Chinas Export nach Deutschland steigt rasant

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Deutschland wird im Handelsstreit zwischen Amerika und China zu einem der wichtigsten Ausweichländer für die chinesischen Exporteure. Während Chinas Ausfuhr in die Vereinigten Staaten im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 34,5 Prozent sank, stiegen die Lieferungen nach Deutschland den zweiten Monat nacheinander um mehr als 20 Prozent. Das zeigen Daten der chinesischen Zollbehörde. Der Import aus Deutschland sank um 1,3 Prozent. Insgesamt legte Chinas Ausfuhr in alle Welt im Mai um 4,8 Prozent zu, während die Einfuhr um 3,4 Prozent schrumpfte. Neben Lieferungen Richtung Deutschland legte auch der Export in viele südostasiatische Länder stark zu.

Die Daten werden in Dollar gemessen. Preisbereinigt, im Volumen, könnten die Warenlieferungen von China nach Deutschland noch stärker zugelegt haben. China steckt in einer Deflation, die Preise chinesischer Güter sinken. Im Mai gaben die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,1 Prozent nach, teilte das Pekinger Statistikamt am Montag mit. Es war das vierte monatliche Minus nacheinander. Die Erzeugerpreise fallen seit mehr als zweieinhalb Jahren und sanken im Mai um 3,3 Prozent. 

Chinas Außenhandel war im Mai stark vom Zollstreit mit den USA beeinflusst. Bis Mitte Mai galten Importzölle von mehr als 100 Prozent zwischen den USA und China. Auswertungen der Zahl von Containerlieferungen hatten zeitweise auf ein Minus zwischen 30 und 60 Prozent hingedeutet. Die Vereinbarung in Genf, mit der die USA und China sich auf eine Senkung der Zölle um 115 Prozentpunkte geeinigt hatten, wirkt erst zeitlich verzögert auf die Handelsströme. Bis Reedereien ihre Schiffe wieder umgeleitet haben, dauert es einige Wochen. Man rechne mit einer „explosiven Erholung“ im Handel mit den USA, sagte Rong Junjie der F.A.Z. Rong verantwortet das Tagesgeschäft am Terminal Meishan am Hafen in Ningbo, einem der größten Häfen der Welt. Die Unternehmen versuchten, möglichst viele Waren in die USA zu liefern, bevor die Zölle wieder stiegen, sagte Rong. Die USA und China hatten einige der Zölle nur für 90 Tage ausgesetzt.

Verhandlungen am Montag in London

Der Zollstreit weitet sich auf andere Felder aus. Am Montag werden in London der amerikanische Finanzminister Scott Bessent und Chinas Vizeministerpräsident He Lifeng zu Verhandlungen erwartet. Wichtigstes Thema ist der stockende Export wichtiger Seltener Erden aus China. Diese werden vor allem in Magneten verbaut und sind für viele Wirtschaftsbereiche unverzichtbar. In Autofabriken in Europa und Amerika standen zuletzt schon Produktionslinien still. China hat in der Weiterverarbeitung dieser Seltenen Erden eine monopolartige Stellung.

Peking hatte als Reaktion auf die amerikanischen Zölle Anfang April unter anderem Exportkontrollen auf diese Seltenen Erden erlassen. Zur Begründung hieß es, dass die Stoffe auch in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden. Nach der Einigung in Genf hob China die Kontrollen nicht wieder auf, sondern vergab sehr vereinzelt auch an amerikanische Unternehmen Exportlizenzen. Der amerikanische Präsident Donald Trump warf China einen Verstoß gegen die Einigung vor. Bessent sagte, China habe versprochen, die Lieferungen wieder freizugeben. Peking erklärte, dass eine Abteilung des zuständigen Handelsministeriums wegen der Flut an Anträgen überlastet sei. Trump sagte nach einem Telefonat mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, dass dieser gesagt habe, die Ausfuhr der Seltenen Erden in die USA würde wieder steigen.

Bisher sei ein einstelliger Prozentwert der beantragten Lizenzen erteilt worden, hieß es Anfang Juni in europäischen Industriekreisen. Die Europäische Handelskammer teilte am Freitag mit, dass es eine leichte Verbesserung gegeben habe. „Dies reicht jedoch nicht aus, um schwere Lieferkettenunterbrechungen für viele Unternehmen zu verhindern.“ Das Handelsministerium in Peking erklärte am Samstag, man wolle die Lizenzvergabe an europäische Unternehmen beschleunigen. Die stockenden Lieferungen sorgen in vielen Industrieunternehmen für Unmut, vor allem weil China sich üblicherweise als Hüterin der globalen Lieferketten präsentiert. 

China wirft den Vereinigten Staaten seinerseits Verstöße gegen die Genfer Vereinbarung vor. Dazu zählen vor allem Beschränkungen im Halbleiterbereich. Die amerikanische Regierung hatte die Exportkontrollen für KI-Chips verschärft, vor der Verwendung von Chips des chinesischen Herstellers Huawei gewarnt und die Lieferung eines Computerprogramms nach China blockiert, die für das Design von Computerchips verwendet wird. Zudem beschwert Peking sich über die geplante Aufhebung von Visa für chinesische Studenten in den USA. Trump sagte nach dem Telefonat mit Xi, dass diese weiterhin in den USA willkommen seien.