„Am meisten investieren wir in Deutschland“

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Herr Källenius, Bundeskanzler Friedrich Merz besucht an diesem Donnerstag US-Präsident Donald Trump. Ein Thema werden auch die Handelszölle sein. Was erwarten Sie von dem Gespräch?

Ich finde, es ist ein sehr gutes Zeichen, dass der Bundeskanzler schon jetzt und damit sehr früh in der neuen Regierungszeit den nicht nur ökonomisch, sondern auch strategisch wichtigen Partner persönlich trifft. Das ist sehr positiv.

Sie und BMW-Chef Oliver Zipse haben Trump vorgeschlagen, Zölle auf importierte Autos mit den von Ihnen aus den USA ins Ausland exportieren Autos zu verrechnen. So würden die Kosten der Zölle sinken. Wie soll das funktionieren?

Mercedes baut in den USA Autos für den Weltmarkt und zählt damit zu den größten industriellen Exporteuren aus den USA überhaupt. Als Unternehmen führen wir Gespräche mit den handelnden Personen in der Politik – in der EU genauso wie in China und den USA. Verhandelt wird aber auf EU-Ebene, weil die Handelspolitik in der EU-Kompetenz liegt. Wir stehen als Denkpartner zur Verfügung, bringen Ideen ins Spiel, zeigen Szenarien auf, wie sich bestimmte Entscheidungen für uns auswirken würden. Ein Beispiel ist die Idee, dass Warenströme in beide Richtungen berücksichtigt werden sollten.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie mit diesen Vorschlägen bei Trump Gehör finden?

Ich habe den Eindruck, dass alle politischen Entscheidungsträger in den genannten Regionen sehr aufmerksam zuhören – allen voran den Vertretern der großen und wichtigen Industrien, die, wie wir, viele Jobs stellen. Wir haben den Zugang in den USA wie in China. Aber am Ende entscheiden die Politiker.

Sie sind Trump entgegengekommen und produzieren die für den Verkauf in den USA bestimmten Versionen des Mercedes GLC nun in Alabama. Gehen in Deutschland Jobs verloren, wenn Sie Produktion verlagern?

Sindelfingen gehört mit Stuttgart-Untertürkheim zu den Hauptstandorten von Mercedes-Benz. Hier schlägt unser Herz und hier sehen Sie zurzeit fast so viele Baukräne wie auf einer Baustelle in Dubai. Zuletzt haben wir hier den Grundstein für eine der modernsten und nachhaltigsten Lackieranlagen der Welt gelegt. Wir investieren dieses Jahr rund 14 Milliarden Euro – einen Großteil davon in Europa und den Großteil davon wiederum in Deutschland. Daneben wollen wir auch im größten Wirtschaftsraum der Welt, den USA wachsen, genauso wie in China. Deshalb investieren wir auch dort und bauen unseren industriellen Fußabdruck weltweit aus.

Was heißt das für die Jobs in Deutschland?

Die USA hatten in den vergangenen 15 Jahren deutlich höhere Wachstumsraten als Europa und an diesem Wachstum wollen wir partizipieren. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Die Autoindustrie ist extrem vernetzt. Wenn wir in den USA wachsen, dann sichert das Jobs in Europa und Deutschland.

„Wir wollen am Wachstum in den USA partizipieren“: Ola Källenius vor einem getarnten Prototypen in einer Halle im Werk Sindelfingen
„Wir wollen am Wachstum in den USA partizipieren“: Ola Källenius vor einem getarnten Prototypen in einer Halle im Werk SindelfingenFelix Kaspar Rosic

Wird ihr neuer Elektrohoffnungsträger CLA in den USA zum Ladenhüter, wenn es bei den 25 Prozent Zoll bleibt?

Der Mercedes-Benz CLA, unser neues Einstiegsmodell, eröffnet als Elektrofahrzeug und auch in einer Hybridvariante eine große Produktoffensive. Wir werden in den nächsten drei Jahren über 25 neue Modelle auf den Markt bringen. Der CLA ist ein wichtiges Puzzleteil in einem größeren Bild, und einen Teil dieser Autos werden wir auch an unseren internationalen Standorten bauen.

Der CLA könnte also auch in den USA gebaut werden?

Wir haben diese Woche den Produktionsstart des CLA in unserem Werk in Rastatt gefeiert und momentan keine Pläne, den CLA in den USA zu bauen. Das ist ein Auto, das wir in Europa und China produzieren. Das spezifische Modell für den amerikanischen Markt bedienen wir aus europäischer Produktion. Gemäß unserer „Local-for-Local“-Strategie ist Amerika wiederum unser SUV-Hub, weshalb wir entschieden haben, dort den GLC zu lokalisieren.

Was passiert mit den für Europa bestimmten und in den USA produzierten Mercedes-Modellen, wenn Europa Gegenzölle verhängt?

Die Stärke von Europa und insbesondere Deutschland ist der Export. In so einer Position ist es nicht logisch, selbst Handelsbarrieren aufzubauen, denn man hat mehr zu verlieren als der Handelspartner. Wenn ich verantwortlich für die Verhandlungen wäre, würde ich über andere Dinge nachdenken. Meine Empfehlung wäre, dass wir uns in das Gegenüber hineinversetzen, eine Verhandlungslösung suchen. Eskalation ist keine Lösung für den Handelskonflikt – vor allem nicht, wenn man wie gesagt derjenige ist, der selbst mehr exportiert als der andere.

Aber die Volatilität hat zugenommen. Haben Sie als Manager ihr Handwerkszeug verändert?

Ich gebe zu, dass ich derzeit noch mehr Bälle in der Luft halten muss als früher. Entscheidend ist, dass wir uns in den vergangenen fünf, sechs Jahren in zweierlei Hinsicht stabil aufgestellt haben. Wir haben massiv in Innovationen investiert – und haben nun ein breites Angebot an zukunftsfähiger Technik, wie man am CLA sieht. Und wir haben zweitens eine grundsolide Bilanz. Der Jahresabschluss 2024 zeigt das: Mehr als 30 Milliarden Euro Netto-Liquidität, keine industriellen Schulden. So wie der Schwabe, der sein Haus abbezahlt und dann auch noch was auf dem Sparkonto hat. Diese finanzielle Resilienz ist in einer solchen unsicheren Zeit unglaublich wichtig.

Ihr aktuelles Sparprogramm „Next Level Performance“ soll dazu beitragen. Aber reicht das aus, wenn der Handelskonflikt eskaliert – oder werden weitere Kürzungen nötig?

Wir haben mit dem Betriebsrat klare Pläne vereinbart, und wir halten uns an diese Pläne. Wie die Welt in 18 Monaten aussieht, das wissen wir nicht. Man muss da auch dynamisch reagieren können. Aber die Zielsetzungen, die wir mit dem Programm adressiert haben, stehen: Wir werden noch wettbewerbsfähiger und resilienter.

Werksschließungen sind bei Mercedes tabu. Aber der Absatz schrumpft. Haben Sie nicht zu viele Fabriken, wenn Sie immer weniger Autos verkaufen?

Unsere Fabriken können sozusagen atmen – und in etwas schwächeren Phasen wie jetzt eben auch mal ausatmen. Denn wir haben neben der Stammbelegschaft je nach Bedarf einsetzbare Leiharbeitskräfte. Diese Flexibilität kommt uns zugute. Mercedes wird in den kommenden Jahren aber auch wieder wachsen. Wir zünden ein Produktfeuerwerk neuer Automodelle, das vor allem ab 2027 Wirkung zeigen wird.

Das heißt: Ihre neuen Produkte müssen zünden, damit die Jobs sicher sind?

Unser Produktfeuerwerk wird zünden – beim neuen CLA verzeichnen wir schon jetzt einen sehr guten Auftragseingang – und es ist ein fester Teil unseres Wachstumsplans. Bei diesem steht aber gleichzeitig das Thema Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund. Wir müssen effizienter werden, die mit dem Betriebsrat vereinbarten Senkung der Personalkosten leisten einen Beitrag dazu.

Sie sind seit diesem Jahr zugleich Präsident des europäischen Autoindustrieverbands ACEA. Wollen die Hersteller das in der EU bislang für 2035 geplante Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor kippen?

Die Automobilindustrie ist strategisch wichtig für Europa, darauf hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sehr klar hingewiesen – und darüber bin ich froh. Unsere Branche steht für 13 Millionen Jobs in Europa und 7 Prozent der gesamten europäischen Wirtschaftsleistung. Ein Drittel der gesamten privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung quer über alle Industrien in Europa, wird in der Autoindustrie getätigt. Daran sehen sie, was für ein Riesen-Schwungrad der europäische Automobilbau ist.

Und die bisherigen EU-Pläne für ein Verbrennerverbot bremsen das Schwungrad?

Wir wollen keine 180-Grad-Kehrwende, es gibt kein Zurück mehr zur alten Autowelt. Null Emissionen – das ist die Zukunft des Autoverkehrs. Die EU will bis 2050 klimaneutral werden und dieses Ziel unterstützen wir voll und ganz. Aber um den Autoverkehr klimaneutral zu machen, brauchen wir eine intelligente Flexibilisierung der bisherigen Pläne.

CO2-Vermeidung ist unerlässlich, aber wir müssen sie verbinden mit der Sicherung der wirtschaftlichen Stärke und der Arbeitsplätze in Europa. Das hat der Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit in der EU hervorragend beschrieben. Und als dritter Punkt kommen verlässliche Lieferketten hinzu, die Vermeidung übermäßiger Abhängigkeiten auf dem Weg zum klimaneutralen Autoverkehr. Alle drei Dinge sind wichtig.

Das Verbrennerverbot ist ihnen zu starr?

Die bisherigen Pläne sind eindimensional, aber der Systemwechsel im Autoverkehr ist multidimensional. Hier lohnt sich ein Blick nach China, wo der Übergang zum Elektroauto derzeit am besten funktioniert. Die Chinesen setzen gerade nicht auf drakonische Strafen, sondern auf Flexibilität und intelligente marktwirtschaftliche Anreize.

Im Zeichen des Sterns: Blick auf den Mercedes-Standort in Sindelfingen
Im Zeichen des Sterns: Blick auf den Mercedes-Standort in SindelfingenFelix Kaspar Rosic
Bei der eigentlich für 2025 geplanten Absenkung der zulässigen CO2-Emissionen ihrer Autoflotte haben die Hersteller bereits einen Aufschub von der EU erhalten. Ist das nicht unfair gegenüber Wettbewerbern wie BMW, die diese Vorgaben erreicht haben?

Wir haben bei den CO2-Flottengrenzwerten keinen Aufschub erhalten, die Vorgaben müssen weiter erfüllt werden, allerdings jetzt in einem Drei-Jahresdurchschnitt. Das System ist gerecht, denn es sieht vor, dass Hersteller, die diese Vorgaben übererfüllen, daraus handelbare Emissionsrechte, sogenannte Carbon Credits, generieren können. Sie können diese an andere Hersteller weiterverkaufen und so Extraeinnahmen erzielen. Sie werden also finanziell belohnt. Und umgekehrt muss man auch sehen, dass Mercedes bei der Berechnung der CO2-Emissionen unserer Fahrzeugflotte im Vergleich zu Wettbewerbern ein gewisses Handicap hat. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Weil Mercedes über eine sehr erfolgreiche Van-Sparte verfügt, die andere nicht haben. Diese Großraumlimousinen und Lieferwagen sind größer und schwerer und haben naturgemäß höhere Emissionen als Pkw – obwohl sie oft mit mehreren Personen besetzt sind und so pro Kopf gerechnet sogar weniger CO2 verbrauchen. Das macht es für uns von vorneherein schwerer, die CO2-Vorgaben der EU in der jetzigen Form zu erfüllen.

BMW ist aber auch erfolgreicher und verkauft mehr E-Autos als Mercedes. Ihre Verkaufszahlen von Elektromodellen sinken, die von BMW steigen. Was machen die besser als Sie?

Die meisten unserer Elektroautos sind derzeit in der Oberklasse angesiedelt und in diesem Segment verkauft kein Wettbewerber so viele Elektrofahrzeuge wie wir. Allerdings sind die absoluten Verkaufszahlen elektrischer Oberklasseautos heute noch deutlich niedriger als das vor fünf Jahren erwartet worden ist. Die meisten Elektroautos werden heute in der Mittelklasse verkauft.

Und da hat Mercedes nicht viel zu bieten?

Wir starten jetzt durch in der elektrischen Mittelklasse. Nächstes Jahr bringen wir mit dem GLC unser meistverkauftes Auto erstmals vollelektrisch auf den Markt. Ein tolles Auto. Wir wollen stark wachsen und viel mehr Elektroautos verkaufen als heute. Über den CLA haben wir ja bereits gesprochen.

Lassen Sie uns zum Schluss noch über die neue Bundesregierung sprechen: Sie haben immer wieder bessere Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland gefordert. Kommt jetzt die Wirtschaftswende, die Sie sich gewünscht haben?

Ich finde es sehr positiv, dass der Koalitionsvertrag ein starkes Bekenntnis zu wirtschaftlichem Wachstum enthält. Noch vor der Bildung der neuen Regierung war der heutige SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil bei uns zu Besuch hier im Werk Sindelfingen. Dabei hat er klargestellt, dass er die Autoindustrie als Schlüsselindustrie ansieht. Das sind alles sehr gute erste Schritte. Mercedes wird alles tun, um ein starker Motor für den deutschen Wirtschaftsstandort zu sein. Wie gesagt: Am meisten investieren wir in Deutschland.

Sie haben auch kritisiert, dass die Deutschen zu wenig arbeiten. Da muss Ihnen Kanzler Merz ja aus der Seele gesprochen haben, als er das selbst auch sehr deutlich gesagt hat.

Wenn du zur Fußball-WM fährst und dort den Pokal holen willst, dann musst du dafür die notwendigen Trainingseinheiten absolvieren. Und das gilt nicht nur im Fußball. Deutschland muss auch in der Wirtschaft den Anspruch haben, auf allerhöchstem Niveau mitzuspielen und dafür braucht es vollen Einsatz. Längere Arbeitszeiten, natürlich mit Lohnausgleich, würden helfen, Deutschland wieder nach vorne zu bringen. So habe ich den Bundeskanzler verstanden und ich finde, das ist der richtige Weg.