit von zuletzt 24 Milliarden Euro.“ Dieses müsse angegangen werden.
Präsident Brötel verdeutlicht die Situation mithilfe eines Bildes und warnt: „Unser Schiff liegt ziemlich tief im Wasser und wird immer tiefer ins Wasser gedrückt, weil wir überladen sind. Wir haben zu viele Aufgaben aufgeladen gekriegt, vor allem auf der Seite, wo die Sozialausgaben liegen, haben wir Schlagseite bekommen.“ Nun könne sich dieses Schiff kaum mehr bewegen, kaum wieder Fahrt aufnehmen: „Und die Antwort des Bundes heißt: Kauft euch einen neuen Motor. Unser Problem ist aber, dass wir keinen Treibstoff haben. Da hilft uns der Motor nur begrenzt. Uns fehlt schlicht und ergreifend der Treibstoff, nämlich die Grundfinanzierung.“
Unionsfraktionschef Jens Spahn zeigte sich auf der European Economic Conference der F.A.Z. zuversichtlich, dass letztlich die Bundesländer dem Steuergesetz zustimmen werden – mit freundlicher Hilfestellung aus Berlin: „Am Ende wird der Bund auch gewisse Kosten übernehmen müssen.“