Wenn das Kältebad des Planeten immer wärmer wird

9

Stand: 10.06.2025 09:02 Uhr

Ozeane schlucken Wärme. Doch durch den Klimawandel steigen auch die Temperaturen der Meere. Was heißt das für Küstenstädte, Korallen oder unser Wetter?

Von Janina Schreiber, SWR

Ozeane mit ihren riesigen Wassermassen sind von unschätzbarem Wert. Denn sie kühlen, erklärt Anders Levermann. “Der Ozean ist eine Art Kältebad für den Rest des Planeten.” Levermann ist Professor für die Dynamik des Klimasystems und Leiter der Abteilung Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die meiste zusätzliche Wärme unserer Atmosphäre – gut 90 Prozent – fangen unsere Meere ein und mischen sie in ihre Tiefen.

UN-Ozeankonferenz

Vom 9. bis 13. Juni beraten in Nizza an der französischen Mittelmeerküste Vertreter aus 130 Staaten über einen besseren Schutz der Ozeane. Es ist die dritte UN-Ozeankonferenz, die finanzielle Zusagen und politische Selbstverpflichtungen auf den Weg bringen soll. Die Weltmeere sind mit einer ganzen Reihe von Gefahren konfrontiert: Erwärmung des Wassers, Versauerung des Wassers, Plastikvermüllung, Überfischung und Tiefseebergbau.

Doch zuletzt schlugen Forschende Alarm: Das Kältebad der Erde, es habe Fieber, hieß es. “Wir hatten 2023 und 2024 tatsächlich Rekorde. Wir sind im Vergleich dazu in diesem Jahr etwas tiefer, aber immer noch über den Jahren, die wir vorher hatten,” sagt Levermann.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Für die Temperatur-Anomalie der vergangenen zwei Jahre mit marinen Hitzewellen gibt es verschiedene Erklärungen: Das Wetterphänomen El Niño, anderen Treibstoff in Schiffen, die weniger kühlende Aerosole ausstoßen.

Zusätzlich setzen Menschen die Gewässer unter Druck: Überfischung, Verschmutzung durch Plastik und Chemie. Letztlich sei für die warmen Ozeane vor allem ein Faktor entscheidend, sagt Levermann. “Die globale Erwärmung. Das zusätzliche CO2 erwärmt die Atmosphäre und dann auch den Ozean.”

Übersäuerung durch mehr CO2

Mit fatalen Folgen für die marinen Ökosysteme: Korallen bleichen und sterben, Algen vermehren sich unkontrolliert, und die Grundlage der marinen Nahrungskette, das Plankton, gerät aus dem Gleichgewicht. Früher seien ungefähr ein Drittel der CO2-Moleküle aus der Atmosphäre im Ozean gelöst worden und produzierten dort Kohlensäure. Mittlerweile sei es fast die Hälfte, sagt Levermann. Die Meere versauern.

Meeresspiegelanstieg unabwendbar

Dabei sollte die schiere Masse des Wassers, die einfach das tut, was sie eben physikalischen Gesetzen folgend tut, uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. “Das Kältebad wird noch lange funktionieren, ganz einfach, weil der Ozean im Mittel drei Kilometer tief ist. Das sind noch viele Schichten, die erwärmt werden müssen.”

Doch dabei steigt der Meeresspiegel immer weiter an, denn wärmeres Wasser braucht mehr Raum. Und das sei die langsame, aber wuchtige Gefahr dabei. “Wir verändern damit unseren Planeten. Wenn man den Meeresspiegelanstieg nicht ernst nimmt und den Küstenschutz nicht entsprechend anpasst, dann wird es auch gefährlich für die Bevölkerung.”

In den vergangenen 100 Jahren ist der Meeresspiegel um 20 Zentimeter angestiegen. Doch verursacht, sagt Levermann, habe die Menschheit bereits jetzt einen Anstieg von zweieinhalb Meter, der sich über die nächsten Jahrhunderte entfalten wird, selbst wenn die Welt bei der gleichen Temperatur bleiben würde.

Bedeutet: Wenn wir uns bei zwei Grad Erderwärmung einpendeln, bekommen wir fünf Meter Meeresspiegelanstieg. Probleme seien dann in Shanghai, Kalkutta, aber auch in New York und Hamburg absehbar, so Levermann. “In meiner Jugend wurde irgendwann gefeiert: 750 Jahre Hamburg. Die nächsten 750 Jahre wird Hamburg wahrscheinlich nicht erleben.”

Heiße Ozeane – intensivere Wetterextreme

750 Jahre klingt lange. Doch was uns schon heute kümmern sollte, sind die Wetterextreme. Physiker Levermann sagt, den Effekt durch wärmere Ozeane können wir uns so vorstellen, wie wenn wir im Badezimmer an den Spiegel hauchen und dieser beschlägt. “Dann sehen Sie das Clausius-Clapeyron-Gesetz in Aktion. Denn eine wärmere Atmosphäre, die aus Ihrem Mund nämlich, kann mehr Wasserdampf halten.”

Pro Grad Erwärmung sind das sieben Prozent mehr Feuchtigkeit. Und das ist der perfekte Treibstoff für heftige Stürme und Starkregen. Auch die World Weather Attribution, ein internationales Forschungsteam, hat mehrfach festgestellt, dass die Klimaerhitzung Überschwemmungen heftiger und intensiver gemacht hat. Und deshalb ist für Levermann klar: “Wir sollten so schnell wie möglich aufhören, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen und dadurch noch mehr Energie ins System zu geben.”