„Die Wärmepumpe ist einfach überlegen“

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War der Verkauf für alles in allem rund 12 Milliarden Euro der Deal Ihres Lebens?

Wir haben zuletzt in viele Perlen – auch der deutschen Industrie – investiert, das wäre ohne den Zusammenschluss kaum möglich gewesen. Aber ich glaube, dass ein anderer Punkt der wahrscheinlich beste Teil der Transaktion ist: nämlich unsere relevante Beteiligung an Carrier, wo wir mit 6,5 Prozent größter privater Einzelaktionär sind. Ein deutscher Mittelständler in Zusammenarbeit mit einem global führenden Konzern für Klimalösungen: Das muss man sich immer wieder klar machen.

Und dass der Carrier-Kurs heute höher steht als zum Zeitpunkt des Verkaufs?

Das ist gar nicht entscheidend. Es geht vielmehr um die Qualität eines Unternehmens, um seinen Kern. Carrier Global ist ein globaler Marktführer in einer der international wichtigsten Kernindustrien für die Dekarbonisierung – und Viessmann ist größter privater Einzelaktionär. Das geht in der Betrachtung oft unter. Neben den Aktivitäten, die wir gerade neu aufbauen, ist und bleibt unser En­gagement bei Carrier Global daher von zentraler Bedeutung.

Wie viel Ihrer Zeit verbringen Sie mit Carrier?

Ich bin definitiv ein sehr aktives Mitglied im Board of Directors, also im Verwaltungsrat, und ungefähr alle sechs Wochen in Amerika vor Ort.

Wie unterscheidet sich die Arbeit dort von der in Deutschland?

Sie ist anders als in einem deutschen börsennotierten dualistischen System, wo der Aufsichtsrat qua Amt klare Barrieren hat. In den USA ist es ein Board, das als gemeinsames Team zusammenarbeitet. Folglich ist es auch nicht so schlecht, jemanden zu haben, der die europäische Industrie gut kennt und der auch strategische Impulse geben kann.

Die Viessmann-Heimat ist Allendorf in Nordhessen. Sind sie dort noch präsent, können sie dort noch zum Bäcker gehen?

Natürlich. Wir haben weiterhin Teile un­seres Teams in Nordhessen, allein deshalb bin ich regelmäßig vor Ort. Zu unserem Deal, wie Sie es genannt haben, würde ich gern noch etwas ergänzen.

Wir haben vor eineinhalb Jahren sehr klar gesagt, warum wir den Schritt gehen, und wir haben auch aufgezeigt, wo wir hinwollen, um weiterhin ein industriell geprägtes Familienunternehmen mit klarem Fokus auf den Klimaschutz zu bleiben. Die Logik von damals ist nach wie vor unverändert und richtig. Dieses Jahr sind wir mit großen Schritten bereits einen Teil des neuen Wegs gegangen. Also lassen Sie uns doch mehr über die Zukunft reden.

Maximilian Viessmann bei seinem Besuch im F.A.Z.-Tower in Frankfurt
Maximilian Viessmann bei seinem Besuch im F.A.Z.-Tower in FrankfurtLucas Bäuml

Sie werden aber heute doch sicher noch mit dem Verkauf konfrontiert.

Ja, aber wir haben alles dazu gesagt und erklärt. Was haben wir gemacht? Wir haben ein Unternehmen in neun Jahren auf eine relevante Größe von über 4 Milliarden Euro Umsatz geführt. Wir haben es in eine sehr relevante Profitabilität und marktführende Position in der Zukunftstechnologie der Wärmepumpe geführt. Wir haben ein digitales Ökosystem darum gebaut und signifikant in erneuerbare Energien investiert.

Trotzdem haben Sie verkauft.

Weil wir erkannt haben, dass für den langfristigen Erfolg globale Skaleneffekte entscheidend sein werden. Und diese industrielle Größe und Skaleneffekte kann man sich schlichtweg leider nicht herbeiwünschen, wenn der Weltmarkt schon durchkonsolidiert ist. Deswegen ist und bleibt die Entscheidung, die wir getroffen haben, sowohl inhaltlich als auch strategisch genau richtig.

Welche Alternativen gab es?

Parallel haben wir uns damit auseinandergesetzt, einen asiatischen Wettbewerber zu kaufen. Wir hätten auch Möglichkeiten zur Konsolidierung in Europa gehabt. Am Ende des Tages haben wir uns für eine internationale Lösung entschieden, weil wir sowohl den amerikanischen als auch den asiatischen Markt als sehr, sehr relevant eingestuft haben. Wenn man jetzt darauf schaut, welche Möglichkeiten das beiden Unternehmen – Viessmann Climate Solutions und Carrier Global – gleichermaßen bietet, dann kann man konstatieren, dass das nicht die schlechteste Entscheidung war.

Sie haben auch davon profitiert, dass die Wärmepumpe zum Zeitpunkt des Verkaufs als Schlüsseltechnologie der Wärmewende Phantasien geweckt hat – heute enttäuschen die Verkaufszahlen, und sie gilt vielen als Symbol politischer Gängelung. Wie konnte es so weit kommen?

Da darf man sich von der deutschen polemischen Diskussion nicht ablenken lassen. Die Wärmepumpe ist ja keine Technologie, die in einem Jahr mal kommt und im anderen Jahr wieder geht. Sondern es geht darum, dass wir einen Gebäudebestand in Europa, aber eben auch in Amerika haben, der über die Zeit dekarbonisiert werden muss. Und die Technologie der Wärmepumpe ist einfach überlegen, was die Effizienzwerte betrifft. Daher stellt sich die Systemfrage nicht. Wir wissen doch, dass der CO2-Preis eine sehr entscheidende Rolle spielen wird, für welche Wärmelösung die Menschen sich privat entscheiden. Und da ist die Rechnung relativ schnell gemacht, was langfristig die richtige Technologie ist.

Und die zum Teil große emotionale Ablehnung der Wärmepumpe spricht dem nicht entgegen?

Die kommt vor allem durch mediale Stilisierung. Das sagt doch eher etwas über unser politisches Klima und die politische Kultur in Deutschland aus als über die Wärmepumpe per se.

Wo stehen wir derzeit bei der Energie- und Wärmewende – angesichts von Ampel-Aus und zweiter Präsidentschaft von Donald Trump?

In den USA haben Ideologien im Business keinen Platz, das ist der große Unterschied zu Europa. Deswegen sind Pro­jekte, die auch zur Dekarbonisierung und zur Nachhaltigkeit beitragen, in Amerika nach wie vor stabil und haben eine Zukunft, weil sie auch auf Basis eines funktionierenden Geschäftsmodells vorangetrieben wurden. Das ist nicht ideologisch, sondern pragmatisch. Da unterscheiden sich Europa und Deutschland – weil ein Teil unserer Diskussion immer sehr verkopft und ideologisch geführt wird. Am Ende des Tages ist doch eigentlich allen klar, dass wir enorme volkswirtschaft­liche Risiken haben, wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff kriegen. Wir haben heute schon sehr, sehr sichtbare negative Effekte, die leider auch zunehmen. Gleichzeitig haben wir Technologien und Möglichkeiten, die dem positiv entgegenstehen können. Wir müssen uns auf profitable Business Cases fokussieren, die gleichzeitig etwas Positives zu unserer Umwelt beitragen. Das ist das Fundament der Unternehmensgruppe.

Wirft Trump die Energiewende in Amerika zurück?

Es gibt keine politische Energiewende, sondern schlicht die Notwendigkeit einer Energiewende. Und wenn sie nicht politisch ist, dann kann ein Präsident sie auch nicht umwerfen.

Andererseits hat Joe Biden mit seinem Inflation Reduction Act und enormen Investitionssummen durchaus Einfluss genommen.

Der IRA ist vor allem ein Lokalisierungsprogramm. Er wird immer mystifiziert, als wäre das ein reines grünes Subventionsprogramm. Dabei ist es primär ein Programm zur Steigerung der lokalen Wertschöpfung in Amerika – das übrigens sehr erfolgreich ist und einfach funktioniert. Wir müssen uns vor Augen führen, dass es mit dem Klimawandel ein kritisches Thema zu lösen gilt, das wir nicht in kleinen eigenen staatlichen Entscheidungen lösen können. Den eigentlichen Auftrag, den die Bundesregierung hatte und eine zukünftige Regierung haben wird, ist es, einen globalen CO2-Preis zu etablieren, auf den sich alle Staaten verständigen. Das gibt einen marktwirtschaftlichen Anreiz, CO2-schonender zu wirtschaften.

Was sind Ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung?

Ich komme eher von dem Bedürfnis der Gesellschaft: Verlässliche Rahmenbedingungen. Je weniger ideologisch man diskutiert, desto einfacher ist es, verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein Teil unserer Chance liegt darin, dass man sich wieder auf marktwirtschaftliche Instrumente fokussiert. Der CO2-Preis ist das effizienteste Modell, das wir haben, weil er ermöglicht, Investitionen aus staatlicher Hand zu finanzieren und gleichzeitig Anreize zu schaffen, in CO2-schonende, -reduzierende, -vermeidende Technologien und Innovationen zu investieren. Wir müssen als Weltgemeinschaft endlich größere Schritte in die richtige Richtung machen: Deshalb würde ich auch lieber einen minimalen globalen CO2-Preis forcieren, um eine global gemeinschaftlich verankerte Basis für die Zukunft zu haben, anstatt einen maximal hohen, ideologisch motivierten Preis in einzelnen Regionen durchzudrücken.

Welche Impulse erwarten Sie generell von der neuen Bundesregierung?

Wir müssen unsere Stärken stärken. Wir haben eine sehr starke Forschungs- und Entwicklungsbasis in Deutschland. Wir ha­ben Tugenden, die vielleicht in manchen Bereichen etwas in Vergessenheit geraten sind. Wir müssen uns klar machen, welche zentrale Aufgabe die Politik hat, nämlich die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Diese müssen auf Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ausgerichtet sein.

Die Führung hier liegt vor allem auch darin, diese in der Kommunikation zu übernehmen. Eine Kommunikation, die Chancen und Perspektiven aufzeigt. Zuversicht verbreiten, indem man Missstände anerkennt und Lösungen aufzeigt. Die Po­sitivität in unserem Land entscheidet über die Stimmung der Konsumenten, Inves­titionen aus dem In- und Ausland und die Bereitschaft zur Veränderung. Unser Wohlstand ist nicht gegeben, sondern hart erarbeitet. Die aktuelle Krise stellt auch eine Chance dar, allen ist noch einmal bewusst geworden, was passiert, wenn man nicht dranbleibt oder sich defokussiert durch idealistische Diskus­sionen. Unser zukünftiger Erfolg fußt auf einer hohen Veränderungsbereitschaft. Denn nichts ist beständiger als der Wandel.

Welche Rolle kann Deutschland in einer neuen Weltordnung noch spielen?

Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die globale Antworten braucht. Wir haben in Deutschland das Innovationspotential, um positiv dazu beizutragen. Das können wir aber nur machen, indem wir das mit einem positiven Spirit versehen. Wenn wir alles immer herunterschreiben und negativ stilisieren, werden wir keinen Schritt nach vorn kommen.

Welche Rolle soll Ihre neue Unternehmensgruppe in diesem Umfeld spielen?

Zunächst ist wichtig, dass wir nicht das gesamte Familienunternehmen verkauft, sondern lediglich einen Teil davon in eine Partnerschaft überführt haben. Für diesen Teil haben wir die richtige strategische Entscheidung getroffen. Gleichzeitig haben wir auch für unsere anderen Geschäftsbereiche richtige Entscheidungen getroffen, indem wir sie gestärkt haben. Viessmann Kühlsysteme zum Beispiel mit Hauptsitz in Hof an unserem Gründungsstandort haben wir gestärkt, indem wir den Marktführer KPS Global in Amerika dazugekauft haben. Das heißt, wir sind heute nicht nur Marktführer in Zentraleuropa, sondern auch in Nordamerika, ei­ner sehr stark wachsenden Region. Beide Unternehmen profitieren extrem voneinander, was Produkte, Innovationen und Marktbearbeitung betrifft. Da gibt es Riesenmöglichkeiten. Und warum machen wir das? Weil es in der Lebensmittelversorgung große Lücken gibt, und weil dort eine riesige CO2-Quelle liegt.

Was soll die neue Gruppe ausmachen?

Wir wollen auf unterschiedlichen Ebenen zu unserem Leitbild beitragen, Lebensräume für zukünftige Generationen zu gestalten. Zentral sind dabei industrielle Aktivitäten für die Treibhausgasreduktion, Luftqualität und Wasser- und Lebensmittelverfügbarkeit. Das tun wir durch Mehrheitsbeteiligungen in Bereichen, in denen wir als mittelständisch geprägtes Familienunternehmen langfristig erfolgreich sein können. Und durch Minderheitsbeteiligungen an führenden Unternehmen und mit herausragenden Partnern. Vieles unterscheidet sich kaum oder gar nicht von dem, was wir früher schon begonnen haben. Der wesentliche Unterschied ist, dass unsere Aktivität im Klimalösungsbereich, Viessmann Climate Solutions, von einer Mehrheitsposition in eine Minderheitsposition bei einem globalen Marktführer, Carrier Global, gewechselt ist. Den Rest der Aktivitäten, die wir in den letzten Jahren angefangen haben, bauen wir weiter aus. Das sind Bereiche, die regional fokussiert sind, sprich Produkte und Lösungen, die auch einen gewissen lokalen Radius haben und damit auch primär in einem lokalen Wettbewerb stehen.

Wie groß kann das alles zusammengenommen werden?

Ich bin niemand, der Befriedigung daraus zieht, ein bestimmtes Umsatzniveau zu erreichen. Ich orientiere mich lieber daran, dass wir gegenüber unseren Wettbewerbern stärker wachsen. Und ich orientiere mich daran, dass der Beitrag für die Umwelt messbar groß ist – ob das in Form von Treibhausgasen ist, von Wasser-, Luftqualität oder Lebensmittelverfügbarkeit.

Auf ihre Rolle als Viessmann-Chef konnten Sie sich jahrelang vorbereiten, auf Ihre neue Rolle nicht – ist sie herausfordernder?

Wenn Sie ein Unternehmen mit über 10.000 Mitarbeitern übernehmen, das damals auch die ein oder andere Herausforderung hatte, das Portfolio von fossil auf Erneuerbare umzustellen und das Unternehmen operativ in weniger als fünf Jahren von damals rund 2 Milliarden Euro auf über 4,5 Milliarden Euro Umsatz weiterentwickeln, dann war das sicherlich deutlich herausfordernder, als jetzt die Möglichkeit zu haben, Liquidität gezielt ausgeben zu können. Wir sind heute in einer Position der Stärke, mit all unseren gesammelten Erfahrungen aus der Vergangenheit diese Investitionen in die Zukunft vornehmen zu können.

Wie behalten Sie bei einem solchen Konglomerat die Übersicht?

Am Ende funktionieren unsere Strukturen dadurch, dass wir an den richtigen Stellen die richtigen Personen sitzen haben und wir mit den richtigen Incentives und dem richtigen Maß an Vertrauen unsere unterschiedlichen Unternehmen weiterentwickeln. Wir führen unsere einzelnen Be­teiligungen aus den Boards heraus, also als Non-Executive-Mitglieder in enger Abstimmung mit den Geschäftsführungen.

Gibt es eine Gefahr, sich zu verzetteln?

Die gibt es immer. Aber das nennt man unternehmerisches Risiko. Wenn man die Chance hat, auf Sicht in Märkten eine führende Stellung einzunehmen, dann sollte man diese auch unternehmerisch nutzen.

Wie sind die Beteiligungen regional verteilt?

Es wurde viel darüber geschrieben, dass wir aus Deutschland flüchten könnten. Aber wenn Sie sehen, wie viele Unternehmen, in die wir investiert haben, ihren Hauptsitz in Deutschland und damit auch einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung hierzulande haben – dann kann ich das nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil.

Was ist derzeit aus Ihrer Sicht die spannendste grüne Technologie?

Ich interessiere mich eher für Themen, die erst auf den zweiten Blick richtig spannend sind. So beispielsweise bei un­serer jüngst unterschriebenen, aber noch nicht abgeschlossenen Beteiligung: Was die Kolleginnen und Kollegen bei Isoplus in der Vergangenheit entwickelt haben, begeistert mich. Da geht es um hochgradig spezialisierte Rohrsysteme, die die Vielfalt unserer Städte durch Hunderttausende Einzelprodukte abbilden müssen, um die Dekarbonisierung des urbanen Le­bensraums zu ermöglichen.

Gibt es Vorbilder für die neue Gruppe?

Wir sind sowohl ein Familienunternehmen mit industrieller und technologischer Prägung, ein Beteiligungsunternehmen, ein Land- und Forstwirtschaftsunternehmen, ein Wohnungswirtschaftsunternehmen. Durch unsere Zusammensetzung mehrerer wohltätiger Stiftungen sind wir auch sehr stark philanthropisch engagiert. Gibt es dafür Vorbilder? Klar, ganz viele verschiedene. Aber wir bauen nicht etwas nach. Wir bauen lieber etwas Neues.