Debatte um das Bürgergeld spitzt sich zu

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Für die Bekämpfung von Bürgergeld-Missbrauch erhält Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) Unterstützung. Es gebe eine Einwanderung in die Sozialsysteme, sagte die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen, Karin Welge, (SPD), dem „Tagesspiegel“. „Ich fände sinnvoll, wenn es Anspruch auf volle Sozialtransfers nur für Menschen gäbe, die schon eine Weile hier gelebt und ihre Familie selbst ernährt haben.“ Zudem müssten nachweisliche Verstöße gegen das Sozialrecht schneller geahndet werden; Welge will „einen deutlichen Abschreckungseffekt“.

Bas hatte im Magazin „Stern“ angekündigt, gegen Betrug bei Sozialleistungen vorzugehen. „Wer nicht genügend Geld für sich und seine Familie verdient, kann ergänzend Bürgergeld beantragen. Es gibt jedoch ausbeuterische Strukturen, die Menschen aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland locken und ihnen Mini-Arbeitsverträge anbieten. Gleichzeitig lassen sie diese Menschen Bürgergeld beantragen und schöpfen die staatlichen Mittel dann selbst ab! Das sind mafiöse Strukturen, die wir zerschlagen müssen.“ Hierfür brauche es einen besseren Datenaustausch; Bund, Länder und Kommunen müssten dafür zusammenarbeiten.

Zugleich könnten sich Familien mit geringem Einkommen oft kein frisches Obst und Gemüse leisten, kritisierte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele. „Hier zeigt sich, dass die Regelsätze immer den aktuellen Preisentwicklungen angepasst werden müssen“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es brauche ein höheres Bürgergeld und eine geringere Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Ein kleiner „Höhepunkt im Alltag, wie ein leckeres Pfund frische Erdbeeren als Nachtisch“, müsse für Familien möglich sein.

Rufe nach einem neuen Kurs werden lauter

Ein Umdenken forderte im „Tagesspiegel“ auch Markus Töns (SPD), Bundestagsabgeordneter für Gelsenkirchen. Die Probleme seien riesig. „Ganz Deutschland profitiert von der Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber nur einige wenige Städte tragen die massiven Lasten daraus.“

In Gelsenkirchen stehen laut Welge viele Wohnungen leer. Sie würden von Kriminellen aufgekauft, die dort Familien etwa aus Rumänien und Bulgarien „unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen lassen“. Arbeitsverträge würden für gerade so viele Stunden aufgesetzt, dass ergänzende Sozialleistungen bezogen werden können. Nach dem Prinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt, dass Menschen aus EU-Staaten das Recht haben, nach Deutschland zu kommen, auch wenn sie nur wenige Stunden arbeiten.

Die Leiterin des Jobcenters der Ruhrgebietsstadt, Anke Schürmann-Rupp, bestätigte den Trend. Die Hintermänner hätten keinerlei Interesse an Integration. Dies wirke sich auf die ganze Stadt aus, mahnte Oberbürgermeisterin Welge: „Nachbarn, die ihr Leben lang für das eigene Haus gespart haben, sind in großer Sorge, dass ihre Immobilie nichts mehr wert ist, wenn drumherum solches Elend herrscht.“

Linnemann sucht gemeinsame Linie mit Bas

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann dringt auf tiefgreifende Veränderungen beim vereinbarten Umbau des Bürgergelds in der schwarz-roten Koalition. „Wir müssen wirklich an die Substanz des Systems gehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir können nicht wie in den vergangenen Jahren einfach nur irgendwelche neuen Sanktionen ankündigen, die dann in den Jobcentern vor Ort nicht umgesetzt werden können.“

Er suche den engen Schulterschluss mit Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), sagte Linnemann, der als Unionsfraktionsvize für das Thema zuständig ist. „Wir haben beide ein Interesse daran, dass wir wieder ein gerechtes Sozialsystem bekommen.“ Generell sei der Eindruck entstanden, dass das Bürgergeld schon „eine Chiffre für Ungerechtigkeit in Deutsch“ geworden sei.

Der CDU-Politiker betonte: „Wir müssen uns auf einen ganz wichtigen Punkt einigen: Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr. Wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel.“

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Bürgergeld zu einer neuen „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umzubauen. Vermittlung in Arbeit soll bei arbeitsfähigen Menschen Vorrang haben und erleichtert werden. Außerdem sollen Mitwirkungspflichten und Sanktionen verschärft werden.