Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 hervor, den die Behörde an diesem Dienstagmorgen veröffentlicht hat. Danach stieg die Zahl der rechtsextremen Straftaten um 47,4 Prozent an – von 25.660 im Jahr 2023 auf 37.835. Den Hauptanteil der Straftaten machten Propagandadelikte aus. Doch es wurden auch 1281 Gewalttaten erfasst; deren Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr leicht.
Der Verfassungsschutz erkennt auch in anderen Bereichen ein Erstarken des Rechtsextremismus. Bundesinnenminister (CSU) ging bei der Vorstellung des Berichts in Berlin darauf ein. „Das rechtsextremistische Personenpotenzial ist 2024 um knapp ein Viertel gestiegen.“ Seien im Vorjahr noch 40.600 Rechtsextremisten erfasst worden, seien es im Berichtsjahr 50.250 Personen gewesen, darunter 15.300 „gewaltorientierte Rechtsextremisten“. Dobrindt sprach von einer „erschreckenden Zahl“. Er zeigte eine Grafik, nach der sich die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Dobrindt sagte, es sei ein „dramatischer Befund, dass das in dieser Geschwindigkeit vorangeht“.
Einen sehr starken Anstieg von Rechtsextremisten verzeichnet der Verfassungsschutz in der Mitgliedschaft der AfD. Dort verdoppelte sich ihre Zahl binnen zwei Jahren: Waren es 2022 noch 10.200 Parteimitglieder, die als rechtsextrem galten, sind es nun 20.000. Die Zahl der Parteimitglieder stieg im genannten Zeitraum allerdings auch deutlich und liegt nun bei mehr als 50.000.
Mehr Gewalttaten gegen Asylunterkünfte
Die im Bericht zusammengefassten Einschätzungen des Verfassungsschutzes zur AfD decken sich mit jenen, die auch das AfD-Gutachten ausführt, das kürzlich öffentlich wurde. Die „ideologischen Harmonisierung der Partei“ habe sich weiter fortgesetzt, Parteifunktionäre äußerten sich fortgesetzt auf eine Weise, die verfassungsschutzrelevant sei. Die Partei vertrete ein „völkisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes stehe.

Allerdings gilt die AfD im Verfassungsschutzbericht weiter als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Zwar war das erwähnte Gutachten zum Schluss gekommen, die AfD müsse nun als gesichert rechtsextremistische Kraft gelten, doch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Rechtsstreit mit der AfD zugesagt, die Partei nicht offiziell als extremistisch zu führen, bis es ein Urteil gibt.
Im Mittelpunkt rechtsextremistischer Agitation in Deutschland standen dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr abermals die Themen Asyl und Migration. Vor allem die islamistisch motivierten Gewalttaten von Mannheim und Solingen hätten dem Futter gegeben. In diesem Zusammenhang konnte auch ein deutlicher Anstieg von rechtsextremistischen Gewalttaten gegen Asylunterkünfte beobachtet werden.
Als „besorgniserregende Entwicklung“ beschreiben die Verfassungsschützer die Tatsache, dass es neben immer mehr rechtsextremer Agitation im Netz eine „vermehrt realweltliche und gewaltorientierte“ Fokussierung gebe. Diese drücke sich unter anderem durch Angriffe auf Veranstaltungen zum „Christopher Street Day“ aus.
Auch der Linksextremismus ist erstarkt
Auch die Eskalation in Nahost wird von Rechtsextremisten in Deutschland genutzt, um migrationsfeindliche Positionen zu propagieren. Doch auch andere Extremisten bewirtschaften dieses Feld. Unterschiedliche extremistische Akteure riefen 2024 zu Hass und Gewalt gegen Juden oder den Staat Israel auf oder verneinten sein Existenzrecht. Als Protestschwerpunkt nennen die Verfassungsschützer dabei Berlin. Treiber des Demonstrationsgeschehens seien neben Islamisten und palästinensischen Extremisten auch türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten. Als verbindende Elemente zwischen den Akteuren und ihren ganz unterschiedlichen Motivlagen hätten Antisemitismus und Israelfeindlichkeit gewirkt.
Erstarkt ist im vergangenen Jahr zudem der Linksextremismus. Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten stieg um 37,9 Prozent auf 5857 Delikte. Die Zahl der Gewalttaten hingegen sank um 26,8 Prozent auf 532 Delikte. Die Zahl der Linksextremisten stieg leicht, um 2,7 Prozent, auf insgesamt 38.000 Personen. Davon sind 11.200 als gewaltorientiert einzuschätzen, ebenso viele wie im Vorjahr.
Gefahr durch Spionage und Sabotage steigt
Der Verfassungsschutz beobachtet auch, dass Linksextremisten sich von den Wahlerfolgen und den hohen Umfragewerten der AfD angestachelt fühlten. Gewaltbereite Linksextremisten sähen darin einen Beleg für die „Unwirksamkeit eines gewaltfreien, demokratischen Engagements gegen ein sogenanntes faschistisches Gedankengut“. In der Szene habe dies zu einem nochmals erhöhten Handlungsdruck geführt.
Darüber hinaus weist Innenminister Dobrindt auf die weiterhin hohe Gefahr des Islamismus und von Spionage und Desinformation hin. „Unser Land ist zunehmend Spionage und Sabotage sowie Cyberangriffen und Desinformation ausgesetzt.“ Insbesondere der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine fordere die Arbeit der Cyber- und Spionageabwehr. Dazu gehöre auch, die Manipulation von Informationen zu erkennen.
Dem Bericht zufolge gab es 2024 deutlich mehr Hinweise auf mögliche Sabotagevorfälle, etwa Brandstiftung und Vandalismus. Zudem seien Ausspähungs- und Propagandaaktivitäten festgestellt worden, die mutmaßlich auf russische Nachrichtendienste zurückzuführen seien. Dieser setze sogenannte Low-Level-Agenten ein. Das sind Personen, die von russischen Nachrichtendiensten meist über soziale Medien und Messengerdienste angeworben werden, um Aufträge auszuführen. Sie selbst gehören den Nachrichtendiensten nicht an.