Kommentar zur Aufrüstung der NATO

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Wer Donald Trump im Oval Office besucht, muss bekanntlich mit allem rechnen. Bundeskanzler Merz hatte aber jedenfalls Grund zur Hoffnung, nicht wie der ukrainische Präsident Selenskyj abgekanzelt zu werden, obwohl Berlin weiter fest zu Kiew steht. Denn Deutschland will eine Kernforderung Washingtons erfüllen: sehr viel mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. Die von Trump verlangten fünf Prozent sollen auch für die anderen NATO-Mitglieder zur verbindlichen Zielmarke werden. Ursache für das größte Aufrüstungsprogramm des Bündnisses ist die sprunghaft gestiegene Bedrohung durch Russland – auch wenn Trump nicht von ihr reden mag, weil Putin ein Bruder im Geiste ist, mit dem er Geschäfte machen und Iran einhegen will.

Die Bundeswehr muss neue Kampfverbände aufstellen

Die Verteidigungsminister der NATO haben bei ihrem Treffen festgelegt, auf welchen Feldern die Verteidigung verbessert werden muss und was die einzelnen Mitgliedstaaten beizutragen haben. Die genauen Vorgaben unterliegen der Geheimhaltung, doch ist schon klar, dass Deutschland zusätzliche Kampfverbände aufstellen muss. Dafür werden, wie Verteidigungsminister Pistorius sagte, bis zu 60.000 zusätzliche Soldaten benötigt, was einer Vergrößerung der aktiven Truppe um etwa ein Drittel entspricht.

Wenn die Bundeswehr die Stärke von einer Viertelmillion erreichen soll, bevor Pistorius Stubenältester in einem Altersheim ist, muss umgehend mit dem Aufbau der für die Reaktivierung der Wehrpflicht nötigen Strukturen begonnen werden. Die nur auf Freiwilligkeit beruhenden Rekrutierungsmodelle sind nur gut für den Sankt-Nimmerleins-Tag, den jedenfalls Putin nicht abwartet, falls er den Verteidigungswillen der NATO testen will. Neuen Einschätzungen nach braucht der pausenlos aufrüstende Kreml nach einem Waffenstillstand in der Ukraine nur zwei Jahre, um sich stark genug für den nächsten Angriff zu fühlen, vielleicht aber nicht einmal die. Sicher ist nur eines: Nach dem Krieg ist für Putin nicht vor dem Frieden, sondern vor dem nächsten Krieg.