Der Kampf um den Erhalt eines französischen Kulturguts

3

Die Luft ist feucht wie in einem Dampfbad, wo Tausende Käselaibe dicht an dicht auf Holzgestellen reifen, wenn auch mit frischen neun Grad nicht gerade badehosentauglich. Der Boden ist glitschig und von Pfützen übersät. Hier und da tropft Wasser von der Decke.

Für die Reifung zum berühmten Roquefort-Schimmelkäse ist die nassfeuchte Kühle unerlässlich. Die Kalksteinhöhlen des südfranzösischen Combalou-Bergs bieten dafür ideale Voraussetzungen. Zumal seine Felsspalten zugleich für eine konstante Luftzirkulation sorgen, die für eine gleichmäßige Schimmelentwicklung wichtig ist.

Bis aus den hier noch gelblich-weißen Laiben der berühmte Käse mit seinen charakteristischen grün-blauen Schimmelpilzadern wird, vergehen jedoch noch Monate. Ein Pflichtenheft regelt, was bei der Herstellung alles zu beachten ist. Der Dachverband der Roquefort-Hersteller wacht streng über die Einhaltung dieser Vorgaben.

Das beginnt mit der Rohmilch, die von Schafen der Rasse Lacaune stammen muss, die rund um die Gemeinde Roquefort-sur-Soulzon im Département Aveyron weiden, und reicht bis zur Normierung der Laibe. Erlaubt sind ein Durchmesser von rund 20 Zentimetern, rund zehn Zentimeter Höhe und ein Gewicht zwischen 2,5 und drei Kilogramm. Die Besonderheit des Roqueforts bildet dabei die Zugabe des Schimmelpilzes Penicillium roqueforti. Er kommt in den Höhlen des Combalou-Bergs natürlich vor. Die „Beimpfung“ mit den Schimmelsporen erfolgt entweder vor der Labzugabe, mit der die Milch zum Gerinnen gebracht wird, oder beim Einlegen des Käsebruchs in die standardisierten Formen.

Zwischen der Anlieferung der Milch in der Molkerei und dem Abtransport der Laibe in die Reifekeller vergehen zehn Tage. Dort liegen sie dann mindestens weitere 14 Tage – aufrechtstehend und ringsum eingestochen, um die Luftzirkulation und das Schimmelwachstum zu fördern. Danach wird die Pilzentwicklung verlangsamt. Dazu wird der Käse in eine Schutzverpackung gefaltet. So reift er in den Höhlen weiter. Alles in allem beträgt die vorgeschriebene Mindestdauer für den Reifeprozess in den Höhlen drei Monate.

Ursprünge in der Antike

Das aufwendige und präzise formulierte Prozedere macht deutlich, wie wenig bei der Roquefort-Herstellung dem Zufall überlassen wird. Das ist im Grunde schon seit Jahrhunderten so. 1411 gewährte der französische König Karl VI. Roquefort-sur-Soulzon mit seinem Höhlenlabyrinth das Monopol auf die Reifung dieses Käses, dessen Ursprünge in die Antike zurückreichen, der zwischenzeitlich auch als Tauschwährung gehandelt wurde und der der Legende nach dadurch entstand, dass ein Hirte bei der Verfolgung eines Mädchens sein Käsebrot in der Höhle vergaß und dieses bei seiner Rückkehr verschimmelt vorfand.

Die außergewöhnlichen Privilegien wurden über die Jahrhunderte bestätigt und konkretisiert. Von den Enzyklopädisten Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond d’Alembert zum „König der Käse“ erhoben, wurde der Roquefort schließlich das erste französische Lebensmittel, das mit dem Gütesiegel der geschützten Ursprungsbezeichnung protegiert wurde – der späteren Appellation d’Origine Contrôlée, AOC, respektive der Appellation d’Origine Protégée, AOP auf europäischer Ebene. Dafür wurde im Jahr 1925 eigens ein Gesetz verabschiedet. An diesem Wochenende findet der Höhepunkt dieses 100-jährigen Jubiläums statt. Neben rund 20.000 Besuchern werden auch Spitzenköche wie Sébastien Bras, Noémie Honiat und Michel Sarran zu den Festlichkeiten in Roquefort-sur-Soulzon erwartet.

Roquefort-sur-Soulzon: Herkunftsort des berühmten Käses
Roquefort-sur-Soulzon: Herkunftsort des berühmten KäsesNiklas Zaboji

Dort ist man stolz auf das jahrhundertealte Savoir-faire. So wie Champagner nur dann als solcher verkauft werden darf, wenn er unter strengen Regularien in der Champagne in Nordostfrankreich produziert wurde, so darf sich auch kein anderer Schimmelkäseproduzent mit dem Namen Roquefort schmücken. Das schützt die Produzenten vor Fälschungen und garantiert Verbrauchern Transparenz und ein gleichbleibendes Qualitätsniveau. Der auf Basis von Kuhmilch hergestellte Bleu d’Auvergne etwa darf nicht als Roquefort verkauft werden, auch wenn er diesem ansonsten in Größe, Form und Gewicht ähnelt.

Der Absatz sinkt

Doch die hohen Qualitätsanforderungen haben ihren Preis – und der hat die inflationsgeplagte Kundschaft in den vergangenen Jahren eher abgeschreckt als angelockt. Stattdessen erfreuen sich Alternativen wie eben Bleu d’Auvergne oder auch Fourme d’Ambert einer wachsenden Beliebtheit, die im Handel oft nur die Hälfte oder gar nur ein Drittel kosten. Sébastien Vignette, der als Generalsekretär die Interessen des Roquefort-Dachverbands vertritt, spricht von einem Phänomen, das bei vielen französischen AOP-Käsesorten zu beobachten sei. Seit Ende der Corona-Pandemie und mit Beginn der Inflationswelle sei ihr Absatz jährlich um drei bis vier Prozent gesunken. Insgesamt tragen in Frankreich 46 Käsesorten das AOP-Gütesiegel. Roquefort ist davon der mengenmäßig drittmeistverkaufte nach Comté und Reblochon.

Während die beiden Letzteren aber zumindest vor der Inflationswelle noch zulegen konnten, befindet sich Roquefort schon länger auf dem absteigenden Ast. Im Zeitraum zwischen 2013 und 2023 ist die verkaufte Menge um 15 Prozent auf rund 14.400 Tonnen gesunken. In der Branche verweist man auf veränderte Essgewohnheiten. So hat die klassische Käseplatte an Bedeutung verloren und haben insbesondere geschmacklich intensive und dazu noch höherpreisige Sorten wie Roquefort gerade bei jüngeren Leuten keinen leichten Stand. „Wir waren lange so ein bisschen der König auf der Käseplatte, aber jetzt erwartet uns eine neue Generation mit neuen Erwartungen“, sagt Verbandsvertreter Vignette.

Nach seinen Angaben ist der durchschnittliche Roquefort-Konsument heute zwischen 40 und 50 Jahre alt. Um auch ein jüngeres Publikum für den Schimmelkäse zu begeistern, wurden die Kommunikations- und Marketingaktivitäten zuletzt deutlich intensiviert. Moderatoren und Influencer wie Laurent Mariotte und Hervé Palmieri werben nun auf Instagram und anderen Kanälen offensiv für den Roquefort und Gerichte, in denen er jenseits der klassischen Käseplatte mit Birne und anderem Obst zum Einsatz kommen kann, etwa in Salaten, auf Burgern, in Gazpachos oder in Kombination mit Nudeln. Als heimisches Produkt soll er nicht zuletzt jene ansprechen, die auf Nachhaltigkeit und Regionalität verstärkt Wert legen. Traditionell entfallen in Frankreich rund 70 Prozent des Roquefort-Absatzes auf Supermärkte und die übrigen 30 Prozent auf den Fachhandel wie Käseläden sowie Molkereien und die Gastronomie.

Furcht vor höheren Zöllen

Ein wichtiges Standbein war lange das Ausland. Mehr als andere französische Käsesorten erfreut sich der Roquefort dort großer Beliebtheit. Zuletzt wurden knapp 4000 Tonnen und damit 28 Prozent der Jahresproduktion in 120 Länder auf der ganzen Welt exportiert. Deutschland war mit 650 bis 700 Tonnen der zweitwichtigste Auslandsmarkt nach Spanien. Während China für die europäischen Käsehersteller ein schwieriger Markt bleibt, wächst die Nachfrage unter anderem in Brasilien. Daneben bleibt Nordamerika mit rund 500 Tonnen eine wichtige Destination für die Roquefort-Hersteller. Schon im 19. Jahrhundert wurde der Schimmelkäse in die USA verschifft.

Doch auch im Ausland hinterließ die Inflationswelle Spuren, und durch die neuen Handelskonflikte droht zusätzliches Ungemach. Höhere Einfuhrzölle in die USA könnten schwerwiegende Folgen für die Roquefort-Industrie haben. Dabei werden böse Erinnerungen wach. Denn schon zwischen 1999 und 2009 hatten die Vereinigten Staaten als Reaktion auf das Einfuhrverbot für hormonbehandeltes Rindfleisch in die EU hundertprozentige Zölle auf europäische Produkte erhoben, zu denen auch der Roquefort gehörte. Dessen Hersteller sprechen rückblickend von einem kumulierten wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 20 Millionen Euro.

Ein anhaltender Absatzrückgang würde Roquefort-sur-Soulzon und die hügelige, dünn besiedelte Region ringsum hart treffen. Wirtschaftlich leben die Menschen hier vom Schimmelkäse. Alles in allem sichert er nach Angaben des Dachverbands rund 5000 direkte Arbeitsplätze. Darin enthalten sind mehr als 2600 Schafzüchter und die Beschäftigten der insgesamt sieben Roquefort produzierenden Unternehmen sehr unterschiedlicher Größe. Marktführer ist die seit 1992 zum französischen Molkereikonzern Lactalis (bekannt für Marken wie Galbani, Salakis oder Président) gehörende Société des Caves et des Producteurs Réunis de Roquefort.

Auf die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des Käses hinzuweisen, ist Teil der zum AOP-Jubiläum forcierten Werbeoffensive. Zumal das Lastenheft den Herstellern durchaus Gestaltungsspielräume für eigene Kreationen lässt. Das bringt in puncto Geschmack, Stärke, Textur und Geruch einen gewissen Variantenreichtum hervor – von sehr scharf-kräftig-pikantem bis zu eher cremig-buttrigem Roquefort bei längerer, bis zu achtmonatiger Reifung oder der Verwendung unterschiedlicher Pilzstämme.

In Summe sind rund 15 Varianten auf dem Markt. Trotz der detailliert ausformulierten Produktionsvorschriften ist Roquefort also nicht gleich Roquefort, betont Verbandsvertreter Vignette. Mehr noch: In einer Welt, die von Standardisierung und Uniformität geprägt sei, sei er viel mehr als nur ein Käse. Er sei nicht weniger als „ein lebendiger Bestandteil der französischen Kultur, in der die Handarbeit und das Savoir-faire des Menschen nach wie vor einen hohen Stellenwert haben“.