Donald Trump, der schwache Präsident

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Der schöne Schein, dass der Präsident der Vereinigten Staaten und der reichste Mann der Welt in Frieden auseinandergehen könnten, währte ganze sechs Tage. Am Freitag der vorvergangenen Woche hatte Donald Trump seinen „speziellen Regierungsmitarbeiter“, Tesla­-Chef Elon Musk, noch mit warmen Worten aus seiner Rolle verabschiedet. Am Donnerstag war davon nicht viel übrig geblieben.

Musk hatte Trumps Steuergesetz öffentlich kritisiert, das ein großes Loch in den amerikanischen Staatshaushalt reißen würde. Der Präsident sagte daraufhin am Rande des Treffens mit Bundeskanzler Friedrich Merz, er sei „sehr enttäuscht von Elon“. Und der Tesla-Chef setzte einen Post nach dem anderen ab, um Trump lautstark anzugreifen.

Dabei war im Oval Office ansonsten ein durchaus gezähmter Donald Trump zu erleben. Ja, er teilte nicht nur gegen Musk aus. Er plauderte auch über Gott und die Welt, hörte am liebsten sich selbst reden und nahm es mit den Fakten wie üblich nicht allzu genau. Aber er sparte sich Angriffe auf seinen Gast, lobte sogar einiges, und zu ein paar strittigen Fragen sagte er gar nichts oder hielt sich das Ergebnis offen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Dass der deutsche Kanzler so geschont wurde, das hatte auch mit seinem geschickten Auftreten zu tun. Friedrich Merz hielt sich zurück, lobte den Präsidenten dort, wo er es ohne Schaden tun konnte, lachte über unverfängliche Scherze und machte zur Ukrainepolitik doch noch seinen Punkt.

Aber die Milde des Präsidenten hatte auch damit zu tun, dass Donald Trump selbst derzeit nicht in der allerbesten Position ist. Er streitet sich gerade mit seinem einstigen Unterstützer und kurzzeitigen Berater Musk, er bekommt es in der Russlandpolitik mit selbstbewussten Senatoren zu tun, er gerät mit der Staatsverschuldung an Grenzen. Der öffentlich zele­brierte Streit mit Musk ist bloß ein weiteres in einer Reihe von Indizien, dass Trump an Rückhalt verliert und von vielen Seiten unter Druck gerät.

Von Aggressivität wenig zu spüren

Vor allem hat er gemerkt, dass er bei seinem früheren Lieblingsthema, den Zöllen, mit einiger Vorsicht agieren muss. Anfang April hatte er mit seiner Ankündigung die Börsen auf Talfahrt geschickt und damit die Altersbezüge der Amerikaner gefährdet, chinesische Produkte fehlten in den Regalen, und die Preise drohten weiter zu steigen. Dabei ist das Zurückdrängen der Inflation doch ein Lieblingsthema von Trump, mit dem er sich auch im Beisein von Merz ausgiebig brüstete.

Auch hinterher, beim Mittagessen, war von Aggressivität wenig zu spüren. „Er merkt, dass er vorsichtig sein muss“, sagt jemand, der dabei war: Da kam von Trump kein Angriff, keine aggressiven Forderungen zu den Zöllen, stattdessen gab er das Thema gleich an die Fachleute ab. Seit einer Woche, so ist auch aus Brüssel zu hören, wird jetzt wirklich ernsthaft verhandelt. Allerdings bleibt es unübersichtlich: Landwirtschaft, Stahl, Autos, zu viele Themen sind miteinander verwoben. Das Treffen der G-7-Staaten Mitte Juni und der NATO-Gipfel könnten Gelegenheiten sein, den Deal abzuschließen: Am 9. Juli, die Drohung gilt nach wie vor, läuft Trumps Zollaufschub ab. Es ist ein Termin, vor dem er sich wegen möglicher Börsenturbulenzen auch selbst fürchten muss.

Trump lässt sich die EU erklären

Immerhin scheint Trump jetzt akzeptiert zu haben, dass die europäischen Institutionen in Zollfragen sein Verhandlungspartner sind. Er versucht nicht mehr, die einzelnen Nationalstaaten gegeneinander auszuspielen. Bei dem Treffen in Washington ließ er sich von Merz sogar erklären, wie die Europäische Union funktioniert und warum es sie überhaupt gibt. Dass eine Errungenschaft schon darin besteht, dass diese 27 Staaten kooperieren und keine Kriege mehr gegeneinander führen, das schien ihm dann sogar einzuleuchten.

Die frühere Kanzlerin Angela Merkel, über deren Migrationspolitik Trump auch jetzt wieder so sehr schimpfte, hatte noch amerikanische Lehrlinge deutscher Autofirmen mitgebracht, um die Vorzüge internationaler Wirtschaftskooperation zu veranschaulichen. Merz versuchte es mit Zahlen, aber es war dasselbe Argument: 400.000 Autos aus Europa gelangten pro Jahr in die Vereinigten Staaten, umgekehrt seien es genauso viele. Die übrigen Fahrzeuge, die mit dem Logo einer europäischen Firma über Amerikas Straßen fahren, würden auch dort produziert, sagte er – und verwies auf seinen eigenen alten BMW aus dem Werk in Spartanburg.

Konstruktive Handelsgespräche

„Trump lässt sich vor allem auf zwei Wegen beeindrucken“, sagt die Handelspolitik-Expertin Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: „durch die Märkte und durch die Gerichte“. Beide haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie Trump Einhalt gebieten können. Die Zölle vom „Tag der Befreiung“ setzte er aus, als die Renditen auf amerikanische Staatsanleihen stark anstiegen. Und schließlich wurden sie von einem amerikanischen Bundesgericht zum Teil für rechtswidrig erklärt. Der Präsident, urteilte das Gericht, habe dafür nicht die Befugnis. Die Macht in der Handelspolitik liegt in Amerika traditionell beim Kongress. Die Senatoren könnten also jetzt stärker ihr Recht geltend machen – auch wenn in der Handelspolitik die meisten von ihnen auf Trump-Linie sind.

„Offen und konstruktiv“ seien die Handelsgespräche zwischen den Europäern und den Trump-Leuten neuerdings, sagt Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament. Auch er sieht Trump unter Druck – und verweist nicht zuletzt auf das Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, das der US-Präsident kurz vor der Ankunft des deutschen Kanzlers geführt hatte und über das er sich gleichfalls ungewohnt wohlwollend äußerte.

Gerade bei den Autos sieht der Sozialdemokrat Lange einen Raum für europäisches Entgegenkommen etwa bei Standards für autonomes Fahren oder für Crashtests. Hier sind die Europäer ohnehin entspannt, weil sie nicht daran glauben, dass sich selbst bei erleichtertem Marktzugang sehr viele Konsumenten für Produkte der schlecht beleumundeten US-Hersteller entscheiden. Aber Trump hätte womöglich etwas, was er vorzeigen kann. „Er muss sagen können: It’s a great success, a wonderful result“, glaubt EU-Parlamentarier Lange. Wenn nicht das Geld aus den Zöllen längst verplant ist, um das amerikanische Haushaltsdefizit zu mindern.

Anders als in der Handelspolitik regt sich gegen den russlandfreundlichen Kurs Trumps im Kongress jetzt Widerstand – allerdings mit einer interessanten ökonomischen Volte: Senator Lindsey Graham aus South Carolina will Strafzölle gegen Länder auf den Weg bringen, die mit Russland noch Handel treiben. Das verbindet auf interessante Weise die schwierige russische Frage mit einem Lieblingsthema von Trump, den Zöllen. Der Präsident selbst sagte bisher nicht rundheraus Nein: Er wolle sich das zu gegebener Zeit ansehen und am Ende die Entscheidung treffen. Auch in der Haushaltspolitik gibt es aus dem Kongress neuerdings Widerspruch.

Die NATO ist für die USA wichtig

Dass Merz sich in Washington auch mit Senatoren traf, hält die Chefin des auf die transatlantischen Beziehungen spezialisierten Aspen-Instituts, Stormy-Annika Mildner, deshalb für eine gute Idee. „In der ersten Amtszeit von Donald Trump hat Deutschland versucht, den Ball auch über die Senatoren und die Gouverneure der Bundesstaaten zu spielen. Viele von ihnen haben ein starkes Interesse am Engagement deutscher Unternehmen und an den transatlantischen Beziehungen.“

Oft zählen deutsche Industrieunternehmen zu den wichtigsten Arbeitgebern in ansonsten strukturschwachen Regionen, so wie die Werke der deutschen Autobauer in Tennessee oder South Carolina. Treffen wie das am Donnerstag böten eine Gelegenheit, einerseits auszuloten, wie stark der Kongress noch hinter Trump steht, und zugleich auf die Abgeordneten einzuwirken, stärker die wirtschaftlichen Interessen ihrer Bundesstaaten zu vertreten.

Hinzu kommt eine geopolitische Dimension, die Trump auch in der Politik rund um Verteidigungsausgaben, Ukrainehilfen und Sanktionen einengen könnte. „Die NATO ist der Nukleus der globalen Interessen der Vereinigten Staaten“, sagt der ehemalige deutsche NATO-Botschafter Martin Erdmann, der 18 Jahre lang das transatlantische Verhältnis aus nächster Nähe betreut hat. Bei aller Rhetorik über europäische Trittbrettfahrer gebe es auf der Welt kein anderes Bündnis, in dem die Amerikaner auf so viele ähnlich denkende Verbündete zählen könnten. Und man bemerke bereits ein Einlenken der Amerikaner, glaubt Erdmann. Vom Provokateur J. D. Vance hört man weniger, und Außenminister Rubio habe auf dem Außenministertreffen der NATO vor einigen Wochen „plötzlich Töne von sich gegeben, die man gar nicht erwartet hätte. Der sagte, wir sind ein treuer Alliierter. Da waren keine Drohungen mehr.“

Im Weißen Haus ziehe „ein gewisser Realitätssinn“ ein, erzwungen durch die Realität, dass ein stabiler europäischer Kontinent im ureigenen amerikanischen Interesse ist. Von Ramstein aus koordinieren die Amerikaner ihre Macht in ganz Afrika, dem Nahen Osten, Russland und Zentralasien. Und selbstredend ist der europäische Markt für amerikanische Un­ternehmen auch ein wichtiger dank eines hohen Dienstleistungsexportüberschusses – den Trump gern vergisst, wenn er über Handelsdefizite spricht.

Musk stört von der Seitenlinie

Und dann eben noch Musk. Der Unternehmer werde sich in Zukunft stärker um seine Firmen kümmern, hatte ihm Trump zunächst noch nachgeflötet, zu denen neben dem E-Auto-Bauer auch das Weltraumunternehmen SpaceX und die Plattform X gehören. Der Präsident überschüttete den Abgänger mit Lob für das „umfassendste und folgenreichste Staatsreformprogramm seit Generationen“. Und jetzt setzt Musk ihn in die Nähe des Sexualverbrechers Jeffrey Epstein, drohte mit dem Rückzug seiner für die NASA wichtigen Raketen und behauptete, ohne ihn hätte Trump die Wahl nie gewonnen. Der wiederum keilte in ähnlichem Ton auf seiner Plattform Truth Social zurück.

Dass für die überdimensionalen Egos von Trump und Musk früher oder später kein Platz mehr nebeneinander sein würde, war schon vor dem Amtsantritt des Präsidenten absehbar. Jetzt hält sich Musk nicht mehr damit zurück, die Aspekte der Trump-Agenda lautstark zu kritisieren, von denen er mutmaßlich schon immer wenig hielt. Der Unternehmer profitiert vom freien Handel und galt nicht als größter Fan der Trump’schen Zölle, ebenso wie er von Trumps Steuergesetz nichts hält.

In der Handelspolitik stieß er bei Trump auf taube Ohren, als öffentlicher Gegenspieler könnte er umso lauter auftreten. Musk hat nicht nur viel Geld, das bei der nächsten Kongresswahl an Gegenkandidaten zur MAGA-Fraktion in der republikanischen Partei fließen könnte, wie ernst auch immer seine Andeutung zu nehmen ist, sogar eine neue Partei zu gründen. Er kann darüber hinaus Einfluss durch seine Plattform X ausüben. Auch wenn das in diesen Tagen vielleicht nicht Trumps größte Sorge ist.