Trump setzt Nationalgarde gegen Proteste ein

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Erstmals seit 60 Jahren setzt ein amerikanischer Präsident Kräfte der Nationalgarde gegen den Willen eines Bundesstaates ein. Auf Anordnung von Donald Trump trafen am Sonntag hunderte Nationalgardisten in Los Angeles ein, wo es seit Freitag zu Zusammenstößen zwischen Bundespolizisten und Demonstranten kommt, die sich gegen Razzien der Einwanderungspolizei ICE gegen Migranten ohne gültige Papiere wenden.

Nach Angaben der amerikanischen Regierung wurden bislang 300 Nationalgardisten an drei Einsatzorte im Großraum Los Angeles geschickt, um Bundeseigentum und Personal zu schützen. Im Geschäftszentrum von Los Angeles waren Soldaten in Tarnanzügen mit Helmen und Schnellfeuerwaffen vor einem Gebäudekomplex der Bundesbehörden zu sehen. An die Außenmauern des Gebäudes, in dem sich auch ein Haftzentrum befindet, hatten Unbekannte die Worte „Our City“ gesprüht. Trump hatte zuvor die Entsendung von 2000 Nationalgardisten angeordnet. Damit begegne die Bundesregierung „der Gesetzlosigkeit, deren Ausbreitung zugelassen wurde“, teilte Karoline Leavitt, die Sprecherin des Weißen Hauses, mit.

„Er hofft auf Chaos“

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom warf Trump vor, er heize die Lage absichtlich an. Der Präsident schicke die Nationalgardisten nicht nach Los Angeles, um „auf Bedarfslücken“ zu reagieren, sagte der er, sondern „um eine Krise zu erzeugen“. Auf der Plattform X schrieb Newsom: „Er (Trump) hofft auf Chaos, damit er mehr Razzien, mehr Angst, mehr Kontrolle rechtfertigen kann“. Newsom appellierte an die Bewohner der Westküstenmetropole: „Bleibt ruhig. Wendet nie Gewalt an. Bleibt friedlich.“ Karen Bass, die Bürgermeisterin von Los Angeles, der zweitgrößten Stadt des Landes, nannte die Entsendung der Nationalgarde eine „chaotische Eskalation“. Für deren Einsatz gebe es keinen Grund.

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In Los Angeles war es am frühen Sonntag anfangs weitgehend ruhig geblieben. Am Sonntagmorgen kam es zunächst im Stadtteil Compton zu vereinzelten Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, bei denen es zum Einsatz von Pfefferspray kam. Vor der Haftanstalt stieg dann die Zahl der Demonstranten im Laufe des Sonntags zu Tausenden an. Neben Nationalgardisten kamen auch Bundesbeamte vom Heimatschutzministerium und von ICE sowie örtliche Sicherheitskräfte zum Einsatz.

Steine und Pfefferspray

Polizeikräfte aus Los Angeles versuchten, die marschierenden Demonstranten zurückzudrängen, auch um eine Konfrontation mit der Nationalgarde zu vermeiden, die sich auf die Sicherung von Bundesbehörden beschränkte. Als Demonstranten anfingen, Steine und Gegenstände zu werfen und eine Schnellstraße zu blockieren, kam es abermals zum Einsatz von Pfefferspray und zu Festnahmen. Später wurden auch Fahrzeuge angezündet. Die örtliche Polizei erklärte die Versammlung daraufhin für gesetzeswidrig und rief die Demonstranten auf, nach Hause zu gehen. Bass bestätigte am Sonntag, dass die LAPD, die Polizeibehörde von Los Angeles, sich mit der Nationalgarde koordiniere.

Die „National Guard“ ist eine Miliz der Bundesstaaten, die bei Naturkatastrophen und bei Unruhen zu Einsatz kommt und zudem als militärische Reserve der Streitkräfte dient. Als etwa 2020 nach dem Mord an dem Afroamerikaner George Floyd durch einen Polizisten in Minneapolis Unruhen ausbrachen, setzte der Gouverneur von Minnesota Tim Walz, Kamala Harris‘ späterer Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, die Nationalgarde ein. Trump behauptete später, der Demokrat habe dies auf sein Drängen hin getan, was dieser bestritt.

Kaliforniens Governeur protestiert

Newsom rief die Bundesregierung nach der abermaligen Eskalation in Los Angeles auf, den „rechtswidrigen“ Einsatz der Nationalgarde zu widerrufen und diese wieder unter sein Kommando zu unterstellen. Es habe kein Problem gegeben, bis Trump sich eingemischt habe, sagte der Demokrat, der als einer der Kandidaten für die Präsidentenwahl 2028 gilt.

Polizisten haben in Los Angeles einen Mann festgenommen.
Polizisten haben in Los Angeles einen Mann festgenommen.AFP/Ringo Chiu

Das letzte Mal war die Nationalgarde 1965 gegen den Willen eines Bundesstaates zum Einsatz gekommen, als Präsident Lyndon B. Johnson Soldaten entsandte, um während der Proteste der Bürgerrechtsbewegung in Alabama die Demonstranten zu schützen, die sich gegen die Segregation in den Südstaaten wandten.

„Soldaten überall“

Trump verteidigte am Sonntag die Entsendung der Nationalgarde mit der Sicherung von „Recht und Ordnung“. Es gebe „gewalttätige Leute, und das werden wir ihnen nicht durchgehen lassen“. Er habe am Freitag mit Newsom telefoniert und ihm gesagt, er müsse die Lage unter Kontrolle bringen. Auf die Frage, ob er zusätzlich den „Insurrection Act“ aus dem Jahr 1807 in Anspruch nehmen werde, mit dem er auch die regulären Streitkräfte im Inland einsetzen kann, sagte er, das hänge davon ab, ob es einen „Aufstand“ gebe. Auf die Frage, ob es einen solchen schon gebe, sagte er vor dem Abflug von New Jersey nach Camp David, dem Landsitz der Präsidenten: Nein, aber es gebe Gewalttäter und die werde man nicht gewähren lassen.

Eine protestierende Frau wird festgenommen.
Eine protestierende Frau wird festgenommen.AFP/Ringo Chiu

Trump deutete einen Einsatz von Soldaten auch in anderen Städten an: „Wir erwägen Soldaten überall. Wir werden nicht zulassen, dass das unserem Land passiert.“ Auf die Frage, was die Schwelle für einen Einsatz von Marineinfanteristen wäre, sagte Trump, die Entscheidung liege bei ihm: „Die Schwelle ist da, wo ich denke, dass sie ist.“

Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte zuvor erklärt, bei Bedarf könnten auch in Kalifornien stationierte Marineinfanteristen der Streitkräfte mobilisiert werden. „Sie sind in hoher Alarmbereitschaft“, schrieb er auf X. Newsom reagierte mit Empörung: Der Verteidigungsminister drohe damit, Soldaten „auf amerikanischem Boden gegen die eigenen Bürger einzusetzen“, schrieb er auf X. „Das ist geistesgestörtes Verhalten.“

In der offiziellen Bekanntmachung des Präsidenten hieß es, die Nationalgarde werde 60 Tage im Einsatz sein oder so lange, wie es der Verteidigungsminister für nötig halte. Der Minister dürfe im Bedarfsfall auch Angehörige der regulären Streitkräfte „in einer von ihm als angemessen erachteten Größenordnung“ einsetzen, hieß es dort weiter. Die Soldaten sollten der „Gesetzlosigkeit“ im Raum Los Angeles ein Ende bereiten.