Markus Söder: „Wir nehmen jeden aus Harvard

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Ein gutes Haar an Donald Trump will hier niemand lassen. Er drangsaliere die Welt mit Zöllen, er verursache enorme Unsicherheit und würge die Weltwirtschaft ab. „Aber für die Eurozone ist das auch eine große Chance“, sagt Jens Spahn, der CDU-Fraktionsvorsitzende. Das Geld internationaler Investoren suche einen sicheren Hafen. Und gerade Deutschland, der größte Gläubiger der Welt, könne nun profitieren. Das Signal, das die neue Bundesregierung sende, sei klar: „Investment in Deutschland lohnt sich wieder“, sagt Spahn.

Die Worte des CDU-Politikers umschreiben gut die Grundstimmung der European Economic Conference der F.A.Z., einer zweitägigen Veranstaltung mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik in Berlin: Die Herausforderungen sind gigantisch, der Handlungsdruck zwingt aber auch zu Tempo und klaren Prioritäten. Die ersten Wochen der schwarz-roten Bundesregierung werden unter diesen Vorzeichen eher positiv gesehen. „Das war ein guter Start, der Optimismus versprüht, dass etwas in die richtige Richtung geht“, sagte Familienunternehmerin Sarna Röser und meinte damit vor allem die verbesserten Abschreibungsregeln, die Unternehmen Investitionen erleichtern sollen, sowie den 500 Milliarden Euro umfassenden Infrastrukturfonds.

Allerdings entfacht die mit Steuersenkungen und neuen Schulden gestützte Investitionsoffensive neuen Streit in der Bundespolitik. Britta Haßelmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, mahnte mit Blick auf den Infrastrukturfonds: „Das ist kein Spielgeld. Es war nicht die Abmachung, dass damit Lieblingsprojekte der Regierung wie die Absenkung der Gastrosteuer finanziert werden.“ Die Grünen hatten ihre Zustimmung zu den neuen Schulden davon abhängig gemacht, dass das Geld für zusätzliche Investitionen fließt, nicht für ohnehin geplante Projekte.

Spahn pochte jedoch darauf, dass dies nicht für die 100 Milliarden Euro gelte, die an Länder und Kommunen fließen sollen. Und auch im Bundeshaushalt müssten mit dem Sondervermögen einige Dinge finanziert werden, die schon zuvor in der Finanzplanung standen. Nur so seien Entlastungen zu stemmen. „Das gehört zur Wahrheit dazu. Wer das nicht will, muss sagen, dass dann zum Beispiel die Energiepreise nicht sinken können“, sagte Spahn. Er zeigte sich zuversichtlich, dass auch die Bundesländer, die wegen befürchteter Mindereinnahmen den Steuerentlastungen kritisch gegenüberstehen, ihre Zustimmung geben werden. „Am Ende wird der Bund auch gewisse Kosten übernehmen müssen“, stellte der CDU-Politiker in Aussicht.

„In der EU ist jetzt der Moment der Wahrheit“

Einigkeit herrschte darüber, dass die größte Volkswirtschaft Europas allein wenig bewegen kann. „In der EU ist jetzt der Moment der Wahrheit“, sagte Ar­mand Zorn, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Die Hürden im Binnenmarkt müssten endlich fallen, neue Partnerschaften schleunigst geschlossen werden, zum Beispiel mit Indien. Der neue FDP-Vorsitzende Christian Dürr ergänzte: „Wenn Trump eine gute Sache bewirkt hat, dann, dass wir endlich wieder über Freihandel sprechen.“ Die EU und Deutschland stünden heute anders da, wenn schon immer diese Offenheit da gewesen wäre und man beispielsweise das TTIP-Abkommen mit den USA nicht hätte scheitern lassen.

Die Welt sortiert sich neu, massiv, das beobachtet auch Lars-Hendrik Röller. Der Ökonom hat Angela Merkel zehn Jahre lang federführend in wirtschaftspolitischen Belangen beraten. „Der Westen“ werde immer kleiner, das lasse sich schon am Verhältnis der G 7 zu den G 20 ablesen. Der arabische Raum, Asien, Lateinamerika – alte Machtstrukturen verschieben sich. Doch im Aufstieg von „Shifting Powers“ wie China lägen auch Chancen, sagt der Ökonom und zitiert Barack Obama sinngemäß: „Wenn China wächst, ist das gut für uns, solange sie sich an die Regeln halten.“ Das sei nun mal der Knackpunkt.

Doch die Probleme dieser neuen Ordnung sind augenfällig. Röller verweist auf die dramatischen Herausforderungen, vor denen etablierte internationale Institutionen wie die Weltbank, der IWF oder die UN stehen. Die Globalisierung müsse sich einer neuen wirtschaftspolitischen Tektonik anpassen, auch die Diskussion über mehr Mitbestimmung des globalen Südens rücke in den Fokus, damit müsse man sich auseinandersetzen. Den protektionistischen Kurs des Weißen Hauses hält Röller für einen Irrweg. „Wir müssen auch mal gönnen können“, sagt der Ökonom, „für das langfristige große Ganze.“ Das könne Trump aber überhaupt nicht. Das Prinzip „Wir machen unser Ding“ führe nicht weiter, es brauche multilaterale Institutionen. Globale Themen wie Armut oder Klimapolitik seien schließlich nicht verschwunden. Da sei Hilfe zur Selbsthilfe nach wie vor unabdingbar. Genauso wie eine starke und geschickte europäische Handelspolitik.

Driftet Polen vollends in Richtung Europaskepsis?

Doch für die braucht es Rückhalt, nicht nur auf der großen Brüssler Bühne, in Organen wie dem Europäischen Rat, sondern auch in den EU-Ländern selbst. Damit ist nicht zuletzt der proeuropäische Regierungschef in Polen, Donald Tusk, konfrontiert, wo der Rechtsnationalist und Trump-Fan Karol Nawrocki jüngst zum Präsidenten gewählt wurde. Da stellt sich die Frage, ob mit Polen nun ein weiteres Land vollends in Richtung Europaskepsis driftet.

Die Frage müsse aus zwei Perspektiven betrachtet werden, sagt Marzena Czarnecka auf der Europakonferenz der F.A.Z. Sie ist die Ministerin für Industrie in Polen. Denn aus einer polnischen Sicht hat die ganze Wahl erst mal nichts am Status quo geändert: „Wir hatten die vergangenen anderthalb Jahre einen Präsidenten von der Opposition, die gleiche Situation gilt nun auch die nächsten zwei Jahre.“ Bei dem Vertrauensvotum gehe es vor allem auch um ein Zeichen für die Wähler. Mit einer europäischen Brille betrachtet füge sich die Wahl allerdings in einen neuen Trend. Der Brexit sei ein Präzedenzfall gewesen, dass ein Ausstieg aus der EU möglich ist, sogar durch einen Volksentscheid.

Pessimismus ist für die Juristin darauf die falsche Antwort. Es sei nun die Aufgabe der Regierung, genauso wie der Europäischen Union, zu zeigen, dass unser demokratisches System trotz aller Probleme die beste Option ist. Doch um dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen, müssen die großen Probleme auch angegangen werden, sagt Czarnecka, ob im Bildungswesen oder der Finanzpolitik. Dabei sei wichtig, die Individualität der Länder zu erhalten, die Strukturen und Prinzipien, die sie von den anderen Mitgliedstaaten unterscheiden. Schließlich basiere Europa auf dem Prinzip der Solidarität.

„Mehr Emanzipation, mehr Stärke, mehr eigene Kraft“, für den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder ist das Europas Gebot der Stunde. „Das Unerwartete“ sei schließlich mit Blick auf die USA das Einzige, was die Europäer derzeit erwarten dürfen. Noch eines müsse man zur Kenntnis nehmen: Das Konzept Europa werde dort weder verstanden noch gemocht. Das Prinzip der Solidarität müssten die Länder deshalb nicht nur nach innen, sondern auch nach außen demonstrieren. Es sei wichtig, dass sich die Europäer in den USA nicht auf singuläre Geschäfte einlassen, der gesamte europäische Aspekt müsse gestärkt werden. „Nur das gibt uns eine echte Verhandlungsposition und eine Macht für Deals.“ Die Konferenz beschloss der CSU-Politiker mit einem konkreten Angebot an alle, die in Amerika geforscht haben und sich über den neuen Kurs wundern: „Wir nehmen jeden aus Harvard und legen noch was drauf.“ In puncto Innovation sei in Europa immerhin noch viel zu holen.