So steht es um den Tiefseebergbau

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Stand: 11.06.2025 05:39 Uhr

Bei der UN-Ozeankonferenz in Nizza dürfte wieder hart über Rechte beim Tiefseebergbau verhandelt werden. Einzelne Staaten könnten internationale Regelungen umgehen. Und auch die Wirtschaftlichkeit steht in Frage.

Von Yasmin Appelhans, NDR

Es ist eine verlockende Vorstellung: einfach abzutauchen, die umherliegenden Manganknollen einzusammeln und so das Problem der fehlenden Rohstoffe für die Energiewende zu lösen.   

Aber schon seit Jahrzehnten wird bei der Internationalen Meeresbodenbehörde in Kingston, Jamaika, verhandelt, ob die Knollen überhaupt abgebaut werden dürfen. Die Behörde soll die Bodenschätze der Tiefsee als “gemeinsames Erbe der Menschheit“ verwalten.  

Der Grund: Viele der bekannten Stellen mit Manganknollen liegen in internationalen Gewässern und gehören so nicht einzelnen Staaten, sondern der Weltgemeinschaft. Weniger privilegierte Nationen, die sich das Investment in das teure Unterfangen nicht leisten können, sollen beim Abbau durch Firmen am Gewinn beteiligt werden. Laut einer Studie würden sie bei dem geplanten Vorgehen allerdings kaum profitieren. “Wirtschaftlich gesehen ist die einzige Gruppe, die etwas Geld verdienen kann, die der Unternehmen und die Investoren“, so der Erstautor Rashid Sumaila von der University of British Columbia in Kanada.   

Ökologische Schäden führen zu wirtschaftlichen

Zudem gibt es ökologische Folgen des Abbaus. Auch wenn noch nicht vollständig bekannt ist, wie groß diese tatsächlich ausfallen können, zeigt auch ein neuer Bericht, an dem auch das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel beteiligt war, die potenziellen Risiken: Beim Abbau wird Material vom Meeresboden in die Wassersäule geschleudert, Lärm und Sedimentwolken beeinflussen auch Lebewesen, die nicht am Meeresboden leben. Noch Jahrzehnte nach Tests zum Abbau zeigen sich zudem die Spuren der Geräte im Tiefseeboden. Tiere in der Tiefsee wachsen sehr langsam, und es könnte Jahrhunderte dauen, bis dort verursachte Schäden ausgeglichen sind. 

Diese Schäden können sich auch wirtschaftlich bemerkbar machen. “Wenn die Ökologie beeinträchtigt wird, wirkt sich das auf Tiere, zum Beispiel Fische, aus, was zu Nahrungsproblemen, Existenzproblemen und weniger Einkommen führt“, so Rashid Sumaila. So könnte das wirtschaftliche Risiko in Küstenregionen um bis zu 14 Prozent steigen, berechnet er in einer aktuellen Studie. Etwaige Schäden werden bei den Verhandlungen in Jamaika einbezogen. 

Die USA im Alleingang

Die langwierigen Verhandlungen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde umgehen möchte jetzt die kanadische “The Metals Company”. Nachdem sie sich zunächst über den Inselstaat Nauro eine Lizenz zum Abbau bei der Behörde verschaffen wollte, hat sie sich jetzt die USA als Verbündeten gesucht. Da Washington das internationale Seerechtsübereinkommen nicht unterzeichnet hat, sind die Regelungen im Rahmen der Internationalen Meeresbodenbehörde für die USA nicht direkt bindend. Im April hatte Präsident Donald Trump ein Dekret unterzeichnet, das den Abbau zeitnah erlauben soll. Kurze Zeit später hatte das Unternehmen in den USA einen offiziellen Antrag zum Abbau eingereicht.  

“Die Möglichkeiten, dem Einhalt zu gebieten, sind gering. Vor einen internationalen Gerichtshof, wie den IGH in Den Haag, kann man die USA ohne ihre Zustimmung nicht zitieren“, schätzt die Rechtswissenschaftlerin Nele Matz-Lück von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Situation ein. Gegenmaßnahmen als Reaktion auf einen wahrscheinlichen Völkerrechtsverstoß seien unwahrscheinlich und würden sich voraussichtlich in Handelsmaßnahmen erschöpfen. 

Nationale Gewässer nicht regulierbar

Handhabe gäbe es zudem auch nur für internationale Gewässer. Was jeder Staat vor der eigenen Haustür abbaut, lässt sich international nicht regulieren. Norwegen hatte so beispielsweise Tiefseebodenbergbau in den eigenen Gewässern der Arktis geplant. Dieses Unterfangen ist derzeit ausgesetzt.

Insgesamt 32 Staaten, unter anderem Deutschland, setzen international und teilweise auch national dagegen auf ein sogenanntes Moratorium: Der Abbau sollte nicht erlaubt werden, bis mehr über die Folgen bekannt ist.  

Wirtschaftlichkeit zweifelhaft

Ob der Abbau der Manganknollen überhaupt wirtschaftlich ist und ob die Rohstoffe für die Energiewende nötig wären, steht derweil auch in Frage. “So einzigartig sind die Manganknollen gar nicht“, sagt Andreas Manhart vom Öko-Institut in Freiburg. “Wenn man die komplette Analyse fährt, findet man fast das halbe Periodensystem. Aber das findet man auch im Pflasterstein.”

Wirtschaftlich aus der Tiefsee gewonnen werden könnten Kupfer, Kobalt und Nickel. Mit ein wenig Aufwand auch das namensgebende Mangan.  

Allerdings sei gerade bei diesen vier Elementen der wirtschaftliche Bedarf bei der für die Energiewende wichtigen Batterieherstellung gar nicht so hoch, so Manhart. Denn immer mehr Batteriehersteller produzieren ohne Kobalt und teilweise auch ohne Nickel. Kupfer und Mangan ließen sich auch an Land ausreichend gewinnen.  

Hohes Risiko für Unternehmen

Vermutlich ist das der maßgebliche Grund dafür, dass sich Autobauer wie BMW, VW, Renault und Volvo und andere große Unternehmen wie Google, Samsung SDI und Philips schon vor Jahren selbst verpflichtet haben, zunächst keine Rohstoffe aus der Tiefsee zu nutzen – sie werden wohl nicht unbedingt nötig sein. 

Größere Bergbauunternehmen haben bisher auch noch keinerlei Interesse am Abbau der Knollen angemeldet. Ihnen sei das Risiko des bisher so unbekannten Unterfangens zu groß, vermutet Manhart. Zu unklar seien die Höhe der nötigen Investitionen und die möglichen Gewinne. Für bisher kleine Firmen, wie die speziell für den Tiefseebergbau gegründete “The Metals Company“, sei genau das aber Teil der Strategie: “Ich denke, dahinter steckt so eine klassisches Venture-Kapital-Denke zusammen mit so einem Start-up-Gedanken“, meint Manhart. “Es kann funktionieren, es muss aber nicht. Probieren wir es mal – und wenn es nicht funktioniert, ist das Geld futsch, aber dann ist auch kein großes Unternehmen pleite.“  

Rechtlich bindende Entscheidung unwahrscheinlich

Ob das Thema Tiefseebodenbergbau bei der UN-Ozeankonferenz zu verbindlichen Entscheidungen führen wird, ist unklar. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte vor der Konferenz kritisiert, dass der Entwurf für ein Abschlussdokument bezüglich der Aussagen zum Tiefseebergbau verwässert worden und die Anwendung des Vorsorgeprinzips im Gegensatz zu früheren Entwürfen nicht mehr vorhanden wäre. 

Spätestens bei der nächsten Sitzung der Tiefseebodenbehörde im Juli dürfte das Thema allerdings wieder Fahrt aufnehmen – wenn auch Staaten wie die USA mit einem Alleingang den gesamten Prozess untergraben könnten.