Das könnte Donald Trump gefallen

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Friedrich Merz war längst bereit. Obwohl er erst am 6. Mai zum Bundeskanzler gewählt wurde, wäre er gerne noch rascher, als es nun geschieht, zum Antrittsbesuch nach Washington geflogen. Aber beim amerikanischen Präsidenten passt es offenkundig erst jetzt.

Merz hat die Wartezeit genutzt, um mit Trump zu telefonieren, ihn auf diese Weise etwas kennenzulernen. Er hat damit deutlich gemacht, dass er den Kontakt zu jenem Politiker sucht, der – wenn man auf einen Vergleich mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping mal verzichtet – der mächtigste der Welt ist und dessen Land zumindest bis zu seiner ersten Präsidentschaft selbstverständlich der stärkste und wichtigste Verbündete Deutschlands auf der internationalen Ebene war. Nun will Merz also am Donnerstag in ein paar Stunden ausloten, was vom Verbündetsein noch übrig geblieben ist.

Um das Gastgeschenk im engeren Sinne wurde in Berlin vor dem Abflug ein Geheimnis gemacht. Im übertragenen Sinne hat der Kanzler allerdings etwas im Gepäck, das zwar kein Gastgeschenk sein soll, sondern Ausdruck der nun endgültig auch in Deutschland angekommenen Erkenntnis, dass das größte Land der Europäischen Union angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Herausforderungen mehr, viel mehr für seine Verteidigung tun muss. Aber trotzdem ist Merz’ Offenheit für das auch von Trump verfolgte Ziel, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung im erweiterten Sinne auszugeben, etwas, das dem Gastgeber im Weißen Haus gefallen könnte.

Was wird Trump über die Ukraine sagen?

Dass Merz noch vor seiner Wahl zum Kanzler jegliche Debatten über Prozentzahlen beendet hat, indem er durch eine Grundgesetzänderung die Grenzen der Ausgaben für Verteidigung gänzlich beseitigte, nimmt mindestens ein Thema vom Tisch, bei dem sich schon frühere Besucher aus Berlin in Washington Kritik anhören mussten. Ganz gleich, wer gerade Amerika regierte. Würde zudem die optimistische Annahme an der Spree, dass auch viele andere der europäischen NATO-Partner offen sein könnten für diesen Weg, zutreffen, könnte dieser Teil des Eises, auf dem Merz während seines Aufenthalts in der amerikanischen Hauptstadt laufen muss, der tragfähigste sein.

Danach wird das Eis dünn, wie für alle, die beim mächtigen, aber kaum berechenbaren Donald Trump zu Gast sind. Würde der Präsident eine gewisse Offenheit für die Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland zeigen, wäre das für die Delegation aus Berlin schon ein Erfolg. Aber da wurde Merz kurz nach dem berühmten Telefonat vom Sofa in Kiew schon mal enttäuscht. Immerhin hat der jüngste Deutschlandbesuch des republikanischen Senators Lindsey Graham, der auch Merz traf und der gerade an einem Sanktionspaket gegen Russland arbeitet, vorsichtige Hoffnungen in Berlin geweckt.

Mit leidlicher Gewissheit vorhersagen lässt sich, dass die Herren über Autos sprechen werden, wobei es weniger um die Vorliebe für bestimmte Modelle als vielmehr um den massenhaften Verkauf über Grenzen hinweg gehen dürfte. Womit man beim Thema Zölle angekommen wäre, bei dem Trumps Linie besonders schwer vorherzusagen ist.

Amerikanische Einmischung

Sehr unangenehm könnte es werden, wenn Trump vor der Kamera auf die AfD oder die Meinungsfreiheit in Deutschland zu sprechen käme. Merz stellte schon einen Tag nach seiner Vereidigung klar, es liege allein bei Deutschland, über den Umgang mit Parteien zu entscheiden. Anlass war ein scharfer Angriff des amerikanischen Außenministers Marco Rubio. Der hatte Deutschland nach der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz als „versteckte Tyrannei“ bezeichnet. Der „wahre Extremismus“, so Rubio, liege nicht bei der „populären“ AfD, sondern in der „tödlichen Einwanderungspolitik des Establishments“, die auf offene Grenzen setze. Merz wies die Vorwürfe damals entschieden zurück und würde das in der ein oder anderen Form sicher auch bei seinem Besuch tun. Eines könnte das Thema allerdings entschärfen. Merz ist Trump in Migrationsfragen näher als etwa Angela Merkel bei ihrem letzten Besuch 2018.

Rubios Einlassung war jedoch nur der Höhepunkt einer Reihe amerikanischer Einmischungen in die deutsche Innenpolitik. Vizepräsident J. D. Vance hatte Deutschland schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz eingeschränkte Meinungsfreiheit vorgeworfen. Trumps vormals enger Vertrauter Elon Musk sprach kurz vor der Bundestagswahl außerdem von der AfD als „letztem Funken Hoffnung“.

Merz, damals noch Kanzlerkandidat, hatte auch das entschieden zurückgewiesen. Trump hat die Spielregeln für Besuche ausländischer Staats- und Regierungschefs in seiner zweiten Amtszeit verändert. Mit Wolodymyr Selenskyj überwarf er sich im Oval Office so, dass der ukrainische Präsident vor dem geplanten Mittagessen abreiste. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa wurde von Trump gezwungen, „Beweisvideos“ über die angebliche Verfolgung weißer Farmer anzuschauen – Aufnahmen, die später zum Teil als Material aus dem Kongo identifiziert wurden.

Immerhin: Sieht man einmal von Selenskyj ab, so erlebten andere europäische Präsidenten oder Regierungschefs wie Macron oder Starmer im Weißen Haus keinen Eklat. Auch Merz sollte symbolträchtig empfangen werden: Für die kurze Nacht vor dem Treffen wurde der Bundeskanzler ins Blair House eingeladen. In dem Gästehaus neben dem Weißen Haus übernachteten dieses Jahr schon Macron, Starmer, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Indiens Ministerpräsident Narendra Modi. Sie alle wurden im Weißen Haus mit Respekt empfangen.