Effenberg kritisiert Nagelsmann nach Portugal-Pleite

10

Die Pleite im Halbfinale der Nations League muss sich auch Bundestrainer Julian Nagelsmann ankreiden, schreibt Stefan Effenberg. Doch ein grundsätzliches Problem liegt tiefer, meint der t-online-Kolumnist.

Ich muss es zu Beginn ganz deutlich sagen: Dieses 1:2 im Halbfinale der Nations League gegen Portugal ist ein herber Rückschlag für die deutsche Nationalmannschaft. Nicht nur, weil es ein Dämpfer für die Euphorie ist, die um die Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann wieder entstanden war. Nicht nur, weil das Final Four der Nations League in Deutschland stattfindet und man sich mit dem Heimvorteil mehr erhofft hatte. Nicht nur, weil man den Titel als Ziel ausgegeben hatte und sich nun als Folge der Niederlage wohl auch auf eine schwere Gruppe bei der kommenden WM 2026 einstellen muss.

Nein, dieses 1:2 ist vor allem auch spielerisch ein Rückschlag. Denn das, was die DFB-Elf da am Mittwochabend in der Münchner Allianz Arena gezeigt hat, war sehr durchwachsen – höchstens. Den Spielern sind viel zu viele einfache, individuelle Fehler unterlaufen, diese Unsicherheiten zogen sich durch die ganze Partie – und eine Mannschaft wie Portugal nutzt solche Unzulänglichkeiten gnadenlos aus. Und nach dem 1:2? Da setzte keine Trotzreaktion bei den Gastgebern ein, es gab kein Aufbäumen, keinen Offensivwirbel. Im Gegenteil, die zwei portugiesischen Tore innerhalb von fünf Minuten waren klare Wirkungstreffer für die deutsche Elf, von denen sie sich nicht wieder richtig erholen konnte.

Aber: Eine große Überraschung war dieser Auftritt der deutschen Mannschaft für mich nicht – denn schon in den zwei Nations-League-Spielen gegen Italien wurde deutlich, dass es an Stabilität fehlt. Sie erinnern sich an diese beiden Spiele im März: Deutschland siegte 2:1 auswärts, spielte wenige Tage später dann zuhause 3:3. Diese beiden Partien wurden vielerorts bejubelt. Aber ich habe schon damals gesagt: Von diesen 180 Minuten waren höchstens 90 Minuten gut: Die zweite Halbzeit im Hinspiel, als man einen 0:1-Rückstand drehen konnte, und wiederum die erste Halbzeit im Rückspiel, als man Italien 3:0 vorführte. Beide Halbzeiten täuschten aber über die offensichtlichen Schwächen hinweg – die sich auch jetzt wieder zeigten: Souveränität, Abgeklärtheit, Sicherheit.

Ich finde es sehr gut und richtig, dass DFB-Kapitän Joshua Kimmich nach der Partie unumwunden angesprochen hat, was alles schief gelaufen ist. Noch wichtiger aber: Er hat auch eine unangenehme Wahrheit angedeutet: Der deutschen Mannschaft fehlt im Vergleich zu Top-Nationen wie Portugal, Frankreich oder Spanien die Tiefe. Und er hat Recht damit. Für die DFB-Elf muss alles, aber auch wirklich alles perfekt zusammenlaufen, um Erfolg zu haben. Die Spieler müssen am Limit spielen, als Team funktionieren, es dürfen keine Fehler passieren, ein wenig Glück darf auch nicht fehlen. Portugal dagegen? Dort wird in der zweiten Halbzeit einfach mal ein Vitinha eingewechselt, der gerade erst als Leistungsträger bei Paris Saint-Germain die Champions League gewonnen hat. Das ist herausragend, was dort für Potenzial noch auf der Bank wartet – und da können wir, so offen muss man es sagen, nicht mithalten.

Aber auch taktisch lief ganz wenig zusammen. Ein Indiz dafür: Nagelsmann begann mit einer Dreierkette in der Abwehr, stellte später dann aber doch auf Viererkette um – das ist überhaupt kein gutes Zeichen. Im Gegenteil: Das ist ein fatales Signal. Und das muss er sich ankreiden lassen. Dass das nicht funktionieren würde, sollte aber nicht verwundern. Denn sowohl Jonathan Tah als auch Waldemar Anton und Robin Koch sind gelernte Innenverteidiger, in Nagelsmanns Dreierkette aber mussten Tah und Anton quasi als Außenverteidiger agieren – und fühlten sich sichtlich unwohl.