Die Bürgermeisterin von Los Angeles hatte tags zuvor noch gesagt, eine Ausgangssperre sei bislang nicht nötig. Doch nach einer Nacht mit mehr als hundert Festnahmen und weiteren Zusammenstößen mit der Polizei am fünften Protesttag kündigte Karen Bass am Dienstagnachmittag eine solche Ausgangssperre für die Innenstadt an. Sie sei wegen „erheblicher“ Gewalt und Vandalismus nötig.
Das Verbot betrifft nach Angaben des Senders CNN einen Teil der Stadt, in dem weniger als 100.000 der knapp 4 Millionen Einwohner von Los Angeles wohnen. Doch es soll die Szenen verhindern, die sich in den vergangenen Nächten abspielten, als eine kleine Gruppe Randalierer Polizeibeamte angriff und Geschäfte plünderte. So will die Stadt den friedlichen Protest von Gegnern der Trumpschen Migrationspolitik von Unruhestiftern trennen, die die Situation in den vergangenen Tagen vor allem nachts eskaliert hatten.
Die Ausgangssperre trat in Los Angeles mit der Dämmerung um acht Uhr in Kraft und sollte bis um sechs Uhr am nächsten Morgen gelten. Am Dienstag war es jedoch schon tagsüber zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Am frühen Nachmittag kam es zum ersten Tränengaseinsatz der Polizei an der Haftanstalt, an der sich um die hundert Demonstranten versammelt hatten. Das Gebäude gilt vielen als Fixpunkt für die Proteste, weil hierhin Migranten gebracht werden, die von der Einwanderungsbehörde bei Razzien festgenommen wurden. Auch am Dienstag fuhren Dutzende Fahrzeuge der Heimatschutzbehörde sowie nicht gekennzeichnete Vans in das Gebäude, das von der Polizei von Los Angeles und der Nationalgarde geschützt wurde.
Newsom: „Der Rechtsstaat weicht immer mehr dem Gesetz des Don“
Am frühen Abend dann gab die Polizei bekannt, man habe allein an diesem Tag schon 197 Personen festgenommen. Polizeichef Jim McDonnell sprach von einer „beunruhigenden Eskalation und unrechtmäßigem und gefährlichem Verhalten“, das sich seit Samstag verstärkt habe. 67 Personen wurden am Dienstag allein auf dem Freeway 101 festgenommen, nachdem sie die Ausfallstraße wie schon am Wochenende blockiert hatten.
Auch der Streit des demokratischen Gouverneurs von Kalifornien, Gavin Newsom, mit dem amerikanischen Präsidenten, über die Lage in Los Angeles eskalierte am Dienstag weiter. Newsom sagte in einer Rede, die er rund eine Stunde nach der Bekanntgabe der Ausgangssperre hielt, die amerikanische Demokratie werde „vor unseren Augen angegriffen“. Trump nehme eine „Abrissbirne“ und zerstöre das historische Prinzip der Gewaltenteilung. Der Kongress entziehe sich dabei jeglicher Verantwortung, sagte Newsom weiter. „Der Rechtsstaat weicht immer mehr dem Gesetz des Don.“ Die Gesellschaft müsse ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen – jedoch „bitte friedlich“.
Newsoms Aussagen folgen auf Trumps Anordnung vom Montag, gegen den Willen des Bundestaates nicht nur weitere 2000 Soldaten der Nationalgarde, insgesamt dann 4000, nach Los Angeles zu entsenden, sondern auch 700 Marineinfanteristen. Letztere sind nach Informationen amerikanischer Medien jedoch noch nicht in Los Angeles im Einsatz, sondern warten außerhalb auf einen Einsatzbefehl. Weder die Nationalgarde noch die Marineinfanteristen sind grundsätzlich befugt, aktiv in das Protestgeschehen einzugreifen. Das wird seit vergangenem Freitag ausschließlich von der Polizei von Los Angeles geregelt. Die von Trump entsendeten Soldaten sind nur zum Schutz der Bundesgebäude abgestellt, solange der Präsident nicht den außergewöhnlichen Schritt geht, den „Insurrection Act“ anzuwenden, der im Falle von Aufständen den Einsatz des Militärs im Inland erlaubt.

Gouverneur Newsom und Los Angeles‘ Bürgermeisterin Bass hatten Trump vorgeworfen, die Proteste mit der Entsendung von Soldaten weiter anzuheizen. Die Polizei ist mit Schlagstöcken, Blendgranaten und Reizgaskanistern ausgestattet, während die Nationalgarde in Los Angeles mit Sturmgewehren bewaffnet ist. Während der Proteste vor dem Gefängnis in der Innenstadt am Dienstag waren drei Scharfschützen der Nationalgarde sichtbar im Gebäude platziert und ein Humvee stand auf dem Vorplatz.
Präsident Trump verteidigte seine Entscheidung, die Nationalgarde gegen den Willen Newsoms nach Kalifornien zu schicken, am Dienstag abermals. Während eines Besuchs in Fort Bragg sagte er vor Soldaten, man werde „alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen“, um „Recht und Ordnung sofort wiederherzustellen“. Los Angeles sei eine „Müllhalde“, doch er werde die Stadt „befreien“. Man werde nicht auf Gouverneur Newsom warten, „der zusehen wird, wie Städte brennen“. Dies dürfte eine Anspielung auf die schweren Brände in Los Angeles im Januar dieses Jahres gewesen sein. Damals hatte die Nationalgarde beim Löschen der Feuer und der Versorgung der Bevölkerung geholfen und dafür Applaus bekommen. Dieser Tage buhen die Demonstranten die Soldaten in der Stadt aus.
Angeheizt wurde die Debatte über die Anwesenheit der Soldaten am Dienstag auch dadurch, dass die Einwanderungsbehörde ICE Fotos auf X veröffentlichte, auf denen Soldaten der Nationalgarde Festnahmen von Migranten absichern, offenbar also Teil der Abschiebebemühungen der Trump-Regierung sind. Die stellvertretende Heimatschutzministerin Tricia McLaughlin äußerte dazu, das Militär habe das Recht, Demonstranten, die ICE-Beamte angriffen, vorübergehend festzusetzen bis sie durch die Strafverfolgungsbehörden festgenommen würden. Ein Bundesrichter wies am Dienstag einen Eilantrag des Bundesstaates Kalifornien zurück, der den Einsatz von Nationalgarde und Marineinfanteristen bei ICE-Operationen in Los Angeles, etwa in Form von Checkpoints, verbieten sollte. Stattdessen ist in dieser Sache für Donnerstag eine Anhörung angesetzt.